Entscheidungsstichwort (Thema)
Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Mitwirkung des Personalrats auf Antrag des Beamten. Wirksamkeit der Einleitungsverfügung. Vorläufige Dienstenthebung. Einbehaltung von Gehaltsteilen
Leitsatz (amtlich)
Die Einleitungsverfügung ist keine endgültige, in das Beamtenverhältnis unmittelbar eingreifende Entscheidung. Eine ohne die beantragte Mitwirkung des Personalrats erlassene Einleitungsverfügung ist fehlerhaft, aber nicht unwirksam. Die Mitwirkung des Personalrats ist nachholbar.
Leitsatz (redaktionell)
Beschlüsse und Urteile der Disziplinarsenate und der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts – ebenso wie die Entscheidungen des ehemaligen Bundesdisziplinarhofs und des Bundesdisziplinargerichts – ergehen in einem Verfahren, in dem kraft Gesetzes im Interesse der Betroffenen die Öffentlichkeit in der Regel ausgeschlossen ist. In den Verfahren wird regelmäßig auch der Inhalt der nichtöffentlichen Personalakten erörtert und bei den Entscheidungen berücksichtigt. Zum Schutz berechtigter Interessen der betroffenen Personen und Dienststellen bedürfen die Entscheidungen daher vertraulicher Behandlung.
Eine Veröffentlichung der Entscheidungen wird im allgemeinen nur auszugsweise in Betracht kommen. Falls Sie eine Veröffentlichung beabsichtigen, empfiehlt es sich, über die Fassung ein Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Disziplinarsenats herbeizuführen.
Normenkette
BDO § 33 S. 2, §§ 91-92, 95 Abs. 3; BPersVG §§ 72, 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2; BPersVG 79 Abs. 4; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
BDIG (Beschluss vom 20.07.1988; Aktenzeichen X BK 3/88) |
Tenor
Die Beschwerde des Regierungsamtmanns … gegen den Beschluß des Bundesdisziplinargerichts, Kammer X – … –, vom 20. Juli 1988 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Der Präsident der Wehrbereichsverwaltung … hat mit Verfügung vom 2. Juni 1987 gegen den seit dem 1. August 1982 zur Luftlandedivision in … versetzten Beamten das förmliche Disziplinarverfahren eingeleitet und ihm zur Last gelegt, als Sachgebietsleiter … bei der Standortverwaltung … in den Jahren 1977 bis 1981 seine Dienstpflichten schwerwiegend verletzt zu haben, indem er unter Umgehung bestehender Vorschriften Leistungen an Firmen vergeben und Zahlungen an diese Firmen veranlaßt habe, obwohl die von diesen geschuldeten vertraglichen Leistungen nicht oder nicht vollständig erbracht oder aber völlig überflüssig gewesen seien. Auf diese Weise habe der Beamte dem Bund einen Vermögensschaden von mindestens 200.000 DM zugefügt.
Wegen Untreue in drei Fällen und wegen Steuerhinterziehung ist der Beamte vom Landgericht … mit Urteil vom 16. Juli 1987 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 70 DM verurteilt worden. Der Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Beamten durch Beschluß vom 4. März 1988 das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts … mit den zugehörigen Feststellungen im gesamten Strafausspruch sowie im Schuldspruch insoweit aufgehoben, als der Beamte wegen Untreue hinsichtlich seiner Auszahlungsanordnungen für Rauchgasmessungen und weiterer in diesem Zusammenhang in Rechnung gestellter Leistungen verurteilt worden ist. In diesem Umfang ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen worden. Hinsichtlich der Schuldsprüche wegen Untreue in zwei Fällen durch die Auszahlungsanordnungen vom 23. Januar und 19. März 1981 sowie wegen Steuerhinterziehung hat der Bundesgerichtshof die Revision als unbegründet angesehen.
Der Präsident der Wehrbereichsverwaltung … hat mit Verfügung vom 21. Juli 1987 die vorläufige Dienstenthebung des Beamten und die Einbehaltung von 10 v.H. seiner jeweiligen Dienstbezüge angeordnet.
Dagegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Beamte im wesentlichen geltend macht: Die Einleitungsverfügung hätte nicht erlassen werden dürfen. Vor der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens habe er die Mitwirkung des Personalrats beantragt. Die Einleitungsbehörde habe jedoch nicht den bei der Wehrbereichsverwaltung … gebildeten Bezirkspersonalrat, sondern den Personalrat der … Luftwaffendivision … und somit eine unzuständige Personalvertretung beteiligt. Zudem sei mit ihm kein Personalgespräch geführt worden, obwohl ihm dies zuvor zugesagt worden sei. Im übrigen seien bei der Anordnung der Einbehaltung eines Teiles seiner Dienstbezüge nicht die gegenüber den Vorjahren erheblich erhöhten finanziellen Belastungen, ferner nicht die Kosten für den Steuerberater, Fahrkosten zu Terminen, Fotokopien und desgleichen sowie Steuerberater- und Anwaltskosten vor 1987 sowie die Änderung seiner Steuerklasse von III/2 auf III/1 berücksichtigt worden.
Die Einleitungsbehörde hat sich auf den Standpunkt gestellt, die von dem Beamten beantragte Beteiligung des Personalrats sei fehlerfrei erfolgt. Aufgrund der Sonderregelung des § 92 Nr. 1 BPersVG für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung sei für den Beamten der Personalrat der … Luftwaffendivision in … zuständig, bei der der Beamte dienstlich tätig sei. Dieser habe gegen die Rechtmäßigkeit der geplanten Einleitungsverfügung Bedenken nicht erhoben. Das von dem Beamten gewünschte, jedoch bislang unterbliebene Personalgespräch sei nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einleitungsverfügung. Die Einbehaltungsanordnung habe zur Folge, daß sich der Beamte in seiner Lebensführung eine gewisse Einschränkung auferlegen müsse; zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führe der festgesetzte Einbehaltungssatz jedoch nicht.
Das Bundesdisziplinargericht hat durch Beschluß vom 20. Juli 1988 die Anordnungen des Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung … über die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von 10 v.H. der Dienstbezüge aufrechterhalten, weil das förmliche Disziplinarverfahren wirksam eingeleitet worden, bei überschläglicher Prüfung insbesondere wegen der strafgerichtlichen Feststellungen mit der Dienstentfernung des Beamten zu rechnen und bei Einbehaltung von 10 v.H. der Dienstbezüge den Lebensbedürfnissen des Beamten Rechnung getragen worden sei.
Mit seiner am 12. August 1988 eingegangenen Beschwerde wendet sich der Beamte gegen den ihm am 3. August 1988 zugestellten Beschluß des Bundesdisziplinargerichts. Zur Begründung macht er geltend, an der Beschlußfassung habe die Regierungsamtmännin H. als Laufbahnbeisitzerin mitgewirkt. Bei ihr handele es sich um die Ehefrau jenes Herrn H., der in seiner Sache ermittelnd tätig gewesen sei. Es bestehe die begründete Besorgnis der Befangenheit in der Person dieser Beisitzerin. Die Zusammensetzung der Kammer sei ihm vor der Entscheidung nicht bekanntgewesen, so daß er die Bedenken hinsichtlich der Befangenheit der Laufbahnbeisitzerin nicht früher habe äußern können. Im übrigen wiederholt der Beamte sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt insbesondere die Beteiligung eines für ihn unzuständigen Personalrats bei der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Ergänzend trägt er vor, das Bundesdisziplinargericht habe die von ihm bezifferten und belegten Kosten der Verteidigung in seiner Strafsache nicht ausreichend in die Erwägungen mit einbezogen und insoweit ausgeführt, diese Kosten seien weder beziffert noch belegt. Diese Ausführungen seien angesichts der Anlagen 23 bis 26 zu seiner Antragsschrift völlig unverständlich.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 79 BBO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Ablehnungsantrag gegen die Beamtenbeisitzerin H. ist unbegründet. Ausschließungsgründe nach § 51 BDO sind von dem Beamten nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht erkennbar.
Eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet dann statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters – hier der Beamtenbeisitzerin – zu rechtfertigen (§ 25 BDO in Verbindung mit § 24 Abs. 2 StPO). Die Besorgnis, daß die Beamtenbeisitzerin nur deshalb, weil sie die Ehefrau eines Beamten ist, der in der Sache des Beschwerdeführers ermittelt hat, sich bei Wahrnehmung ihrer richterlichen Aufgaben nicht von objektiven Gesichtspunkten leiten lassen könnte, ist nicht gerechtfertigt. Die Ausschließungsregelung in § 51 Satz 1 BDO zeigt zwar, daß persönliche Verhältnisse des Richters oder des Beamtenbeisitzers als geeignet angesehen werden, dessen Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen. Der vorliegende Fall wird von der genannten Vorschrift aber nicht erfaßt. Daß die Beamtenbeisitzerin mit einer Person, die in dem Disziplinarverfahren gegen den Beamten mitgewirkt hat, verheiratet ist, reicht für sich gesehen als Ablehnungsgrund nicht aus. Dazu müßten vielmehr zusätzlich konkrete und vernünftige Gründe vorgetragen werden oder erkennbar sein, die vom Standpunkt des Beamten aus Anlaß geben könnten, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der ehrenamtlichen Richterin bei ihrer richterlichen Tätigkeit zu zweifeln. Daran fehlt es hier, so daß diese Verfahrensrüge nicht durchgreift.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung zu Recht aufrechterhalten. Diese nach § 91 BDO getroffene Anordnung setzt lediglich die – hier von dem Beamten in Zweifel gestellte – Ordnungsmäßigkeit der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens sowie den im gegebenen Fall begründeten Verdacht eines Dienstvergehens voraus, das geeignet ist, das förmliche Disziplinarverfahren zu rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
a) Das förmliche Disziplinarverfahren ist wirksam eingeleitet worden.
Nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 Bundespersonalvertretungsgesetz – BPersVG – vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) wirkt bei der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten auf dessen Antrag der Personalrat mit. Das Verfahren der Mitwirkung richtet sich dann nach § 72 BPersVG. Entgegen der Auffassung des Beamten ist der Personalrat der Luftlandedivision … die für den Beamten zuständige Personalvertretung bei Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Der Präsident der Wehrbereichsverwaltung … hat als die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 BDO sachlich und örtlich zuständige Einleitungsbehörde in einer personellen Angelegenheit, und zwar der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens, entschieden, während Beschäftigungsdienststelle des Beamten die der Wehrbereichsverwaltung … nicht nachgeordnete Luftwaffendivision ist. Für diesen Fall gilt die Vorschrift des § 92 Nr. 1 BPersVG, die auf die besonderen Verhältnisse der Bundeswehr zugeschnitten ist, die dadurch gekennzeichnet sind, daß die Personalangelegenheiten der im militärischen Bereich beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter nicht von ihren Beschäftigungsdienststellen, die militärische Dienststellen sind, sondern von Dienststellen der Bundeswehrverwaltung bearbeitet und entschieden werden. Beide Bereiche, die Streitkräfte und die Bundeswehrverwaltung, sind, wie Art. 87 a und Art. 87 b GG zeigen, voneinander getrennt, so daß die Dienststellen beider Bereiche nicht einander über- oder nachgeordnet sind. Deshalb ändert § 92 Nr. 1 BPersVG den § 82 Abs. 5 BPersVG dahin ab, daß in den Fällen, in denen personelle oder soziale Angelegenheiten von Zivilbeschäftigten militärischer Dienststellen von Dienststellen der Bundeswehrverwaltung entschieden werden, der bei der Beschäftigungsdienststelle gebildete Personalrat von dem Leiter dieser Dienststelle beteiligt wird, nachdem zuvor zwischen dem Dienststellenleiter der Beschäftigungsdienststelle und der zur Entscheidung berufenen Dienststelle der Bundeswehrverwaltung ein Einvernehmen über die beabsichtigte Maßnahme hergestellt worden ist (Beschluß vom 24. Oktober 1975 – BVerwG 7 P 12.73 – ≪Buchholz 238.3 A § 92 BPersVG Nr. 1≫; Beschluß vom 20. Juni 1978 – BVerwG 6 P 5.78 – ≪PersV 1979, 289 ≪292≫≫; Beschluß vom 19. April 1978 – BVerwG 6 P 22.78 – ≪PersV 1979, 191 ≪194≫≫; Beschluß vom 31. Juli 1978 – BVerwG 6 P 23.78 – ≪ZBR 1980, 229 ≪231≫≫; Beschluß vom 20. Juni 1978 – BVerwG 6 P 43.78 – ≪PersV 1979. 333 ≪336≫≫; Beschluß vom 22. August 1979 – BVerwG 6 P 54.78 – ≪PersV 1981, 201≫; Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, BPersVG K § 92 Rdziff. 2, 3 u. 7; Lorenzen/Eckstein, BPersVG, 4. Aufl. Stand: September 1988, § 92 Rdziff. 5, 6 u. 16; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl. 1986, § 92 Rdziff. 2, 3 u. 5; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl. 1978, § 92 Rdziff. 10, 11).
