Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 24.04.2007; Aktenzeichen 5 N 2781/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. April 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf,
“ob die Berechnung der Verteilung der Kosten für Schmutz- und Niederschlagswasser nach der Methode des Modells eines fiktiven Trennsystems erfolgen darf.”
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie bezieht sich auf Vorschriften des Ortsrechts, die Vorgaben des Landesrechts umsetzen, und betrifft somit irrevisible Normen, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. Dass der Frage zunehmende Bedeutung zukommen mag und sie – je nach Landesrecht – unterschiedlich beantwortet wird, ändert daran nichts.
Der für eine Grundsatzrüge erforderliche Bezug zum Bundesrecht ergibt sich nicht daraus, dass die Beschwerde durch die aufgeworfene Frage das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz als “unmittelbar berührt” ansieht und die Vereinbarkeit des “fiktiven Trennsystems” mit den genannten bundesrechtlichen Vorgaben geklärt wissen will. Denn die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts kann die Zulassung der Grundsatzrevision nur rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundes(verfassungs)rechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 6 B 11.96 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch geklärt, dass die beiden angesprochenen Grundsätze dem Normgeber bei der Gebührenbemessung einen weiten Gestaltungsspielraum belassen. Die ihm durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen sind erst überschritten, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (Urteil vom 20. Dezember 2000 – BVerwG 11 C 7.00 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 94 S. 8). Das Äquivalenzprinzip besagt, dass die geforderte Abgabe und die konkrete Leistung der Verwaltung nicht in einem groben Missverhältnis stehen dürfen (Urteil vom 25. August 1999 – BVerwG 8 C 12.98 – BVerwGE 109, 272 ≪274≫). Wenn die Beschwerde das von ihr bevorzugte “Mehrkostenverfahren” als das “allein richtige” darzustellen versucht, zeigt sie einen weitergehenden Klärungsbedarf hinsichtlich der genannten bundesrechtlichen Maßstäbe nicht auf, sondern beschränkt sich auf die Rüge einer Verletzung der aus ihrer Sicht bereits geklärten Vorgaben des Bundesrechts durch eine bestimmte Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Rechts.
Auch die im Übrigen von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen legen einen solchen weitergehenden Klärungsbedarf nicht dar.
Das gilt zunächst für die Fragen,
“ob die nicht einem Einleiter zuzuordnenden Fremdwassermengen auch dann auf die Solidargemeinschaft der Gebührenzahler umgelegt werden (richtig:) können, wenn die Menge des eingeleiteten Fremdwassers deutlich über den üblicherweise zu erwartenden Mengen liegt und offenkundig ihre Ursache in unterbliebenen Instandhaltungsmaßnahmen haben” und
“ob das sogenannte Fremdwasser gebührenrechtlich als Schmutzwasser, als Niederschlagswasser oder in sonstiger Weise zu behandeln ist”,
die sich außerdem, nämlich hinsichtlich der Fragen, ob Instandhaltungsmaßnahmen unterblieben sind, welches Ausmaß das Fremdwasser hat und welche gebührenrechtlichen Auswirkungen die Qualifizierung des Bachwassers hat, auf tatsächliche Umstände (vgl. S. 6 – 8 der Beschwerdebegründung) stützen, deren Vorliegen die Vorinstanz nicht festgestellt hat, so dass sich die grundsätzliche Bedeutung hieraus nicht ergeben kann (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 10. Januar 1997 – BVerwG 8 B 204.96 – NVwZ 1997, 801).
Soweit die Beschwerde darüber hinaus geklärt wissen will,
“ob die Berechnung der Kostenverteilung auf Grundlage der Untersuchung der Verhältnisse in einem Teilgebiet erfolgen kann”,
und dabei auch kritisiert, die Berechnungsmethode der Antragsgegnerin entferne sich “erneut ein Stück von der Wirklichkeit”, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Bemessung von Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme (“Wirklichkeitsmaßstab”), sondern auch nach einem pauschalierenden, durch die Erfordernisse der Praktikabilität gerechtfertigten Wahrscheinlichkeitsmaßstab unter dem Blickwinkel des Bundesverfassungsrechts gebilligt hat (vgl. Beschluss vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 39 f. m.w.N.). Im Übrigen hängt die Beantwortung der Frage auch nach Auffassung der Beschwerde von der “Repräsentativität” des Teilgebietes und mithin von tatsächlichen Umständen ab, die einer revisionsgerichtlichen Klärung entzogen sind und die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen können.
2. Die von der Beschwerde behauptete Divergenz der vorinstanzlichen Entscheidung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 1985 – BVerwG 8 C 124.83 – (Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 31) besteht schon deswegen nicht, weil die angeblich abweichenden Rechtssätze nicht dieselbe Rechtsvorschrift betreffen (vgl. zu dieser Anforderung Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Während die die Straßensinkkästen betreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in Anwendung von § 10 Abs. 2 KAG ergangen sind, stehen diejenigen des Bundesverwaltungsgerichts in Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 BBauG.
