Verfahrensgang

VG Magdeburg (Aktenzeichen 9 K 133/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 8. September 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat nicht die ihr von der Klägerin beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Klärungsbedürftige Rechtsfragen dieser Art hat die Beschwerde nicht gestellt.

Unter Hinweis darauf, dass bisher „nur eine Entscheidung des BVerwG zu einer Waldheim-Rehabilitation” existiere, wirft die Klägerin folgende Fragen auf:

  • Ist in den Fällen der Verurteilung durch ein deutsches Gericht das später rehabilitierende deutsche Gericht befugt, festzustellen, dass im Sinne eines durchgängigen Verfahrens das Verfahren also insgesamt unter deutscher Verantwortung stand und es damit unerheblich ist, dass das Verfahren durch Verhaftung, ggf. Vermögensentzug und sowjetische Internierung ursprünglich durch die sowjetische Besatzungsmacht eingeleitet wurde?
  • Wie ist der Tenor eines strafrechtlichen Rehabilitierungsbeschlusses in der gesetzlich minimal zulässigen Form (§ 12 StrRehaG) auszulegen?
  • Welche rechtsfortbildenden Auslegungsregeln oder andere rechtsfortbildende Konstruktionen (teleologische Erweiterungen) sind vorzusehen, damit aus dem uneingeschränkten Rehabilitierungsbeschluss auch bezüglich der mit der Ermittlungsphase einhergehenden Vermögensentziehung für die nachfolgende zweite Stufe tatsächlich (deklaratorisch) ersichtlich ist. Anders ausgedrückt: Wie ist eine Rehabilitierung auszulegen, dass für die genannten Fallgruppen der Sinn und Zweck einer Rehabilitierung nicht ad absurdum geführt wird?
  • Ist die Begrifflichkeit des „Vermögensentzugs” aus den „anderen Vorschriften” des § 1 Abs. 7 VermG herzuleiten, so dass auch hier das Zweistufenverfahren gedanklich zur Anwendung kommt? Anders ausgedrückt: Trifft es zu, dass für Definitionen des Vermögensentzugs im Zweistufenverfahren das Vermögensgesetz nachrangig ist und insbesondere mit seinen Definitionen in Verbindung mit dem StrRehaG nicht zur Anwendung kommen darf?
  • Können (dürfen) an die Auslegung einer russischen Rehabilitierung insbesondere bezüglich des Sachverhalts andere, gar höhere Anforderungen gestellt werden, als im Zusammenhang mit einer Rehabilitierung nach StrRehaG?
  • Stimmt dieser Sachverhalt in Art. 16 (gemeint ist: des russischen Rehabilitierungsgesetzes) mit dem StrRehaG insofern überein, und ist ein Vermögensentzug dieser Art geeignet, eine erste Vermögensentziehung im Sinne des § 1 Abs. 7 VermG darzustellen, die eine weitere (später oder zeitgleich) Entziehung rechtlich bedeutungslos macht?

Zum einen werden sich diese Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen, denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine strafrechtliche Rehabilitierung dann nicht vorliegen können, wenn die zurückverlangten Vermögenswerte bereits bei Erlass des aufgehobenen Strafurteils auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet waren (Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 28.94 – BVerwGE 99, 268 ≪274 f.≫). Im Übrigen fehlen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil tatsächliche Feststellungen, deren Vorliegen gerade die Voraussetzung für die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen ist. Hat aber das vorinstanzliche Gericht Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Fragen sich in einem Revisionsverfahren stellen können, nicht festgestellt, so kann die Revision im Hinblick auf diese Fragen nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (stRspr des BVerwG, vgl. Beschluss vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309; Beschluss vom 20. September 1999 – BVerwG 8 B 278.99 –). Nach den nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts erfolgte die Aufteilung des Grund und Bodens des Rechtsvorgängers der Klägerin lange vor Erlass des Waldheim-Urteils im Jahre 1950 im Zuge der Bodenreformmaßnahme auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a 1. Alt. VermG. Das Verwaltungsgericht hat ferner festgestellt, dass der Vermögensverlust nicht von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde oder einer sonstigen staatlichen Stelle der Sowjetunion selbst verfügt worden ist, so dass die Vorlage der russischen Rehabilitierungsentscheidungen ins Leere geht.

Im Übrigen sind die sich bei der Rückgabe von Vermögenswerten im Zusammenhang mit russischen Rehabilitierungen stellenden Fragen durch das Urteil des Senats vom 17. Mai 2000 (– BVerwG 8 C 16.99 – zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung und in der Sammlung Buchholz vorgesehen) einer weiteren Klärung zugeführt worden.

2. Entgegen der Meinung der Klägerin besteht auch kein Grund, die Revision wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht in einer die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtsfrage bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift eine andere Auffassung vertreten hat als das Bundesverwaltungsgericht. Die Vorinstanz ist nicht von einem in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1999 – BVerwG 7 C 9.98 – (BVerwGE 108, 315 ff.) aufgestellten Rechtssatz abgewichen. Die Beschwerde übersieht bei dem von ihr gerügten Rechtssatzwiderspruch, dass nach den insoweit bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts schon gar kein eigener Rechtssetzungsakt der Besatzungsmacht, der eine Verurteilung des Rechtsvorgängers der Klägerin oder eine Einziehung seines Vermögens beinhaltete, vorliegt. Die vom 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in der genannten Entscheidung angesprochene bindende Wirkung bezieht sich allein auf die von anderen Stellen zu treffenden Rehabilitierungsentscheidungen, aber nicht auf den Charakter der die Vermögensentziehung verfügenden Maßnahmen.

Auch soweit die Beschwerde darin einen Rechtssatzwiderspruch sieht, dass das Verwaltungsgericht entgegen der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen sei, dass „der (erste) – später aufgehobene – Vermögensentzug i.S.d. § 1 Abs. 7 VermG … dem Kriterium einer (faktischen) Enteignung genügt”, kann sie damit nicht durchdringen. Das vermeintlich divergierende Urteil vom 25. Februar 1999 (a.a.O., S. 317) enthält keinen davon abweichenden Rechtssatz. Die von der Beschwerde als Beleg zitierte Formulierung – gemäß § 1 Abs. 7 VermG könne die Rückgabe entzogener Vermögensgegenstände unabhängig davon beansprucht werden, ob diese Gegenständezeitgleich oderspäter auf besatzungsrechtlicher oder -hoheitlicher Grundlage erneut entzogen wurden – befasst sich von vornherein nicht mit der hier zu beurteilenden Sachlage einervorher erfolgten besatzungshoheitlichen Enteignung; die alternative Erwähnung von „Enteignung oder sonstige(r) Vermögensentziehung” (a.a.O., S. 321) hat ersichtlich nicht die ihr von der Beschwerde in diesem Zusammenhang beigemessene Bedeutung.

3. Ohne Erfolg bleiben auch die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Soweit die Beschwerde darin einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO erblickt, dass das originale „Waldheim-Urteil” nicht beigezogen worden ist, übersieht die Beschwerde, dass nach der für die Beurteilung von Verfahrensfehlern maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts es gar nicht auf die strafrechtliche Rehabilitierung ankam, da das Verwaltungsgericht nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen von einer bereits zuvor eingetretenen Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage ausgegangen ist. Im Übrigen hat die anwaltlich vertretene Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Dem Gericht musste sich auch nicht angesichts seines Rechtsstandpunktes die Beiziehung der genannten Akten von sich aus aufdrängen.

Soweit die Beschwerde das Vorliegen einer unzulässigen Überraschungsentscheidung rügt, kann sie auch damit nicht durchdringen. Die Beschwerde hätte substantiiert darlegen müssen, was bei ausreichender Gehörsgewährung in der Vorinstanz noch vorgetragen worden wäre, und zusätzliche Ausführungen dazu, dass der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre. Dem ist die Beschwerde schon nicht in hinreichender Weise nachgekommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß

 

Fundstellen

Dokument-Index HI566841

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