Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlanfechtung durch Wahlberechtigte einer „wahlmüden” Gruppe. Wahlanfechtung– erfolgreiche – beseitigt nicht Verlust des Anspruchs auf Vertretung. Wahlverfahren Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das – durch irreführenden Hinweis auf Wahlzettel. vorgeschriebene Zahl der Mitglieder des Personalrats keine Gültigkeitsvoraussetzung der Wahl. Berichtigung des Wahlergebnisses im gerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Erweist sich die Mehrheitsgruppe als „wahlmüde” und reicht keinen Wahlvorschlag ein, so ist der ihr sonst zustehende vierte Sitz (§ 17 Abs. 4 BPersVG) nicht auf die übrigen Gruppen zu verteilen.
2. Der dem Stimmzettel beigefügte Hinweis auf die Folge der Ungültigkeit bei zuviel angekreuzten Bewerbern muß die infolge „Wahlmüdigkeit” geänderte Sitzverteilung berücksichtigen; andernfalls ist er irreführend und verstößt gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren.
3. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung wegen eines später unterlaufenen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren beseitigt nicht den einmal eingetretenen Verlust des Anspruchs auf Vertretung infolge Nichteinreichung eines Wahlvorschlags.
4. Bleibt die Zahl der gewählten Personalratsmitglieder von vornherein unter der vorgeschriebenen Zahl, so berührt das nicht die Gültigkeit der Wahl, auch wenn die Differenz mehr als ein Viertel dieser Zahl ausmacht.
Normenkette
BPersVG § 17 Abs. 1 S. 3, Abs. 4, § 25; BPersVWO § 28 Abs. 2 S. 3
Tenor
Die Personalratswahl vom 3. Januar 1990 wird für ungültig erklärt, soweit es den Wahlgang in der Gruppe der Beamten betrifft.
Die weitergehenden Anträge der Antragsteller sowie die Hauptanträge der Beteiligten zu 1) und 2) werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind als Angestellte, der Antragsteller zu 3) ist als Arbeiter in einer Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes in B. beschäftigt. Sie fechten die am 3. Januar 1990 bei dieser Dienststelle durchgeführte Personalratswahl an.
Zu der Dienststelle gehören 36 zivile Beschäftigte (acht Beamte, 24 Angestellte und vier Arbeiter) sowie acht Soldaten. Aufgrund des Wahlausschreibens vom 21. November 1989 waren in getrennten Wahlgängen (Gruppenwahl) für die Beamten ein Vertreter, für die Angestellten zwei Vertreter und für die Arbeiter ein Vertreter zu wählen. Bis zum Ablauf der Frist zum 11. Dezember 1989 wurde lediglich für die Gruppe der Beamten ein Wahlvorschlag mit zwei Bewerbern eingereicht. Der Wahlvorstand setzte durch Bekanntmachungen vom 12. Dezember 1989 beiden Gruppen eine Nachfrist von sechs Arbeitstagen zur Einreichung von Wahlvorschlägen. Nachdem auch diese Frist fruchtlos abgelaufen war, gab er am 21. Dezember 1989 „gem. § 11 Abs. 3 Wahlordnung zum Personalvertretungsgesetz bekannt, daß am 3.1.1990 für die Gruppe der Angestellten und der Arbeiter keine Vertreter gewählt werden können”.
Auf dem Stimmzettel für die Wahl der Personalratsmitglieder der Gruppe der Beamten waren die Namen der beiden für diese Gruppe vorgeschlagenen Bewerber F. und M. in der dem Wahlvorschlag entsprechenden Reihenfolge aufgeführt. Darunter befand sich der Vermerk: „Der Stimmzettel ist ungültig, wenn mehr als ein Bewerber angekreuzt ist”.
Es wurden fünf Stimmzettel abgegeben, davon drei, auf denen nur der Name des Bewerbers F. mit einem Kreuz versehen war; auf den beiden übrigen waren die Namen beider Bewerber angekreuzt. Der Wahlvorstand stellte daraufhin fest, daß ein Vertreter der Beamten zu wählen gewesen sei, die Stimmzettel, auf denen mehr als ein Name angekreuzt worden sei, ungültig seien und folglich der Bewerber F. gewählt sei, weil auf ihn drei Stimmen entfallen seien und auf den Bewerber M. keine. Dieses Ergebnis wurde am 11. Januar 1990 bekanntgemacht.
Die Antragsteller haben die Wahl im Anschluß an die konstituierende Sitzung des Personalrats angefochten. Sie machen geltend, in der Gruppe der Beamten habe sich entgegen der Auffassung des Wahlvorstandes wegen der Wahlmüdigkeit der beiden anderen Gruppen eine geänderte Sitzverteilung ergeben. Aus diesem Grunde seien beide vorgeschlagenen Bewerber wählbar gewesen. Darauf habe in der Bekanntmachung nach Ablauf der Nachfrist hingewiesen werden müssen. Das sei nicht geschehen. Außerdem sei der Hinweis auf den Stimmzetteln zur Ungültigkeit im Falle des Ankreuzens von mehr als einem Bewerber fehlerhaft gewesen. Jedenfalls aber seien die Feststellung und die Bekanntgabe des Wahlergebnisses unrichtig. Darüber hinaus sei keine Personalvertretung gültig zustande gekommen, weil mit einem einzigen gewählten Personalratsmitglied die Zahl der Mitglieder um mehr als ein Viertel unter der erforderlichen Zahl geblieben sei. Die Antragsteller behaupten, die Wähler, die beide Bewerber angekreuzt hätten, hätten auf diese Weise ungültig wählen wollen, um das Zustandekommen des Personalrats in der Dienststelle mit dem Soldatenvertreter L. zu verhindern und statt dessen die Stufenvertretung eintreten zu lassen.
Die Antragsteller beantragen,
die Personalratswahl bei der Außenstelle I des Bundesnachrichtendienstes in B. vom 3. Januar 1990 für ungültig zu erklären,
hilfsweise,
festzustellen, daß bei der Außenstelle I des Bundesnachrichtendienstes in B. nach der Wahl vom 3. Januar 1990 kein Personalrat mehr besteht.
Der Dienststellenleiter, Beteiligter zu 1), und der Personalrat, Beteiligter zu 2), beantragen sinngemäß,
das Wahlergebnis der Personalratswahl insoweit zu berichtigen, daß die auch für den zweiten Gruppenvertreter der Beamten abgegebenen Stimmzettel als gültig gewertet werden und somit die gesamte Wahl gültig ist,
hilfsweise,
die Ungültigkeit des Gruppenwahlvorgangs festzustellen und dessen Wiederholung anzuordnen,
- die Anträge der Antragsteller, soweit sie darüber hinausgehen, zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind der Auffassung, daß zwar richtigerweise in der Gruppe der Beamten zwei Bewerber wählbar gewesen seien. Die damit zusammenhängenden Fehler könnten jedoch im gerichtlichen Verfahren durch Berichtigung des Wahlergebnisses geheilt werden. Es bestehe kein Grund, irgendeinen der fünf abgegebenen Stimmzettel als ungültig zu behandeln. Die Wahl beider Bewerber entspreche dem Wählerwillen. Werde das Wahlergebnis entsprechend berichtigt, so wirkten sich die vorhergehenden Fehler hierauf nicht mehr aus. Im übrigen könnten die Antragsteller allenfalls die Gruppenwahl in der Gruppe der Beamten anfechten. Der Hilfsantrag der Antragsteller sei nicht begründet. § 27 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG sei kein Maßstab, an dem sich das Ergebnis einer Neuwahl des Personalrats messen lassen müsse. Ein entsprechender Umkehrschluß sei unzulässig.
Die Antragsteller und die weiteren Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässige Antrag der Antragsteller ist teilweise begründet. Aufgrund der Wahlanfechtung, über die der Senat im Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten gemäß § 83 Abs. 1 i.V.m. § 86 Nr. 14, § 83 Abs. 2 BPersVG und § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist die Wahl, soweit es den Wahlgang in der Gruppe der Beamten betrifft, für ungültig zu erklären. Der Hauptantrag der Antragsteller, soweit mit ihm hierüber hinausgehend begehrt wird, die Wahl insgesamt für ungültig zu erklären, ist hingegen unbegründet und daher zurückzuweisen. Auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag der Antragsteller ist nicht begründet, weil die Voraussetzungen einer vorzeitigen Neuwahl nicht vorliegen. Der von den Beteiligten zu 1) und 2) in erster Linie verfolgte Antrag auf Berichtigung des Wahlergebnisses kann ebenfalls keinen Erfolg haben; denn die Wahl ist im genannten Umfang für ungültig zu erklären, weil dem Wahlvorstand ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren unterlaufen und nicht auszuschließen ist, daß das Ergebnis des Wahlganges in der Gruppe der Beamten hierdurch beeinflußt worden ist.