3. Die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
Einen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sieht die Beschwerde darin, dass der Verwaltungsgerichtshof einen Beweisantrag des Antragstellers zur Frage der Repräsentativität des dem fiktiven Trennsystem zugrunde gelegten Teilgebietes nicht zur Kenntnis genommen und beschieden habe. Eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechende Verfahrensrüge setzt jedoch im Hinblick auf beide Verfahrensgrundsätze voraus, dass die Beschwerdebegründung darlegt, inwiefern sich die geforderten Verfahrenshandlungen bzw. Feststellungen auf den geltend gemachten Anspruch ausgewirkt hätten (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475 ). Solche Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Sie übt zwar Kritik an einzelnen Annahmen des von der Antragsgegnerin zur Ermittlung der Kostenaufteilungsquote eingeholten Sachverständigengutachtens vom 24. Mai 2002. Sie legt aber nicht dar, welche Feststellungen stattdessen zu erwarten gewesen wären und wie sie sich – zumal auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs – auf die Kalkulation der angefochtenen Gebührensätze ausgewirkt hätten.
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sieht die Beschwerde auch darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ablehnung eines weiteren Beweisantrages zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Unrecht darauf gestützt habe, der Antragsteller habe insoweit ein konkretes Beweisthema nicht genannt. Die Beschwerde übersieht dabei, dass es sich nur um eine weitere Begründung der Ablehnung des Beweisantrages handelt, die der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus – selbstständig tragend -darauf gestützt hat, die inhaltlichen Zweifel des Antragstellers gäben auch in Ansehung der vom Antragsteller vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen keinen Anlass, das vorliegende Gutachten vom 24. Mai 2002 durch ein gerichtlich einzuholendes Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen (BA S. 24). Hiergegen hat die Beschwerde eine Verfahrensrüge nicht erhoben. Die Revision könnte aber nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Revisionsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15). Unabhängig davon lässt der angefochtene Beschluss insoweit einen Verfahrensmangel nicht erkennen. Denn es steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im tatrichterlichen Ermessen des Berufungsgerichts (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO in entsprechender Anwendung), die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abzulehnen (vgl. dazu etwa Beschlüsse vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 S. 8 und vom 30. Januar 2002 – BVerwG 1 B 326.01 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 69 S. 31, jeweils m.w.N.). Die Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichtshofs mit den Einwendungen des Antragstellers gegen das Sachverständigengutachten vom 24. Mai 2002 und den vom Antragsteller vorgelegten gutachtlichen Stellungnahmen, denen die Vorinstanz einen konkreten Bezug zu den im genannten Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen abgesprochen hat, lässt – insbesondere auf der maßgeblichen Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, es gehe insoweit allein darum, ob die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens von der Antragsgegnerin bei der Kalkulation der Gebühren ermessensfehlerfrei zugrunde gelegt werden konnten – nicht erkennen, dass sich die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aufgedrängt hätte (vgl. zu diesem Kriterium Urteil vom 6. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 12.87 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31).
Schließlich liegt auch hinsichtlich der Einbeziehung der von den US-Streitkräften genutzten Flächen ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht vor. Die Beschwerde macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, obwohl der Antragsteller mehrfach gerügt habe, dass diese Flächen nicht in die Gesamtrechnung der Antragsgegnerin einbezogen worden seien. Da der anwaltlich vertretene Antragsteller, wie er ausdrücklich zugesteht, im vorinstanzlichen Verfahren hierzu keinen Beweisantrag gestellt hat, könnte der Verwaltungsgerichtshof nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann verfahrensfehlerhaft gehandelt haben, wenn sich ihm eine weitere Ermittlung hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.). Das ist nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu ausgeführt, die vom Antragsteller geäußerten Zweifel an einer ordnungsgemäßen Einbeziehung der genannten Flächen entbehrten einer substantiierten Grundlage; allein die Äußerung, die Antragsgegnerin habe vielleicht nicht die gesamten Straßen, Gelände- und Gebäudeflächen oder diese nicht mit dem richtigen Versiegelungsgrad zugrunde gelegt, genüge insofern nicht. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich wiederum auf bloße Vermutungen und nennt keine konkreten Umstände, die eine abweichende Beurteilung auch nur nahelegen könnten. Den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht die Verfahrensrüge auch insoweit nicht, als die Beschwerde keine Beweismittel bezeichnet, derer sich die Vorinstanz nach ihrer Auffassung hätte bedienen müssen und die, wenn dies geschehen wäre, zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung hätten führen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Domgörgen
Fundstellen