Verfahrensgang

Hessischer VGH (Urteil vom 27.01.1998; Aktenzeichen 11 UE 2398/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Januar 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 109 609,90 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen eines Verfahrensmangels (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung in der mit dem Beschwerdevorbringen bezeichneten Richtung (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) noch beruht das angefochtene Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel.

Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, „ob und unter welchen Bedingungen ein Nachversicherungsanspruch des Arbeitnehmers besteht, wenn er zwar nicht Beamter im statusrechtlichen Sinne ist, jedoch ihm als angestelltem Arbeitnehmer eine beamtenrechtsähnliche Versorgung zugesagt ist, die überdies noch den gesetzlichen Unverfallbarkeitsbestimmungen des BetrAVG unterliegt”. Sie bezweifelt insoweit die Richtigkeit der vom Berufungsgericht gebilligten Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 6 a in Verbindung mit § 9 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) durch das Verwaltungsgericht. Dieses Gesetz ist mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten. Rechtsfragen, die auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betreffen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil die Zulassungsvorschrift auf die für die Zukunft richtungweisende Klärung von Fragen des geltenden Rechts gerichtet ist (vgl. u.a. Beschluß vom 10. Mai 1991 – BVerwG 2 B 50.91 – ≪Buchholz 310 § 132 Nr. 297≫ m.w.N.). Gründe für eine Ausnahme von dieser Regel legt die Beschwerdebegründung nicht in einer dem § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

Keine grundsätzliche Bedeutung hat auch die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der Kläger sein Klagebegehren auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen kann. Das Beschwerdevorbringen zeigt insoweit keine in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftige Frage auf. Der vom Bundessozialgericht entwickelte und seither in ständiger Rechtsprechung bestätigte verschuldensunabhängige Herstellungsanspruch knüpft an die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis an (vgl. Urteil vom 18. April 1997 – BVerwG 8 C 38.95 – ≪Buchholz 454.71 § 27 Nr. 2≫ m. zahlr. Nachw. der Rspr des BSG). Die Beklagte selbst hat nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, von denen mangels beachtlicher Verfahrensrügen in einem Revisionsverfahren auszugehen wäre (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), keine derartige Pflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Ihr ist auch nicht das Verhalten eines anderen Leistungsträgers als eigene Pflichtverletzung zuzurechnen. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann möglich, wenn eine Funktionseinheit in der Weise besteht, daß ein anderer Leistungsträger oder eine andere Behörde in den Verwaltungsablauf derjenigen Behörde arbeitsteilig eingeschaltet ist, gegen die der Herstellungsanspruch gerichtet wird, diese Behörde sich also für die Erfüllung der ihr obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages einer anderen Behörde oder Stelle bedient (vgl. BSGE 51, 89 ≪94 ff.≫; 57, 288 ≪290≫; 58, 283 ≪284≫; 62, 96 ≪98 f.≫; 63, 112 ≪115≫; 71, 217 ≪218≫). Ein etwaiger Beratungsfehler der Beigeladenen könnte der Beklagten deshalb nicht angelastet werden, weil die Beigeladene nicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe der Beklagten eingeschaltet war. Für die Vollziehung der Nachversicherung nach den §§ 9, 124 AVG ist allein der Rentenversicherungsträger zuständig. Dieser ist nicht nur gegenüber privaten, sondern auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern befugt, die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern (vgl. BSG, Urteile vom 1. September 1988 – 4 RA 18/88 – ≪SozR 2400 § 124 Nr. 6≫, vom 31. März 1992 – 4 RA 23/91 – ≪SozR 3-2200 § 1402 Nr. 1≫ und vom 29. Juli 1997 – 4 RA 107/95 – NZS 1998, 341 ≪343≫). Aus diesem Über- und Unterordnungsverhältnis folgt, daß ein Arbeitgeber – gleichgültig ob privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert – im Rahmen seiner Mitwirkung bei der Nachversicherung eines Arbeitnehmers oder Bediensteten keine Amtshandlungen für den Rentenversicherungsträger vornimmt, sondern in Erfüllung der sich aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis ergebenden arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und zur Erfüllung eines ihn treffenden sozialrechtlichen Anspruchs tätig wird (vgl. BSG, Urteile vom 15. Dezember 1994 – 4 RA 68/93 – Die Beiträge 1996 ≪315≫, vom 1. September 1988, a.a.O. und vom 29. Juli 1997, a.a.O. S. 344).

Die weitere von der Beschwerde als vermeintlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob die Niedersächsische Versorgungskasse notwendigerweise hätte beigeladen werden müssen, bedarf keiner Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren. Das Berufungsurteil leidet insoweit auch nicht an einem die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eröffnenden Verfahrensmangel. Denn selbst das Unterlassen einer notwendigen Beiladung macht – wie das Bundesverwaltungsgericht bereits wiederholt entschieden hat – die Entscheidung des Gerichts dann nicht fehlerhaft, wenn der Beizuladende durch die Entscheidung nicht in seinen Rechten berührt wird (vgl. BVerwGE 74, 19 ≪22≫; 80, 228 ≪230≫; Beschluß vom 30. Juli 1990 – BVerwG 7 B 71.90 – Buchholz 310 § 43 Nr. 109). So liegt es hier. Das die Klageabweisung bestätigende Berufungsurteil hat die Rechtsstellung der Niedersächsischen Versorgungskasse nicht verändert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Franke, Dr. Silberkuhl, Dawin

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1377274

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