Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 18.05.2005; Aktenzeichen 5 K 837/05) |
VG Dresden (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 5 K 837/05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4./18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 500 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger beansprucht die Verpflichtung der Beklagten, an dem Grundstück 225/2 der Gemarkung D… ihm Bruchteilseigentum in Höhe von 165/3150 Anteilen und dem Bankhaus B… & F… i.L. Bruchteilseigentum in Höhe von 2189/3150 Anteilen, hilfsweise dem Kläger Bruchteilseigentum in Höhe von weiteren 1274/3150 Anteilen einzuräumen; weiter hilfsweise verlangt er die Verpflichtung der Beklagten, einen Entschädigungsanspruch dem Grunde nach in Höhe von 1317/3150 festzustellen sowie zu Lasten des Grundstücks 225/2 ein Vorkaufsrecht einzutragen. Dem volkseigenen Grundstück 225/2 wurde 1983 eine Fläche von 258 m(2) aus Enteignung des früheren Flurstücks 229a zugeschrieben. Das Flurstück 229a wurde mit Auflassung vom 3. Juli 1942 an Johannes K… veräußert, der am 13. Oktober 1942 als Eigentümer eingetragen wurde und das Flurstück mit Auflassung vom 10. Oktober 1942 unter Eintragung eines Vorkaufsrechts zu seinen Gunsten im Jahr 1943 an die I. AG (…AG) veräußerte. Im Jahr 1948 erwarb Johannes K… das Flurstück 229a aufgrund seines Vorkaufsrechts wieder. Im Jahr 1984 wurde den Beigeladenen ein dingliches Nutzungsrecht an dem 547 m(2) großen Grundstück 225/2 verliehen; zugleich wurden sie als Eigentümer des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes eingetragen. 1990 erwarben die Beigeladenen das Grundstückseigentum hinzu.
An der …AG war der jüdische Bankier Dr. F…, Großvater und Rechtsvorgänger des Klägers, unmittelbar in Höhe von 165/3150 Anteilen sowie mittelbar – in einer zwischen den Beteiligten umstrittenen Höhe – über seine Beteiligung an der B… & F… OHG als Trägerin des Bankhauses B… & F… beteiligt, deren Gesellschafter Dr. F… und Alfred R… waren. Durch Auseinandersetzungsvertrag der beiden Gesellschafter vom 29. April 1937 wurde die OHG aufgelöst und das Bankhaus mit Aktiven und Passiven zum 1. Januar 1937 von der Einzelfirma Alfred R… übernommen. Laut Handelsregistereintragung vom 5. Mai 1937 war Dr. F… aus der Gesellschaft ausgeschieden und die Gesellschaft aufgelöst. Die von Dr. F… unmittelbar gehaltenen und auf seine Alleinerbin, die Mutter und Rechtsvorgängerin des Klägers, übergegangenen …AG-Aktien wurden im Jahr 1943 eingezogen.
Durch Bescheid vom 11. September 2001 stellte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die Entschädigungsberechtigung des Klägers nach § 1 NS-VEntschG wegen des Verlusts der unmittelbaren Beteiligung seiner Rechtsvorgängerin in Höhe von 165/3150 Anteilen an der …AG fest und lehnte den Antrag auf Einräumung von Bruchteilseigentum an dem Grundstück 225/2 wegen redlichen Erwerbs der Beigeladenen sowie weitere Ansprüche des Klägers in Bezug auf dieses Grundstück ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladenen das Grundstück redlich erworben hätten und der Kläger neben dem ihm zuerkannten Entschädigungsanspruch für den Verlust der unmittelbaren Beteiligung an der …AG in Bezug auf das Grundstück weder Entschädigung noch die Einräumung eines Vorkaufsrechts verlangen könne. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Soweit die Beschwerde die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und kausaler Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht angenommene Bindung an das rechtskräftige Urteil vom 8. März 1994 – 3 K 1913/93 – geltend macht, ist die Revision aus den Gründen nicht zuzulassen, die der Senat in seinem Beschluss vom 21. Februar 2006 – BVerwG 7 B 68.05 – dargelegt hat. Auf diese Gründe kann hier verwiesen werden, da in jenem Verfahren Beschwerdeführer der Kläger und Beschwerdegegnerin die Beklagte des vorliegenden Verfahrens waren.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der im vorliegenden Verfahren von der Beschwerde geltend gemachten weiteren Verfahrensfehler zuzulassen. Soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler darin sieht, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht dem Antrag des Klägers entsprechend bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 2 K 2802/99 vor dem Verwaltungsgericht Dresden ausgesetzt hat, hat ihre Rüge schon deshalb keinen Erfolg, weil sie keinen Verfahrensmangel bezeichnet, der in einem Revisionsverfahren überprüft werden könnte. Das hat der Senat in den Gründen seines Beschlusses vom 13. September 2005 – BVerwG 7 B 14.05 –, der im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers unter Beteiligung der Beklagten ergangen ist, im Einzelnen dargelegt; darauf wird Bezug genommen.
Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler eine fehlende oder unzureichende Urteilsbegründung hinsichtlich der Beteiligung Dr. F… am Bankhaus B… & F… oder an dessen Trägerin B… & F… OHG geltend macht, ist die Revision nicht zuzulassen, weil der Kläger durch die angeblich mangelhafte Begründung nicht beschwert ist. Die Beschwerde beanstandet, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der von ihm angenommenen Bindung an das Urteil vom 8. März 1994 die Beteiligung Dr. F… mit “exakt 50 %” annehme; das widerspreche dem einschlägigen Entscheidungssatz jenes Urteils, durch den die Beteiligung Dr. F… mit “nie mehr als 50 %” angenommen worden sei. Auf diesem vermeintlichen Verfahrensfehler kann das angegriffene Urteil nicht beruhen, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht ohne die hier als verfahrensfehlerhaft unterstellte Annahme einer Beteiligung Dr. F… von 50 % zu einem für den Kläger sachlich günstigeren Ergebnis, nämlich zu einer Beteiligung Dr. F… in Höhe von mehr als 50 %, gelangt wäre. An einer solchen Annahme wäre es durch die Bindungswirkung des Urteils vom 8. März 1994 gehindert gewesen.
Soweit die Beschwerde Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts im Zusammenhang mit der Annahme redlichen Erwerbs geltend macht, sind ihre Rügen erfolglos. Die Beschwerde behauptet zwar einen Aufklärungsmangel, erschöpft sich aber in Wahrheit in Angriffen auf die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Beigeladenen zu 2 und 3 das Nutzungsrecht redlich erworben hätten. Mit derartigem Vorbringen lässt sich ein Verfahrensfehler nicht darlegen. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats angenommen, dass die Verletzung einer DDR-Vorschrift nur dann zur Unredlichkeit des Erwerbs führen kann, wenn der Rechtsverstoß bei objektiver Betrachtung die Absicht erkennen lässt, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen (Urteil vom 19. Januar 1995 – BVerwG 7 C 42.93 – BVerwGE 97, 286 ≪290≫). Eine solche manipulative Absicht hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei nicht darin gesehen, dass das dingliche Nutzungsrecht den Beigeladenen zu 2 und 3 bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1984 verliehen und die am 7. Dezember 1983 in das Register der Aufbaugebiete eingetragene, alsdann dem Grundstück 225/2 zugeschriebene Teilfläche des Flurstücks 229a von 258 m(2) erst mit Wirkung vom 1. März 1984 in Volkseigentum überführt wurde. Die falsche Bezeichnung des Datums des Veränderungsnachweises mit “14. 2. 1983” statt richtig mit 14. Dezember 1983 beruht auf einem offensichtlichen Schreibfehler. Angesichts dessen kann von einer gezielt manipulativen Verleihung eines Nutzungsrechts an einem privateigenen Grundstück keine Rede sein.
