Entscheidungsstichwort (Thema)
Hebung der Arbeitsleistung bei Führungsaufgaben. Führungskräfte, Einschaltung von – in die Bearbeitung von Widersprüchen und Hebung der Arbeitsleistung
Leitsatz (amtlich)
Wird angeordnet, daß Gruppen- und Abschnittsleiter von Arbeitsämtern ab einer bestimmten, mehrmals auftretenden Bearbeitungsdauer zum Zwecke des Abbaues von zeitlichen Bearbeitungsrückständen vorübergehend selbst eine bestimmte Zahl von Widersprüchen zu bearbeiten haben, und bleibt ihnen stillschweigend ein Spielraum in der Gestaltung ihrer Führungsaufgaben überlassen, insbesondere, ihre Kontrolltätigkeit während dieser Zeit zu reduzieren, so liegt in dieser Anordnung keine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung.
Normenkette
BPersVG § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Bund – vom 16. März 1994 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen Bund –A– vom 7. Juni 1993 werden aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten darum, ob eine Weisung, wonach Gruppen- und Abschnittsleiter von Arbeitsämtern bei Bearbeitungsrückständen in die Bearbeitung von Widerspruchssachen mit einzubeziehen sind, als Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung der Mitbestimmung unterliegt.
Durch Rundverfügung an die Arbeitsämter ordnete der beteiligte Präsident des Landesarbeitsamtes Berlin am 25. Januar 1993 an, daß künftig die Führungskräfte in der Leistungsabteilung (Gruppen- und Abschnittsleiter) in die Bearbeitung der Widerspruchssachen mit einzubeziehen seien, wenn zu Ende eines Monats der zeitliche Bearbeitungsrückstand in der Widerspruchsstelle mehr als 80 Arbeitstage betrage. Jede Führungskraft habe dann im Folgemonat wöchentlich 5 Widerspruchsbescheide abzusetzen. Träten diese Rückstände nur in einzelnen Aufgabenbereichen auf, so seien lediglich die dort tätigen Führungskräfte einzubeziehen. Wegen der immer noch hohen Zahl von Widersprüchen werde eine Entscheidung binnen eines Monats zwar nicht möglich sein; Bearbeitungsrückstände von durchschnittlich mehr als 80 Arbeitstagen seien den Widerspruchsführern jedoch nicht zuzumuten.
Der antragstellende Bezirkspersonalrat sah darin eine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung und verlangte daher vom Beteiligten die Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens. Dies lehnte der Beteiligte mit der Begründung ab, daß die Verfügung nicht auf eine erhöhte Belastung und Leistungssteigerung der betroffenen Dienstkräfte abziele, sondern dem Abbau von Rückständen und damit der Aufgabenerledigung diene.
Daraufhin hat der Antragsteller das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht, daß die von der Maßnahme betroffenen Dienstkräfte dann, wenn ein Bearbeitungsrückstand auftrete, zwangsläufig mehr arbeiten müßten; dies genüge für die Auslösung des Mitbestimmungstatbestandes. Auf seinen Antrag hat das Verwaltungsgericht durch Beschluß vom 7. Juni 1993 festgestellt, daß die Weisung des Beteiligten vom 25. Januar 1993 gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG der Mitbestimmung unterliege.