Gleichwohl bestehen Zweifel, ob das Mitwirkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die Vorschrift des § 92 Nr. 1 BPersVG verlangt eine Beteiligung des Personalrats durch den Leiter der Beschäftigungsdienststelle, nachdem zuvor ein Einvernehmen zwischen den Dienststellen über die beabsichtigte Maßnahme hergestellt worden ist. Aus den Akten geht aber hervor, daß die Wehrbereichsverwaltung … mit Schreiben vom 20. Februar 1987 unmittelbar den Personalrat der … Luftwaffendivision … um Mitwirkung gebeten und dieses Schreiben lediglich „über” den Kommandeur der … Luftwaffendivision geleitet hat, obwohl nach dem Gesetzeswortlaut das Beteiligungsverfahren von letzterem hätte eingeleitet werden müssen. Daneben ist ein zwischen dem Präsidenten der Wehrbereichsverwaltung und dem Kommandeur der … Luftwaffendivision „zuvor hergestelltes Einvernehmen” nicht aktenkundig. Im übrigen hat der Personalrat durchaus Einwendungen gegen die beabsichtigte Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens erhoben, indem er gebeten hat, von der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens so lange Abstand zu nehmen, bis ein erstinstanzliches (Straf-)Urteil ergangen ist. Aufgrund dieser ablehnenden Äußerung des Personalrats hätte sich das weitere personalvertretungsrechtliche Verfahren nach der Vorschrift des § 72 Abs. 2 bis Abs. 4 BPersVG richten müssen.
Indes hat es auf die Wirksamkeit der Einleitungsverfügung keinen Einfluß, ob der Personalrat im Wege der Mitwirkung beteiligt worden ist; denn die Beteiligung eines unzuständigen Personalrats oder eine gänzlich unterbliebene Mitwirkung des zuständigen Personalrats oder sonst eine Verletzung der Mitwirkungsvorschriften hat zwar die Fehlerhaftigkeit der Einleitungsverfügung, nicht aber deren Unwirksamkeit zur Folge (Claussen/Janzen, BDO, 5. Aufl. 1985, § 33 Rdziff. 6 c; Dietz/Richardi, a.a.O., § 78 Rdziff. 51; Weinmann, ZBR 1975. 136 ≪139 f.≫ m.w.N.; Peiseler, PersR 1984, 55 ≪58≫). Dies ergibt sich zunächst aus einem Umkehrschluß zur Regelung des § 79 Abs. 4 BPersVG, wonach eine Kündigung unwirksam ist, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Anders als in dem Mitwirkungsfall der ordentlichen Kündigung (§ 79 Abs. 1 BPersVG) fehlt es für den Fall der unterlassenen Mitwirkung des Personalrats bei der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG an einer derartigen gesetzlichen Rechtsfolge. Die beantragte Mitwirkung des Personalrats ist daher nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Läßt die Einleitungsbehörde die Vorschrift über die vom Beamten beantragte Mitwirkung des Personalrats bei Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens unbeachtet, so ist die Einleitungsverfügung dadurch nicht unwirksam. Ein schwerer Verfahrensmangel im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 1 BDO, der zur Einstellung des förmlichen Disziplinarverfahrens zwingen würde, liegt nicht vor. Der Mangel der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung hat auf die Wirksamkeit des förmlichen Disziplinarverfahrens keinen Einfluß; er wird vielmehr durch nachträgliche Durchführung des Mitwirkungsverfahrens geheilt, zu der die Einleitungsbehörde allerdings nach dem Grundsatz der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet ist. Das Ergebnis der Mitwirkung des Personalrats kann die Einleitungsbehörde auch noch nachträglich berücksichtigen (vgl. § 64 Abs. 2 BDO). Dasselbe gilt unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen sogar noch für das Disziplinargericht (§§ 76 Abs. 3 Satz 3, 31 Abs. 4 Satz 5 BDO).
Hierzu läßt die Gegenmeinung (Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., § 78 Rdziff. 18; Fischer/Goeres, a.a.O., K § 78 Rdziff. 21 a), die in einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung bei der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens einen nicht behebbaren Verfahrensmangel sieht, unberücksichtigt, daß die nach § 33 Satz 2 BDO erlassene Einleitungsverfügung eine Prozeßhandlung ist, die lediglich auf Herbeiführung einer Entscheidung, sei es der Einleitungsbehörde gemäß § 64 BDO, sei es des Disziplinargerichts, abzielt. Sie entfaltet rechtliche Wirkung nur als Bestandteil eines gesetzlich besonders geordneten Verfahrens nach der Bundesdisziplinarordnung. Mit diesem durch sie ausgelösten Verfahren wird die Erforschung der Wahrheit und die vollständige Aufklärung des Sachverhalts bezweckt. Die mit der Einleitungsverfügung regelmäßig angeordnete Untersuchung dient der Ermittlung der belastenden, der entlastenden und der für das Disziplinarverfahren sonst bedeutsamen Umstände (§ 56 Abs. 1 Satz 2 BDO). Die Einleitungsverfügung stellt deshalb keine endgültige. in das Beamtenverhältnis unmittelbar eingreifende Entscheidung dar, nimmt diese auch nicht vorweg, sondern soll sie erst herbeiführen. Ihre Berechtigung kann und muß daher nur in dem durch sie eingeleiteten Verfahren nach der Bundesdisziplinarordnung gerichtlich nachgeprüft werden (BDHE 4, 197 ≪199≫; Beschluß vom 29. Dezember 1959 – W DB 22.59 – ≪DÖV 1960, 514≫; Claussen/Janzen, a.a.O., § 33 Rdziff. 9; Behnke, BDO, 2. Aufl., § 33 Rdziff. 5 und 15; Schütz, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, 3. Aufl., Stand: September 1986, DO NW § 33 Rdziff. 7). Eines zusätzlichen, in den Ablauf des Disziplinarverfahrens eingreifenden Rechtsschutzes durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte mittels Zulassung des Verwaltungsrechtsweges bedarf es zudem deshalb nicht, weil der beschuldigte Beamte neben den ihm zustehenden Verteidigungsrechten die rechtsstaatliche Garantie insbesondere dadurch hat, daß eine Disziplinarmaßnahme selbst nur durch das Disziplinargericht und erst nach Durchführung des gerichtlichen Verfahrens verhängt werden kann (BVerwGE 4, 73 ≪75≫).
Schließlich ist selbst die Entlassung eines Beamten auf Probe oder auf Widerruf – vom Dienstherrn erlassene Verwaltungsakte – wegen eines Mangels der vorgesehenen Mitwirkung der Personalvertretung nicht für nichtig, sondern ebenfalls nur für fehlerhaft angesehen (BVerwGE 68, 189 ≪193≫, 197 ≪199≫ jeweils unter Hinweis auf BVerwGE 66, 291) und auch die unterbliebene Anhörung des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme hat nicht zur Annahme eines nicht behebbaren Verfahrensmangels geführt (Beschluß vom 27. April 1983 – BVerwG 2 WDB 2.83 – ≪ZBR 1984, 13 ≪14≫≫; Urteil vom 22. August 1984 – BVerwG 1 D 21.83 – ≪BVerwG Dok. Ber. B 1984, 335≫ m.w.N.). Wenn aber schon die Rechtsstellung des Beamten oder Soldaten unmittelbar tangierende Entscheidungen wegen unterbliebener Beteiligung der Personalvertretung bzw. des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten nicht als nichtig angesehen werden, muß das erst recht für die Einleitungsverfügung als Prozeßhandl ung mit dem ihr eigenen Vorbereitungscharakter gelten.
b) Das bisher unterbliebene Personalgespräch mit dem Beamten hat ebenfalls keinen Einfluß auf die Wirksamkeit der Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Eine Verletzung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, denn dem Beamten ist bereits mit Schreiben der Wehrbereichsverwaltung … vom 10. Juli 1986 die Absicht der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens, der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge mitgeteilt worden, so daß er hinreichend Gelegenheit hatte, sich vor Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 2. Juni 1987 zu den ihm gegenüber bekanntgegebenen Vorwürfen zu äußern.
3. Der begründete Verdacht eines Dienstvergehens im eingangs genannten Sinne ergibt sich für die Einleitungsbehörde aus ihren eigenen Ermittlungen sowie aus den gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts … vom 16. Juli 1987, soweit dieses durch Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 4. März 1988 hinsichtlich der Schuldsprüche wegen Untreue in zwei Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung bestätigt worden ist.
Bei diesen bestehenden Verdachtsgründen liegen die Anordnung und die Aufrechterhaltung der vorläufigen Dienstenthebung im pflichtgemäßen Ermessen der Einleitungsbehörde. Es besteht kein Anhalt dafür, daß diese mit der angeordneten vorläufigen Dienstenthebung die Grenzen des ihr zustehenden pflichtgemäßen Ermessens verkannt oder überschritten, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen im förmlichen Disziplinarverfahren zu beachten ist, nicht berücksichtigt hat. Das dem Beamten vorgeworfene Dienstvergehen wiegt sehr schwer. Die Einleitungsbehörde ist bei Abwägung der berechtigten Belange des Beamten an der Fortsetzung seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Truppenverwaltungsbeamter bei der Luftwaffendivision einerseits und der durch weitere Dienstausübung entstehenden dienstlichen Nachteile andererseits mit Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die weitere Dienstausübung des Beamten nicht vertretbar ist. Die vorläufige Dienstenthebung ist unter Berücksichtigung der im Verfahren nach § 95 Abs. 3 BDO allein möglichen summarischen Bewertung infolge völliger Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Einleitungsbehörde an der Sicherung des Ansehens der Bundeswehrverwaltung in der Öffentlichkeit frei von sachfremden Erwägungen angeordnet worden. Gegenüber diesen vordringlichen dienstlichen Interessen müssen die Belange des Beamten, insbesondere dessen Anspruch auf Ausübung seines Amtes, zurückstehen.
4. Auch soweit die Anordnung der Einleitungsbehörde sich auf die Einbehaltung eines Gehaltsteils gemäß § 92 Abs. 1 BDO bezieht, ist sie dem Grunde nach gerechtfertigt. Die in dem Antragsverfahren nach § 95 Abs. 3 BDO gebotene, ihrer Natur nach summarische, auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beschränkte und für eingehende Beweiserhebungen keinen Raum lassende Prüfung des Sachverhalts ergibt anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, den hinreichend begründeten Verdacht eines Dienstvergehens, das mit ausreichendem Grad von Wahrscheinlichkeit zur Höchstmaßnahme gegen den Beamten führen wird.
Wer über fünf Jahre hinweg das Vermögen seines Dienstherrn veruntreut, indem er unter Verstoß gegen dienstliche Bestimmungen Leistungen an Firmen vergibt und Zahlungen an diese Firmen veranlaßt und dadurch den Dienstherrn in erheblichem Umfang schädigt, der mißbraucht das berufserforderliche Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit so nachhaltig, daß dem Dienstherrn die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses grundsätzlich nicht zugemutet werden kann. Uneingeschränktes Vertrauen in die Ehrlichkeit, Redlichkeit und Zuverlässigkeit eines jeden Beamten ist nicht nur die Grundlage des Berufsbeamtentums, sondern zugleich Voraussetzung einer Verwaltung, die auf Wirksamkeit und Sparsamkeit ausgerichtet ist und sich die Möglichkeiten ständiger und lückenloser Kontrollen daher notwendigerweise versagen muß. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unerläßliche Vertrauensgrundlage zerstört, muß daher grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen, das ausdrücklich als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis bezeichnet und entsprechend inhaltlich ausgestattet ist (§ 2 Abs. 1 BBG). Gewichtige Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme zuließen, sind nicht erkennbar. Angesichts der objektiven Schwere des Dienstvergehens kommt eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nach dem bisherigen Ermittlungsstand mit Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht. Eine weitergehende disziplinare Bewertung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten muß dem förmlichen Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.
Auch gegen die Höhe des einbehaltenen Gehaltsteils ergeben sich keine Bedenken. Die Höhe des Einbehaltungssatzes bestimmt die Einleitungsbehörde im Rahmen des § 92 Abs. 1 BDO nach pflichtgemäßem Ermessen. Daß die Einleitungsbehörde bei Bestimmung der Einbehaltungsquote ermessensfehlerhaft gehandelt hätte, ist nicht ersichtlich. Der verheiratete Beamte, der zwei Kinder hat, von denen eins Anwärterbezüge im mittleren öffentlichen Dienst bezieht, erhält Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 11 von monatlich über 3 750 DM netto. Demgegenüber standen monatliche Belastungen einschließlich Miete sowie verschiedene Versicherungen in Höhe von monatlich 1 843,33 DM sowie eine monatliche Tilgungsrate von 240 DM für einen Bausparvertrag. Dem Beamten verblieben für sich, seine Ehefrau sowie ein Kind monatlich demnach mehr als 1 600 DM zur freien Verfügung. Die Einbehaltungsquote von 10 v.H. seiner Dienstbezüge führt mithin jedenfalls nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Beamten, trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, daß ein vorläufig des Dienstes enthobener Beamter gewisse Einschränkungen seiner Lebensweise hinnehmen muß, andererseits aber auch mit der Dienstverrichtung notwendigerweise verbundene Aufwendungen nicht hat. Es steht allerdings dem Beamten frei, bei der Einleitungsbehörde unter Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse jederzeit eine anderweitige Festsetzung des Einbehaltungssatzes zu beantragen. Die Einleitungsbehörde würde dann die von dem Beamten als zusätzliche Belastung herausgestellten finanziellen Verpflichtungen in Form von Anwaltskosten und dergleichen im Rahmen ihrer Prüfung der persönlichen Lebensumstände und individuellen Bedürfnisse des Beamten und der seiner Familie bei der Errechnung der Einbehaltungsquote im richtigen Maß zu berücksichtigen haben. Hierzu bedarf es jedoch einer konkreten und nachprüfbaren Darlegung der Belastungen des Beamten, soweit sie bisher nicht bereits Beachtung gefunden haben. Es ist angesichts dieser Möglichkeit (vgl. § 95 Abs. 2 BDO) nicht Aufgabe des erkennenden Senats, die Vermögensverhältnisse des Beamten im einzelnen weiter aufzuklären.
5. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.
Unterschriften
Dr. Hartmann, Pellnitz, Sträter
Fundstellen
Haufe-Index 1215807 |
ZBR 1989, 372 |
DVBl. 1989, 778 |