Eine rechtzeitige Wahlanfechtung durch mindestens drei Wahlberechtigte als Anfechtungsberechtigte ist gemäß § 25 BPersVG begründet, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, soweit es die Gruppe der Beamten betrifft.
Die Antragsteller sind anfechtungsberechtigt im Sinne von § 25 BPersVG, und zwar auch, soweit ihre Anfechtung nur teilweise für den Wahlgang einer Gruppe erfolgreich sein kann, der sie nicht angehören. Bereits der Wortlaut des § 25 BPersVG schließt die Annahme aus, daß die Wahl der Vertreter einer Gruppe mit Erfolg ausschließlich von wahlberechtigten Gruppenangehörigen angefochten werden könnte. Bei dem Personalrat handelt es sich um ein einheitliches Organ der Personalvertretung. Jeder wahlberechtigte Bedienstete, gleichgültig, welcher Gruppe er angehört, hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, daß alle Mitglieder des Personalrats ordnungsgemäß gewählt werden (vgl. BVerwG, Beschluß vom 7. Juli 1961 – BVerwG 7 P 9.60 – ≪ZBR 1962, 21≫). Daraus folgt für alle Wahlberechtigten ein umfassendes Wahlanfechtungsrecht. Dieses hindert jedoch nicht, daß die Anfechtenden ihren Antrag auf die Wahl einer Gruppe beschränken oder daß das Gericht auf einen nicht eingeschränkten Wahlanfechtungsantrag hin die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl auf die Gruppe beschränkt, auf die sich der die Anfechtung rechtfertigende Verstoß nur ausgewirkt haben kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. März 1968 – BVerwG 7 P 3.67 – ≪PersV 1968, 161, 162≫ sowie BVerwGE 65, 297, 299 f.).
Der Wahlvorstand hat, nachdem für die Gruppen der Angestellten und Arbeiter keine Wahlvorschläge eingereicht worden waren, die Anzahl der, auf die Gruppe der Beamten entfallenden Sitze unrichtig ermittelt. Es waren drei und nicht nur zwei Vertreter zu wählen. Dieser Fehler wirkt sich auch auf die Feststellung des Wahlergebnisses aus.
Wieviel Personalratsmitglieder zu wählen sind, bestimmt sich nach den Vorschriften über die Zahl der Mitglieder des Personalrats (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. Oktober 1970 – BVerwG 7 P 3.70 – ≪ZBR 1971, 120, 122; insoweit in BVerwGE 36, 170 nicht abgedruckt≫). Zu diesen Bestimmungen zählt nicht nur § 16 BPersVG. Dazu gehört auch § 17 Abs. 4 Satz 1 BPersVG. Denn in dieser Vorschrift ist geregelt, daß der Personalrat, für den wegen der Größe der Dienststelle drei Mitglieder vorgesehen sind, unter bestimmten Voraussetzungen aus vier Mitgliedern besteht, wenn eine Gruppe mindestens ebensoviele Beschäftigte zählt wie die beiden anderen zusammen. Macht eine oder machen zwei Gruppen von ihrem Vertretungsrecht keinen Gebrauch, so verlieren sie zwar ihren Anspruch auf Vertretung (§ 17 Abs. 1 Satz 3 BPersVG). Dieser Umstand berührt jedoch grundsätzlich nicht die Zahl der zu verteilenden Sitze (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23. Oktober 1970, a.a.O.). Das gilt allerdings nicht, soweit es den gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ermittelten (zusätzlichen) vierten Sitz betrifft, der nach Satz 2 dieses Absatzes der stärksten Gruppe zusteht. Eine solche Rechtsanwendung würde nicht nur den Zweck der Vorschrift verfehlen, sondern auch anderweitigen Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufen.
§ 17 Abs. 4 BPersVG bezweckt als Korrektiv zur Regelung über die Mindestvertretung der Gruppen (§ 17 Abs. 1 Satz 1. Abs. 4 BPersVG), daß bei Personalräten mit an sich nur drei Mitgliedern die bei dieser Zahl besonders empfindliche Balance zwischen Mehrheitsprinzip und gruppenbezogenem Minderheitenschutz hergestellt wird. Einerseits soll die stärkste Gruppe, wenn sie mindestens die Hälfte der wahlberechtigten Beschäftigten zählt, von den Vertretern der beiden übrigen Gruppen nicht überstimmt werden können. Andererseits soll aber die Mehrheitsgruppe auch nicht in der Lage sein, eine Mehrzahl von Minderheitengruppen („die beiden anderen Gruppen”) zu majorisieren. Dieser Ausgleich wiederum wird vom Gesetzgeber ausschließlich für die kleinste Größe (nämlich drei Mitglieder) von Personalräten angestrebt, für die das Minderheiten schützende Gruppenprinzip in der Form der Mindestvertretung vorgeschrieben ist. Es handelt sich also um eine Sonderregelung für einen eindeutig umgrenzten Ausnahmefall, der sich von allen übrigen Konstellationen abhebt. Nur für die so begrenzte Ausnahme nimmt der Gesetzgeber außerdem die Besonderheit in Kauf, daß die gesetzliche Zahl der Mitglieder des Personalrats einer geraden Zahl entspricht. Das allein spricht schon für eine enge Auslegung.
Es ist aber nicht nur davon auszugehen, daß im Falle der „Wahlmüdigkeit” einer Gruppe die durch § 17 Abs. 4 BPersVG geregelte besondere Konstellation nicht mehr gegeben ist. Auch der Zweck der Vorschrift ist dann nicht mehr zu erreichen. Stehen die Vertreter nur zweier Gruppen zur Wahl, so ist es nämlich ausgeschlossen, daß eine Mehrzahl von Gruppen durch eine einzelne Gruppe „majorisiert” wird. Bei gruppenkonformem Abstimmungsverhalten ist es unausweichlich, daß sich eine Gruppe gegen die andere durchsetzt. Das müßte selbst bei Stimmengleichheit gelten; denn diese führt nach § 37 Abs. 1 Satz 3 BPersVG zur Ablehnung eines Antrages, verhilft also der ihn ablehnenden Gruppe zur Durchsetzung. Stehen gar infolge „Wahlmüdigkeit” der anderen Gruppen die Vertreter nur noch einer Gruppe zur Wahl, so besteht für die Ausnahme des § 17 Abs. 4 BPersVG erst recht keine Veranlassung mehr.
Bei allen Fallgestaltungen der „Wahlmüdigkeit” wird aber nicht nur die besondere Zielsetzung der engen Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 BPersVG verfehlt. Darüber hinaus würde bei einer Anwendung der Vorschrift in diesen Fällen ohne jede Rechtfertigung das Mehrheitsprinzip (§ 17 Abs. 2 BPersVG) insofern durchbrochen, als bei vier zu verteilenden Sitzen der stärksten von zwei Gruppen nicht immer die Mehrheit der Sitze zustehen würde. Ohne Grund würde damit auch die Möglichkeit einer Mehrheitsbildung erschwert; denn es kann zur Stimmengleichheit kommen. Das aber will der Gesetzgeber sonst möglichst vermieden wissen. Dies zeigt sich nicht nur daran, daß in § 16 BPersVG die Größe des Personalrats ausschließlich in der Form ungerader Mitgliederzahlen festgelegt ist, sondern auch an der Regelung, daß – gleichsam zur Absicherung der ungeraden Zahl – eine Stimmenthaltung als Ablehnung gilt (§ 37 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Schließlich könnten Anträge entgegen dem Grundanliegen des § 37 Abs. 1 Satz 1 BPersVG nicht mehr mit einfacher Mehrheit, sondern nur noch mit einer Mehrheit von mindestens 3: 1 Stimmen angenommen werden, obwohl für ein solches Quorum keine Veranlassung besteht. Bei „Wahlmüdigkeit” an der Zahl von vier Sitzen festzuhalten, verbietet sich also.
Beschränkten sich die Auswirkungen eines Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren auf die unrichtige Ermittlung des Wahlergebnisses, so käme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die von den Beteiligten zu 1) und 2) in erster Linie beantragte Berichtigung des Wahlergebnisses durch das mit der Wahlanfechtung angerufene Gericht in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. März 1968 – BVerwG 7 P 5.67 – ≪ZBR 1968, 262, 263≫, insoweit in BVerwGE 29, 222 nicht abgedruckt; Beschluß vom 13. Juni 1969 – BVerwG 7 P 7.68 – ≪Buchholz 238.37 § 13 PersVG NW Nr. 1≫). Darauf kann der Senat seinen Ausspruch im vorliegenden Falle jedoch nicht beschränken; denn dem Wahlvorstand sind weitere Verstöße gegen Vorschriften über das Wahlverfahren unterlaufen, die dazu nötigen, die Wahl teilweise für ungültig zu erklären. Zu Recht gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, daß es der Wahlvorstand nicht bei der in § 11 Abs. 3 Nr. 1 BPersVWO vorgeschriebenen Bekanntmachung bewenden lassen durfte, für welche Gruppen keine Vertreter gewählt werden konnten. Die Wähler der verbleibenden Gruppe der Beamten mußten vielmehr zur Vermeidung von Mißverständnissen auch darauf hingewiesen werden, daß und in welcher Weise die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Personalrats, die auf diese Gruppe entfielen, sich gegenüber den ursprünglichen Angaben im Wahlausschreiben geändert hatte. Außerdem mußte der Stimmzettel einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, daß zwei Bewerber wählbar waren. Auf keinen Fall durfte der unzutreffende, weil mit § 28 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BPersVWO nicht übereinstimmende Zusatz beigefügt werden, wonach der Stimmzettel ungültig sei, wenn mehr als ein Bewerber angekreuzt sei. Dieser Zusatz war geeignet, unkundige Wähler davon abzuhalten, von ihrem Stimmrecht vollen Gebrauch zu machen. Solche irreführenden Hinweise bedeuten einen erheblichen Verstoß gegen ungeschriebenes Wahlverfahrensrecht. Daß ein Wähler sich wenigstens auf die Richtigkeit der Angaben auf dem Stimmzettel uneingeschränkt verlassen können muß, ist selbstverständlich und bei jeder Wahl zu beachten.
Der in dem irreführenden Hinweis liegende Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren konnte im Sinne von § 25 BPersVG das Wahlergebnis beeinflussen. Dazu genügt nämlich die theoretische Möglichkeit einer Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses, ohne daß es der Feststellung einer tatsächlich erfolgten Änderung oder Beeinflussung bedarf. Ob diese Möglichkeit bestand, d.h. ob der Verstoß geeignet war, eine Änderung oder Beeinflussung des Wahlergebnisses herbeizuführen, beantwortet sich in der Regel aus der Art des Verstoßes unter Berücksichtigung des konkreten Sachverhalts. Dabei wird allerdings eine nur denkbare Möglichkeit dann nicht genügen, die Anfechtung zu begründen, wenn sie nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl. BVerwGE 25, 120, 121).
Anders, als die Beteiligten zu 1) und 2) meinen, lassen sich hiernach die für den Bewerber M. abgegebenen Stimmen nicht einfach als gültig werten; ebensowenig läßt sich mit hinreichender Sicherheit ihre Ungültigkeit feststellen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß die beiden Wähler, die auf ihrem Stimmzettel jeweils die Namen beider Bewerber angekreuzt haben, auch beide Bewerber haben wählen wollen. Ebenso aber ist denkbar, daß diese Wähler das zum Ausdruck bringen wollten, was sich angesichts des vorgedruckten Hinweises aus dem objektiven Erklärungsgehalt eines mit zwei Kreuzen versehenen Stimmzettels ergibt, sie also davon ausgegangen sind, einen ungültigen Stimmzettel abzugeben, und gerade zu diesem Zwecke mehr als einen Bewerber angekreuzt haben. Es besteht kein Anlaß, und nach der Lebenserfahrung besteht somit kein Grund, eine dieser beiden denkbaren Möglichkeiten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
Eine Beweiserhebung über die Wahlabsichten der beiden Wähler kommt nicht in Betracht, und zwar selbst dann nicht, wenn beide bekannt wären und, wie die Antragsteller vortragen, zu einer solchen Aussage bereit wären. Das würde zu einem unzulässigen Eindringen in das Wahlgeheimnis führen. Der einzelne Wähler kann nicht auf das ihn schützende Wahlgeheimnis verzichten, auch nicht dadurch, daß er offen seine Stimmabgabe bekanntgibt und seine Bereitschaft erklärt, sich gerichtlich darüber vernehmen zu lassen. Einmal damit begonnen, ließe sich nämlich die Vernehmung weiterer Wähler nicht ausschließen. Letztlich liefe ein solches Vorgehen auf eine Art Wahlwiederholung hinaus, bei der das Wahlgeheimnis völlig aufgehoben wäre (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Juli 1975 – BVerwG 7 P 1.74 – ≪Buchholz 238.3 § 15 PersVG Nr. 9≫ m.w.N.).