Hiergegen hat der Beteiligte Beschwerde erhoben und insbesondere darauf hingewiesen, daß sich den Führungskräften der mittleren Ebene bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben Gestaltungsmöglichkeiten böten. Sie könnten zwischen verschiedenen Alternativen wählen und dabei Prioritäten setzen. Die Entscheidung zugunsten des mit der Rundverfügung herausgehobenen Führungsmittels der Motivation durch Einschalten in den Arbeitsablauf ermögliche es automatisch, den Anteil anderer Führungsmittel, wie etwa der Kontrolle, zu reduzieren. Daher werde durch die Rundverfügung nicht etwa das insgesamt zu bewältigende Arbeitspensum angehoben, sondern nur die Art der Aufgabenwahrnehmung anteilig modifiziert.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Beschwerde durch Beschluß vom 16. März 1994 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Konkretisierung individueller Dienst- und Arbeitspflichten durch Übertragung der von den einzelnen Dienstkräften zu erledigenden öffentlichen Aufgaben sei zwar grundsätzlich mitbestimmungsfrei, weil sie den Aufgabenvollzug regele. Gehe es aber gleichzeitig um die Erzielung einer höheren Arbeitsleistung, etwa durch Übertragung zusätzlicher Aufgaben, so sei wegen der darin liegenden Folge- und Nebenwirkungen, die sich für die Beschäftigten in sozialer und personeller Hinsicht ergäben, eine Mitbestimmung wegen der Doppelnatur einer solchen Maßnahme möglich und gegebenenfalls geboten. Hier habe eine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung im Sinne von § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG vorgelegen. Die strittige Maßnahme führe zwangsläufig und für die betroffenen Beschäftigten unausweichlich zu einer vermehrten Arbeitsbelastung. Der Hinweis des Beteiligten auf die vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten der betroffenen Dienstkräfte bei der Ausübung ihrer Leitungsfunktionen sei zu unbestimmt, um nachvollziehbar zu belegen, daß es möglich sei, der meßbaren Mehrbelastung ohne erhöhte Anstrengungen auszuweichen. Zwar beließen die Leitungsaufgaben ausweislich des Organisationshandbuches der Leistungsabteilung Gestaltungsspielräume, die in unterschiedlicher Art und Weise wahrgenommen werden könnten. Das bedeute aber nicht, daß die Führungskräfte die zusätzlichen Aufgaben ohne erhöhte Anstrengungen erledigen könnten. Wenn sie wöchentlich noch fünf Widerspruchsbescheide fertigen müßten, würden sie gezwungen, rationeller zu arbeiten. Denn es werde aus der Verfügung nicht ersichtlich, daß die (sonstige) Führungsarbeit in ihrer Güte verringert werden dürfe. Auch trete eine Kompensation nicht in der Weise ein, daß sich der Anteil des Führungsmittels Kontrolle automatisch reduziere. Es sei eben aufwendiger, Widerspruchsbescheide selbst zu fertigen als zu kontrollieren. Es gehe daher weniger um die Konkretisierung originärer Führungstätigkeit als vielmehr um eine zusätzliche Aufgabenzuweisung.
Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, mit der dieser beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 16. März 1994 und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juni 1993 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Zur Begründung macht der Beteiligte geltend: Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, eine Maßnahme sei immer schon dann zwangsläufig und unausweichlich auf eine Mehrbelastung und damit auf eine Hebung der Arbeitsleistung angelegt, wenn mit ihr meßbare Mehrbelastungen auferlegt würden, ohne daß ähnlich meßbare Entlastungen vorgesehen seien, führe zu einer unvertretbaren Ausweitung des Mitbestimmungstatbestandes. Eine so weite Auslegung müsse dazu führen, daß der Mitbestimmung auch nahezu alle Regelungen zur unmittelbaren Erfüllung öffentlicher Aufgaben unterlägen. Angesichts der Gestaltungsspielräume bei der Wahrnehmung von Führungsaufgaben sei jedenfalls nicht zu verlangen, daß zur Vermeidung einer „Hebung der Arbeitsleistung” die Möglichkeit einer Selbstentlastung bei den Leitungsaufgaben ausdrücklich und im einzelnen aufzuzeigen sei. Die strittige Rundverfügung habe diesen Aspekt bewußt offengelassen. Sie habe dies auch offenlassen dürfen. Denn es müsse möglich sein, daß dieser Aspekt dem Ermessen anheimgestellt werde, das den Führungskräften für ihren Verantwortungsbereich zugestanden sei.
Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluß. Er meint insbesondere, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Dienstherr im vorliegenden Falle in Kauf nehme, daß die Führungskräfte sich bei den Leitungsaufgaben selbst entlasteten. Mit Recht habe daher das Beschwerdegericht festgestellt, daß der Hinweis des Beteiligten auf die vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere bei der Ausübung der Leitungsfunktionen viel zu unbestimmt sei, um nachvollziehbar zu belegen, daß die Dienstkräfte der Mehrbelastung ohne erhöhte Anstrengungen ausweichen könnten.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen handelt es sich bei der Anordnung vom 25. Januar 1993 nicht um eine Maßnahme zur Hebung der Arbeitsleistung; sie unterliegt daher nicht der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG.
1. Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, fallen unter das Tatbestandsmerkmal „Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung” Maßnahmen, welche darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit qualitativ und/oder quantitativ zu fördern, d.h. die Güte und/oder Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern. Entscheidend ist, daß die beabsichtigte Maßnahme darauf angelegt ist, auf einem oder mehreren Arbeitsplätzen einen höheren mengenmäßigen Arbeitsertrag zu erzielen oder die Qualität des Arbeitsprodukts zu verbessern. Allerdings ist als Hebung der Arbeitsleistung nicht die Steigerung der Menge oder der Qualität des Arbeitsertrages anzusehen, sondern die erhöhte Inanspruchnahme des oder der betroffenen Beschäftigten, zu der solche Maßnahmen typischerweise führen, mag sie in gesteigerten körperlichen Anforderungen oder in einer vermehrten geistig-psychischen Belastung als Folge eines schnelleren Arbeitstaktes oder eines geänderten Arbeitsablaufs bestehen. Denn der Begriff „Arbeitsleistung” bezeichnet weder die Menge der während der festgelegten Arbeitszeit geleisteten Arbeit noch deren sachlichen Ertrag, das Arbeitsprodukt, sondern den körperlichen Einsatz und geistigen Aufwand, den der Beschäftigte erbringen muß, um das ihm abverlangte Arbeitsergebnis in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu erzielen. Nur dieses Verständnis wird dem Zweck des Mitbestimmungstatbestandes vollends gerecht, den oder die betroffenen Beschäftigten vor einer unnötigen oder unzumutbaren Belastung zu bewahren (vgl. zu allem Beschluß vom 30. August 1985 – BVerwG 6 P 20.83 – BVerwGE 72, 94, 102 f.; ferner Beschlüsse vom 30. Januar 1986 – BVerwG 6 P 19.84 – Buchholz 238.35 § 61 HePersVG Nr. 4, vom 2. Oktober 1990 – BVerwG 6 P 29.87 – Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 3 und vom 10. März 1992 – BVerwG 6 P 12.91 – Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 24).
2. Allerdings ist nicht jede Maßnahme, aus der sich für einen oder mehrere Beschäftigte eine Steigerung der so verstandenen Arbeitsleistung ergeben kann, von der Zustimmung des Personalrats abhängig. Sein Mitbestimmungsrecht beschränkt sich auf Maßnahmen „zur Hebung” der Arbeitsleistung, d.h. auf solche, die darauf abzielen, das Arbeitsergebnis zu erhöhen. Eine derartige Zielrichtung als erklärten Zweck der Maßnahme hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Daß dies die mit der Maßnahme vorrangig verfolgte Absicht sei, hat selbst der Antragsteller nicht behauptet; es mußte sich den Tatsacheninstanzen auch sonst nicht aufdrängen.
3. Das Erfordernis, daß eine Maßnahme „zur Hebung” der Arbeitsleistung darauf abzielen muß, das Arbeitsergebnis einzelner oder mehrerer Beschäftigter zu erhöhen, hat der Senat allerdings nicht nur dann als erfüllt angesehen, wenn dies der unmittelbare und erklärte Zweck der Maßnahme ist, sondern unbeschadet sonstiger Absichten auch dann, wenn die Hebung zwangsläufig und für die Betroffenen unausweichlich damit verbunden ist, etwa weil bestimmte Tätigkeiten in unverminderter Menge und Güte in verringerter, minutengenauer Zeit verrichtet werden müssen (Beschluß vom 10. März 1992 – BVerwG 6 P 12.91 – Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 24). Es ist weiterhin auch dann erfüllt, wenn Tätigkeiten in größerer Zahl bei unverminderter Güte in gleichbleibender, exakt festgelegter Zeit verrichtet werden müssen. Allein die Zwangsläufigkeit reicht indessen in beiden Fällen für die Annahme einer Maßnahme „zur” Hebung der Arbeitsleistung nicht aus. Wesentlich für den Schluß von den objektiven Gegebenheiten auf den Zweck der Hebung ist die Unausweichlichkeit im Sinne einer – mit der zwangsläufigen Beschleunigung oder Vermehrung der zu verrichtenden Tätigkeiten verbundenen – erhöhten Arbeitsbelastung im Ganzen (Beschluß vom 11. November 1993 – BVerwG 6 PB 4.93 – Buchholz 251.3 § 63 BrPersVG Nr. 1). An einer solchen Unausweichlichkeit fehlt es etwa, wenn in einem Teilbereich der Beschäftigung zwar Mehrarbeit mit erhöhten Anforderungen an die Beschäftigten anfällt, dabei jedoch eine Entlastung von anderen Aufgaben möglich ist bzw. gleichzeitig ermöglicht wird (Beschluß vom 30. Januar 1986 – BVerwG 6 P 19.84 – a.a.O.).
Dies alles hat das Beschwerdegericht im Grunde nicht verkannt. Es hat jedoch den Sinn und Zweck des Rückgriffs auf die „Zwangsläufigkeit” und „Unausweichlichkeit” einer Mehrbelastung als kennzeichnende Merkmale einer nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BPersVG mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht hinreichend beachtet. Diese Merkmale dienen dazu, um auch dann, wenn andere Zwecke der Maßnahme benannt werden, von den objektiven Gegebenheiten entweder auf eine in Wirklichkeit im Vordergrund stehende Hebung der Arbeitsleistung schließen zu können, oder aber darauf, daß die Maßnahme objektiv und eindeutig mindestens gleichrangig auf eine solche Hebung angelegt ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts entfällt daher die Mitbestimmung nicht erst dann, wenn einer meßbaren Mehrbelastung eine ebenso meßbare Entlastung gegenübersteht. Denn es geht um eine wertende Betrachtung der in einer Maßnahme objektiv angelegten Zwecke. Davon, daß der Aspekt einer Hebung der Arbeitsleistung zurückgedrängt wird, ist daher nicht erst auszugehen, wenn die Mehrbelastung nachweislich ohne jeden Rest in einer Entlastung aufgeht. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn eine wesentliche Entlastung möglich ist und nur ihr Ausmaß sich nicht genau vorhersehen läßt, etwa weil es situationsabhängig ist oder von der individuellen Bereitschaft zur Ausnutzung dieser Möglichkeiten abhängt. Eine zwangsläufige Mehrbelastung rückt den Zweck der Hebung der Arbeitsleistung erst dann in den Vordergrund, wenn entweder eine gleichzeitige Entlastung überhaupt nicht möglich ist oder aber die Summe aller gleichzeitig möglichen Entlastungen von vornherein und eindeutig hinter den Mehrbelastungen zurücktreten muß. Nur dann kann von einer unausweichlichen Mehrbelastung die Rede sein.
Hiernach läßt sich im vorliegenden Falle eine Unausweichlichkeit der Mehrbelastung nicht schon damit begründen, daß der auch nach Auffassung des Beschwerdegerichts zutreffende Hinweis des Beteiligten auf die „vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten der betroffenen Dienstkräfte bei der Ausübung insbesondere ihrer Leitungsfunktionen” zu unbestimmt sei; insbesondere oblag es dem Dienststellenleiter nicht, in jeder Beziehung nachvollziehbar zu belegen, daß die Dienstkräfte der Mehrbelastung ohne erhöhte Anstrengungen vollständig ausweichen könnten. Ebenso wenig mußte der Beteiligte in der strittigen Rundverfügung ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Führungskräfte die Güte (oder Menge) ihrer „originären Führungstätigkeit” verringern dürften. Wie der Senat schon in dem genannten Beschluß vom 10. März 1992 – BVerwG 6 P 12.91 – ausgeführt hat, kann nämlich eine Kompensation der Mehrbelastung auch in der Weise in Betracht kommen, daß eine Verringerung anderer Tätigkeiten oder eine Verminderung der Arbeitsgüte anheimgestellt wird. Dies kann – abhängig von den Gesamtumständen – auch stillschweigend geschehen. Das gilt insbesondere dann, wenn den betroffenen Beschäftigten eine eigenverantwortliche Arbeitsgestaltung zugestanden ist und ihnen in diesem Rahmen überlassen bleibt, bei einer partiellen Vermehrung oder Intensivierung der Beanspruchung in bestimmten Tätigkeitsbereichen die Mehrbelastung quantitativ durch eine Verringerung oder qualitativ durch verminderte Intensität der Tätigkeiten in anderen Bereichen zu kompensieren (Beschluß vom 17. Mai 1995 – BVerwG 6 P 47.93 –).
So aber verhält es sich hier. Die für Führungsaufgaben typischen laufenden Beobachtungen der Arbeitsabläufe sind nicht von vornherein exakt und unveränderbar festgelegt. Vielmehr ist den betroffenen Beschäftigten ein Spielraum eingeräumt, der es ihnen erlaubt, die laufenden Überwachungen der Aufgabenerfüllung und die laufenden Kontrollen der Arbeitsergebnisse zumindest phasenweise zu reduzieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn andere Führungsmethoden es ermöglichen, sich ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf der Zahl nach deutlich verringerte, aber gezielte Stichproben zu beschränken. Gegebenenfalls bedeutet diese Beschränkung zwar ein rationelleres Arbeiten. Dies muß aber keine Mehrbelastung durch vermehrte physische oder psychische Anstrengung nach sich ziehen. Als eine solche ergänzende wie auch entlastende Führungsmethode stellt sich die aktive Einschaltung in den Arbeitsablauf dar. Durch ihre Vorbildwirkung und ihren praktischen Beitrag zur Beschleunigung durch Abbau von Rückständen kann sie auf die unterstellten Beschäftigten qualitativ fördernd und quantitativ ermutigend und damit in mehrfacher Hinsicht motivierend wirken. Sie läßt daher einen über den zusätzlichen Einsatz der Arbeitskraft des Führungspersonals hinausgehenden Erfolg bei der allgemeinen Aufgabenerfüllung erwarten und ermöglicht so zumindest phasenweise eine erhebliche Reduzierung des Kontrollaufwandes. Es verhält sich hier insbesondere auch nicht so, daß dieser Kontrollaufwand nicht weiter reduziert werden könnte und dürfte. Vielmehr besteht unstreitig ein diesbezüglicher Gestaltungsspielraum der Führungskräfte, der von ihnen eigenverantwortlich auszufüllen ist. Davon Gebrauch zu machen, mußte aus gegebener Veranlassung nicht eigens betont oder gar angemahnt werden. Bei dieser Sachlage läßt sich auch nicht mit Absolutheit sagen, daß es aufwendiger sei, Widersprüche selbst zu fertigen als zu kontrollieren. Der Vergleich des Aufwandes beider Tätigkeiten hat auch eine quantitative Dimension. Diese hängt davon ab, wie groß der Kontrollaufwand bisher war und wie groß die Verantwortungsbereitschaft ist, ihn ohne Aufgabenvernachlässigung zu reduzieren.
Erst dann, wenn die Ziele, die mit dieser Führungsmethode konkret angestrebt werden, sich von vornherein in absehbarer Zeit unerreichbar darstellten, ließe sich die Verpflichtung von Führungskräften zur aktiven Einschaltung in den Arbeitsprozeß möglicherweise als eine zwangsläufige und unausweichliche Mehrbelastung ansehen. Denn dann könnte sich eine ständige Mehrbelastung ergeben, die nicht durch entsprechende Entlastungen bei der Wahrnehmung der Führungsaufgaben kompensiert würde. Hier aber ist nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen eine ständige und auf unabsehbare Zeit fortdauernde Einbeziehung der Führungskräfte in die Bearbeitung von Widersprüchen nicht angeordnet worden. Sie ist nur für Aufgabenbereiche mit Bearbeitungsrückständen vorgesehen, und zwar nur dann und nur so lange, wie dort die Bearbeitungszeiten die Zumutbarkeitsgrenze von 80 Tagen überschreiten. Nach den Tatsachenfeststellungen ist auch nichts dafür ersichtlich, daß die angestrebte Verkürzung der Bearbeitungsdauer auf längstens 80 Tagen trotz des zusätzlichen Einsatzes der Führungskräfte und selbst unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Motivation auf die ihnen unterstellten Beschäftigten langfristig oder gar dauerhaft nicht erreicht werden könnte.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Ernst, Seibert, Albers, Vogelgesang
Fundstellen
Haufe-Index 1215867 |
DVBl. 1995, 1251 |