Ebenso wenig ist ein Verfahrensfehler darin zu sehen, dass das Verwaltungsgericht, wie die Beschwerde bemängelt, nicht aufgeklärt hat, ob die Überschreitung der Orientierungsgröße von 500 m(2) für ein Eigenheim-Grundstück (§ 7 der Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 ≪GBl DDR I S. 425≫) nach den örtlichen Verhältnissen vermeidbar gewesen wäre. Ermittlungen in dieser Richtung mussten sich dem Verwaltungsgericht schon deswegen nicht aufdrängen, weil bei der Bildung des Grundstücks, an dem den Beigeladenen zu 2 und 3 das Nutzungsrecht verliehen wurde, zwei Flurstücke mit einer Gesamtfläche von 547 m(2) vereinigt wurden und mit Blick auf die Mehrfläche von 47 m(2) auf der Hand liegt, dass dies keine sittlich anstößige Manipulation darstellt.
Die Verfahrensrüge hinsichtlich der angeblich fehlenden Aufklärung zum Entschädigungsanspruch und zum Vorkaufsrecht ist wiederum unzulässig. Das Beschwerdevorbringen legt keinen Verfahrensfehler dar, sondern wendet sich gegen die Richtigkeit der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts.
3. Die Revision ist weder wegen der behaupteten Abweichungen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sämtliche Abweichungsrügen sind unzulässig, weil die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch darlegt, sondern eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts beanstandet. Selbst wenn der Vorwurf fehlerhafter Rechtsanwendung zuträfe, könnte er die Divergenzrevision nicht eröffnen. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz lässt sich nicht mit der Behauptung einer Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall begründen. Da die Divergenzrevision der Wahrung der Rechtseinheit, gegebenenfalls auch der Rechtsfortbildung dient, setzt ihre Zulassung eine Abweichung im Grundsätzlichen, also einen abstrakten Rechtssatzwiderspruch voraus. Einen solchen lässt das Beschwerdevorbringen zu keinem der von ihr beanstandeten vier Punkte erkennen. Davon abgesehen
• beruht das angegriffene Urteil nicht auf der Analogie zur Erstreckung des Redlichkeitsschutzes auf Fälle, in denen eine Rechtsposition schon vor dem Eigentumsentzug begründet werden konnte (Urteil vom 26. September 1996 – BVerwG 7 C 7.95 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 37 S. 84 ≪89≫),
• steht die Annahme der Unschädlichkeit einer geringfügigen Überschreitung der Orientierungsgröße von 500 m(2) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. Januar 1996 – BVerwG 7 C 20.94 – Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25 S. 60 ≪65 f.≫),
• widerspricht die Entscheidung zur Ablehnung eines gesonderten Entschädigungsanspruchs in Bezug auf das Grundstück 225/2 nicht dem Urteil vom 19. Januar 2005 – BVerwG 8 C 20.03 – (Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG S. 1 ≪4≫), weil der Wert der mittelbaren Beteiligung des Rechtsvorgängers des Klägers über die Beteiligung der B… & F… OHG an der …AG in Bezug auf die hier in Rede stehende Teilfläche von 258 m(2) nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheids in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung wegen des Verlusts der Unternehmensbeteiligung berücksichtigt ist und eine Vernachlässigung des Werts der unmittelbaren Beteiligung der Rechtsvorgängerin des Klägers an der …AG in Höhe von 165/3150 Bruchteilseigentum an der Teilfläche bei der wegen des Aktienverlusts festgestellten Entschädigung mangels Rechtssatzwiderspruchs keine Abweichung begründen könnte, sowie
• die Einräumung eines Vorkaufsrechts bei Bruchteilseigentum an einem Grundstück in § 20a VermG nicht vorgesehen ist.
Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, “wann … die Ablehnung des Entschädigungsanspruchs zulässig” ist und “wann … ein schützenswertes Vertrauen vor(liegt), obwohl ein Rechtsbruch vorliegt”, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil es die Beschwerde unterlassen hat darzulegen, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91 f.≫); das führt zur Unzulässigkeit der Grundsatzrüge (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Davon abgesehen ist die Frage der Redlichkeit des Erwerbs bei berechtigtem Vertrauen des Erwerbers auf ein Behaltendürfen manipulationsfrei erworbener Vermögensgegenstände in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenso geklärt wie die Berücksichtigung von wegen redlichen Erwerbs nicht restituierbarem Bruchteilseigentum im Rahmen der Entschädigung (Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 7 C 4.93 – BVerwGE 95, 108 ≪110 ff.≫; Urteil vom 19. Januar 2005 a.a.O. S. 4).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen