Verfahrensgang
VG Schwerin (Aktenzeichen 3 A 294/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 31. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 200 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin beansprucht nach dem Vermögensgesetz (VermG) die Rückübertragung eines mit einem Mietwohnhaus bebauten, überwiegend landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, auf dessen Eigentum sie 1976 gemäß § 310 ZBG-DDR verzichtet hatte. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen übertrug das Eigentum an dem Grundstück zurück. Auf den Widerspruch der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der sich auf die Rückübertragung der unbebauten landwirtschaftlichen Nutzflächen beschränkte, lehnte der Beklagte unter teilweiser Änderung des Ausgangsbescheids den Rückübertragungsantrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen, weil die behauptete Überschuldung des Grundstücks nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG auf nicht kostendeckenden Mieten beruht habe und ein Eigentumsverlust aufgrund unlauterer Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) nicht feststellbar gewesen sei.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angegriffenen Urteil hat keinen Erfolg; das Beschwerdevorbringen ergibt die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst. Die Beschwerde möchte geklärt wissen, nach welchen Regeln der für die Überschuldung im Sinne von § 1 Abs. 2 VermG bedeutsame Beleihungswert eines dinglich belasteten Grundstücks zu bemessen ist, das überwiegend von einer LPG genutzt wurde und nur hinsichtlich seines bebauten Teils dem Nutzungsrecht des Eigentümers unterfiel. In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Entscheidungserheblich wäre allein, ob in derartigen Fällen gemischter Nutzung bei der Prüfung einer Überschuldung (§ 1 Abs. 2 VermG) dem Beleihungswert des mit dem Mietwohnhaus bebauten Flurstücks die vorhandene Grundstücksbelastung in voller Höhe oder nur anteilig gegenüberzustellen ist. Diese Frage ist anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 22. August 1996 – BVerwG 7 C 74.94 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 85; Urteil vom 15. Mai 1997 – BVerwG 7 C 50.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 111) im erstgenannten Sinn zu beantworten, ohne dass es hierzu eines Revisionsverfahrens bedarf.
Der Schädigungstatbestand setzt eine bestimmte Verknüpfung zwischen Überschuldung und Beleihungswert des Grundstücks voraus. Wurden nach der Beleihungspraxis der DDR Kredite für Instandsetzungsmaßnahmen am Gebäude nur bis zum Wert des in der Verfügungsbefugnis des privaten Eigentümers stehenden bebauten Flurstücks bewilligt, weil das LPG-genutzte Restgrundstück bei der Bemessung des Beleihungswerts wirtschaftlich unberücksichtigt blieb, so bedeutet das zugleich, dass im Rahmen der Überschuldungsprüfung vorhandene Grundstücksbelastungen bei der Wertermittlung des Gebäudes anzusetzen sind. Mit dem Ziel der staatlichen Niedrigmieten-Politik, die Überschuldung privaten Mietshaus-Eigentums herbeizuführen, war eine staatliche Beleihung gemischt genutzter Grundstücke unvereinbar, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zur dinglichen Belastung der landwirtschaftlichen Nutzfläche der LPG geführt hätte. Darum verminderten unter solchen Umständen beim überschuldungsbedingten Eigentumsverlust die auf dem Grundstück ruhenden Lasten in vollem Umfang den Beleihungswert des privaten Gebäudes.
Damit beantwortet sich zugleich die im Rahmen ihrer Abweichungsrüge von der Beschwerde hilfsweise als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage: An der in § 1 Abs. 2 VermG vorausgesetzten Ursächlichkeit nicht kostendeckender Mieten für die Überschuldung des Wohnflurstücks fehlt es, wenn der Gebäudewert im Zeitpunkt des Eigentumsverlusts schon durch Grundstücksbelastungen überschritten wurde, denen zu DDR-Zeiten aufgenommene Kredite des Eigentümers zugrunde lagen, die nicht der Erhaltung des Gebäudes zum vertragsgemäßen Gebrauch dienten (vgl. Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1; Urteil vom 2. Februar 2000 – BVerwG 8 C 25.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 7). Die Beurteilung der Frage, ob der Wert des Grundstücks durch derartige Grundstücksbelastungen bereits weitgehend erschöpft war, bestimmt sich demzufolge nach dem Beleihungswert des bebauten Flurstücks; der – zum Zeitpunkt des Eigentumsverzichts nicht realisierbare – Wert des Buchgrundstücks ist nicht maßgebend.
2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Nach Ansicht der Beschwerde weicht das angegriffene Urteil von dem Urteil des Senats vom 15. Mai 1997 – BVerwG 7 C 50.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 111 ab, weil das Verwaltungsgericht nicht vom Einheitswert des Wohngebäudes ausgegangen sei. Diese Abweichung liegt schon deswegen nicht vor, weil der Senat in demselben Urteil darauf hingewiesen hat, dass anstelle des Einheitswerts der konkret zu ermittelnde Zeitwert zugrunde zu legen sei, wenn Anhaltspunkte für eine Abweichung des Beleihungswerts vom Einheitswert beständen. Ist bei einem überwiegend LPG-genutzten Grundstück der Beleihungswert des Gebäudes maßgebend und dessen konkrete Beleihungsgrenze im Zusammenhang mit dem Eigentumsverzicht in Erfahrung gebracht worden, tritt im Rahmen der Überschuldungsprüfung dieser sachnähere Wert an die Stelle des überholten Teileinheitswerts für das Gebäude. Da der im Jahre 1967 ermittelte Sachwert des Gebäudes aktenkundig und nichts dafür ersichtlich war, dass der Beleihungswert im Zeitpunkt des Eigentumsverzichts 1976 höher lag, hat das Verwaltungsgericht auch dem im Urteil des Senats vom 22. August 1996 – BVerwG 7 C 74.94 – a.a.O. dargelegten Erfordernis einer konkreten Ermittlung des Zeitwerts Rechnung getragen.
3. Auch die erhobene Verfahrensrüge führt nicht zur Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); denn das angegriffene Urteil leidet nicht an den behaupteten Verstößen gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es auf deren Vorbringen zum Einheitswert des Gebäudes nicht näher eingegangen ist. Das Verwaltungsgericht hat, wie sich aus dem Tatbestand des angegriffenen Urteils ergibt, den Einheitswert des Gebäudes zur Kenntnis genommen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, dass von einem Beleihungswert in Höhe von 6 810 M auszugehen sei. Dieser – von der Klägerin selbst vorgetragene – Wert entsprach, wie sich ebenfalls dem Tatbestand entnehmen lässt, dem Schätzwert, den der Sachverständige K. 1967 für das Gebäude ermittelt hatte. In den Entscheidungsgründen ist ferner dargelegt, dass dieser Schätzwert der für die Überschuldungsprüfung maßgebliche Beleihungswert sei, weil das Wohngebäude 1967 im Zuge der (Teil-)Kündigung des Rats des Kreises aus dem vertraglichen Nutzungsrecht der LPG herausgenommen worden sei. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich ohne Weiteres, dass es aus der rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht auf den Einheitswert, sondern auf den sachnäheren Schätzwert des Gebäudes ankam. Da der Einheitswert des Gebäudes nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich war, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass es sich in den Entscheidungsgründen nicht eingehender mit dem Vorbringen der Klägerin hierzu auseinandergesetzt hat.
Entsprechendes gilt für den Vorwurf der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe es unter Verletzung des rechtlichen Gehörs unterlassen, die Vorgänge im Zusammenhang mit der Herauslösung des Wohnhauses aus dem Nutzungsverhältnis zu bewerten. Abgesehen davon, dass der Verzicht der LPG auf die Wohnhausnutzung schwerlich als im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG zielgerichteter Zugriff auf das Eigentum der Klägerin gedeutet werden kann, war der mit dieser „Rückgabe” des Wohnhauses verbundene Übergang der Instandsetzungs- und Instandhaltungslasten auf die Klägerin für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Da das Verwaltungsgericht den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG mangels Ursächlichkeit nicht kostendeckender Mieten verneint hat, kam es insoweit auf angebliche Mängel des Kündigungsbeschlusses der LPG und der entsprechenden Genehmigung des Rats des Kreises nicht mehr an. Für den Verzicht auf das Eigentum an den landwirtschaftlichen Nutzflächen, der nach dem Vorbringen der Klägerin auf Täuschung durch staatliche Stellen beruhte, waren die von der Beschwerde behaupteten Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Herauslösung des Wohnhauses aus dem Nutzungsverhältnis ebenfalls unerheblich. Selbst wenn es nämlich bei der Teilkündigung des Nutzungsvertrags für das Wohnhaus „nicht mit rechten Dingen” zugegangen sein sollte, war dies ohne Belang für den späteren Verlust des Eigentums an den landwirtschaftlich genutzten Flurstücken, der unter dem Blickwinkel unlauterer Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG allein noch Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen dargelegt, dass sich auch bei einer Gesamtwürdigung keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine manipulative Entziehung der landwirtschaftlich genutzten Flurstücke ergeben hätten. Damit hat es der Sache nach auch zu dem Vorbringen Stellung genommen, das nach Ansicht der Beschwerde vermeintlich übergangen wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Herbert
Fundstellen