Außerdem ist auch nicht auszuschließen, daß diejenigen Wähler, die ausschließlich den Namen des Bewerbers F. angekreuzt haben, sich von dem unzutreffenden Hinweis auf dem Wahlzettel haben beeinflussen lassen. Es läßt sich nämlich nicht ohne weiteres unterstellen, daß sie M. unter keinen Umständen haben wählen wollen. Dafür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Da beide Bewerber mit demselben Wahlvorschlag benannt und auf dem Stimmzettel mit dem gleichen Kennwort aufgeführt worden waren, ist eher das Gegenteil anzunehmen. Jedenfalls aber ist nach der Lebenserfahrung als eine realistische Möglichkeit in Rechnung zu stellen, daß zumindest einer der drei Wähler sich nur durch den unzutreffenden Hinweis veranlaßt gesehen hat, sich zwischen beiden Bewerbern zu entscheiden, und er ohne diesen Hinweis beide Namen angekreuzt hätte, mit der Folge, daß dann auch beide Bewerber gewählt gewesen wären.
Der in Rede stehende Fehler wirkt sich allerdings nur auf den Wahlgang in der Gruppe der Beamten aus. Nur insoweit ist die Wahl für ungültig zu erklären (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15. März 1968 – BVerwG 7 P 3.67 –, a.a.O.; BVerwGE 65, 297 299 f.).
Daß die Wahl des Soldatenvertreters, die gleichzeitig stattgefunden hat, von dem Fehler nicht berührt wird, liegt auf der Hand. Denn sie hat in einem getrennten Wahlgang stattgefunden (vgl. § 35 a Abs. 2 Satz 1 SG). Dieser gesonderte Wahlgang teilt auch nicht notwendig das Schicksal der Anfechtung des Wahlganges in den übrigen Gruppen. Die Soldaten sind den Beamten, Angestellten und Arbeitern gemäß § 35 a Abs. 3 SG als weitere Gruppe im Sinne von § 5 BPersVG gleichgestellt. Der gesonderte Wahlgang der Soldatenvertreter, wenn er frei von Verstößen zustande gekommen ist, kann wegen dieser Gleichstellung selbst bei einer im übrigen voll durchgreifenden Anfechtung der Wahl des Personalrats für sich allein Bestand haben (im Ergebnis ebenso: BVerwGE 65, 297).
Aber auch der Wahlgang in den Gruppen der Angestellten und Arbeiter ist im vorliegenden Falle von Fehlern unberührt geblieben. Zwar hätten in dem Wahlgang der Beamten auch die ursprünglich den Angestellten und Arbeitern zustehenden Sitze – gegebenenfalls und soweit möglich – unter den gewählten Bewerbern in der Reihenfolge ihrer Wahl verteilt werden müssen. Der die Wahlanfechtung begründende Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren setzte jedoch erst zu einem Zeitpunkt ein, als die Angestellten und Arbeiter ihren Anspruch auf Vertretung bereits gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 BPersVG verloren hatten. Bei diesem Rechtsverlust, ist er erst einmal kraft Gesetzes eingetreten, hat es bis zur nächsten Neuwahl sein Bewenden. Erfaßt der zum Erfolg der Wahlanfechtung führende Fehler den zum Rechtsverlust führenden Vorgang nicht, so kann der Rechtsanspruch nicht aufgrund der im übrigen (teilweise) erfolgreichen Wahlanfechtung Wiederaufleben. Eine solche Anfechtung führt nämlich nur zu einer Wiederholungswahl in der Gruppe, deren Wahlgang vom Fehler betroffen ist. Der in anderen Gruppen fehlerfrei abgeschlossene Wahlgang, also die Wahl der Vertreter in diesen anderen Gruppen, bleibt davon unberührt; es verbleibt auch bei der Verteilung der Sitze, wie sie dem ursprünglichen Wahlgang in der vom Fehler betroffenen Gruppe richtigerweise zugrunde zu legen war (vgl. BVerwGE 32, 182 f.). Der Rechtsverlust wirkt folglich unter den genannten Voraussetzungen bei der Wiederholungswahl fort. Auch die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Personalrats ist nach Maßgabe der Verhältnisse bei der ursprünglichen Wahl unter Berücksichtigung dieses Rechtsverlustes zu ermitteln. Bei der Wiederholungswahl kann im vorliegenden Falle also die Gruppe der Beamten bis zu drei Vertreter wählen. Das auf alter Grundlage zu erstellende Wahlausschreiben ist um einen entsprechenden Vermerk zu ergänzen (vgl. auch BVerwGE 32, 182, 185).
Die angefochtene Wahl ist schließlich nicht aus anderen Gründen in ihrer Gesamtheit ungültig. Namentlich ist hier § 27 Abs. 2 Nr. 2 BPersVG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. § 27 Abs. 2 BPersVG regelt, wann eine Neuwahl außerhalb der regelmäßigen Personalratswahlen stattzufinden hat. Nach Nr. 2 dieser Vorschrift ist eine solche Wahl durchzuführen, wenn die Gesamtzahl der Mitglieder des Personalrats auch nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder um mehr als ein Viertel der vorgeschriebenen Zahl gesunken ist. Eine Wahlanfechtung, die – wie dargelegt – zur Wiederholungswahl führt, läßt sich auf diese Vorschriften ebensowenig stützen (vgl. zu § 22 BetrVG 1953: BAGE 5, 274 ≪278≫), wie umgekehrt eine erfolgreiche Wahlanfechtung kein „Sinken” im Sinne der Vorschrift bedeutet (vgl. BVerwGE 32, 182, 184 f.). Darunter ist vielmehr nur die nachträgliche Verminderung der Zahl der Personalratsmitglieder, zum Beispiel als Folge des Ausscheidens von Mitgliedern aus der Dienststelle, zu verstehen (vgl. zu § 22 BetrVG 1953: BAGE 5, 274 ≪277≫). Wenn hier von vornherein nur zwei Bewerber zur Wahl gestanden haben, bedeutete dies also kein „Sinken”. Ebensowenig ist ein „Sinken” anzunehmen, wenn demzufolge nur ein oder zwei Bewerber gewählt werden. Für dieses Ergebnis sprechen neben dem Wortlaut der Vorschriften auch gesetzessystematische Überlegungen. Wie § 17 Abs. 1 Satz 3 BPersVG zeigt und nicht zuletzt die nur als Ordnungsvorschrift konzipierte Regelung in § 8 BPersVWO über die Anforderungen an die Wahlvorschläge, insbesondere über die Anzahl der Bewerber, die darin enthalten sein soll, erkennen läßt, soll den Wahlberechtigten, was die Wahlvorschläge betrifft, weder etwas praktisch nicht Durchsetzbares abverlangt werden, noch sollen sie vor die Wahl eines „Alles oder Nichts” gestellt und so unter Druck zur Kandidatur genötigt werden. Eine aktive oder passive Wahlpflicht besteht erst recht nicht. Im Vordergrund steht nach allem der Wille des Gesetzgebers, daß überhaupt ein Personalrat zustande kommt, und zwar aus freien Stücken. Demgegenüber tritt die Frage der Größe des Personalrats zurück (vgl. auch BAGE 5, 274 ≪278≫). Daher wäre die Wahl gegebenenfalls selbst dann noch gültig gewesen, wenn nur ein Bewerber vorgeschlagen und unter Einhaltung der zwingenden Vorschriften im Sinne von § 25 BPersVG gewählt worden wäre (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPersVG, Stand März 1990, Art. 17 Rdnr. 11).
Unterschriften
Dr. Eckstein, Ernst, Dr. Seibert, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen