Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 08.10.1998; Aktenzeichen 4 UE 629/94) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 577 168 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Denn sie ist jedenfalls unbegründet.
I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimißt. Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie sind zum Teil nicht klärungsfähig und zum Teil nicht klärungsbedürftig, weil sich das Bundesverwaltungsgericht bereits hinlänglich mit ihnen auseinandergesetzt hat.
1. Die Beschwerde hält für rechtsgrundsätzlich bedeutsam, „ob der Erlaß einer Bebauungsgenehmigung, die hinsichtlich der Erschließung unter bestimmten Maßgaben erfolgt (hier: Bereitstellung der erforderlichen Mittel für den Ausbau des Kanals im Haushalt der Stadt und Sicherstellung des Ausbaus des Kanals und des Wegs), unter Verdichtung der Erschließungslast zur Bindung der Bebauungsgenehmigung für das anschließende Baugenehmigungsverfahren führt, wenn alle Maßgaben der Bebauungsgenehmigung, die im Bescheid zur Erschließung getroffen worden sind, bei Beantragung der Baugenehmigung erfüllt sind”.
Diese Frage würde dem Senat keinen Anlaß zu einer vertieften Erörterung geben. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß die Erteilung einer Baugenehmigung unter Umständen eine Verdichtung der Erschließungslast nach sich ziehen kann. Dies beruht auf der Erwägung, daß eine Baugenehmigung, die nach Maßgabe des Landesrechts die Bauausführung freigibt, obwohl die Erschließung nicht gesichert ist, dazu beiträgt, einen rechtswidrigen Zustand herbeizuführen, sofern von ihr Gebrauch gemacht wird. Sind Unzuträglichkeiten die Folge, denen nur durch Erschließungsmaßnahmen abgeholfen werden kann, so ist es der hierfür mitverantwortlichen Gemeinde gegebenenfalls verwehrt, sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, daß es allein Sache des Betroffenen sei, das Erschließungsproblem zu lösen (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 44.84 – Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. 29, vom 11. November 1987 – BVerwG 8 C 4.86 – BVerwGE 78, 266, und vom 3. Mai 1991 – BVerwG 8 C 77.89 – BVerwGE 88, 166). Diese an enge Voraussetzungen geknüpfte Rechtsprechung läßt sich nicht unbesehen auf einen Bauvorbescheid übertragen. Der Gedanke der Folgenbeseitigung, der dem Umstand Rechnung trägt, daß die Gemeinde an der Entstehung einer mangels Erschließung nicht nutzbaren Bebauung mitgewirkt hat, kommt bei diesem Rechtsinstitut nicht ohne weiteres zum Tragen. Ein Bauvorbescheid scheidet als Ursache für die Entstehung baurechtswidriger Erschließungsverhältnisse, die zu einer Aufgabenverdichtung führen können, jedenfalls dann aus, wenn er im Gegensatz zu einer Baugenehmigung keine Gestattungswirkung entfaltet. Dem Berufungsurteil läßt sich entnehmen, daß der Bauvorbescheid vom 22. Mai 1989 nicht die Befugnis umfaßt, das beabsichtigte Bauvorhaben zu verwirklichen. An diese Rechtsauffassung wäre der Senat in dem von der Beschwerde erstrebten Revisionsverfahren gebunden. Der Bauvorbescheid ist auch in der Form der Bebauungsgenehmigung ein bauordnungsrechtliches Instrument, dessen Reichweite sich nach dem irrevisiblen Landesrecht bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1995 – BVerwG 4 C 23.94 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 213). Im übrigen würde der von der Beschwerde angesprochene Problemkreis in einem etwaigen Revisionsverfahren auch deshalb keine Rolle spielen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts „die Frage der Erschließung in dem Bauvorbescheid ausdrücklich ausgeklammert worden” ist. Die Beschwerde tritt dieser Würdigung freilich entschieden entgegen. Sie läßt es insoweit indes damit bewenden, der Einschätzung des Berufungsgerichts ihre eigene Lesart gegenüberzustellen. Welchen Inhalt der Bauvorbescheid hat, ist nach der Auslegungsregel des § 133 BGB zu ermitteln, die auf Erklärungen von Behörden im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar ist. § 133 BGB gehört zwar dem revisiblen Recht an (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1986 – BVerwG 4 C 28.84 – BVerwGE 74, 15, und vom 22. Januar 1998 – BVerwG 2 C 8.97 – BVerwGE 106, 129). Die Beschwerde macht jedoch nicht geltend, daß die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung fortentwicklungsbedürftig ist. Für kritikwürdig hält sie das Berufungsurteil, weil sie das Auslegungsergebnis mißbilligt, zu dem der Tatrichter aufgrund einer konkreten Einzelfallwürdigung gelangt ist. Sie legt nicht dar, inwiefern ein etwaiges Revisionsverfahren Erkenntnisse erwarten lassen könnte, die über das anhängige Verfahren hinausreichen.
2. Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht mit der Frage auf, „ob eine Gemeinde nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtung zu konsequentem Verwaltungshandeln das Angebot des Bauantragstellers auf Durchführung noch notwendiger Erschließungsmaßnahmen auf eigene Kosten ablehnen darf, wenn die Bebauungsgenehmigung auf der Grundlage eines Bebauungsplanes erteilt worden ist, der nach Stellung des Bauantrages im Wege der Normenkontrolle vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben worden ist, zum Zeitpunkt der Abgabe des Erschließungsangebotes die Nichtigkeitsgründe der Gemeinde aber nicht bekannt waren und auch nicht als Grund für die Ablehnung des Angebotes auf Erschließung angeführt worden sind”.
Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits mehrfach bestätigt hat, wirkt der Erlaß eines qualifizierten Bebauungsplans selbst dann, wenn bauliche Anlagen bereits vorhanden sind, für sich genommen nicht derart auf die Erschließungsaufgabe der Gemeinde ein, daß daraus eine Pflicht zur Erschließung hervorgeht (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1981 – BVerwG 8 C 4.81 – BVerwGE 64, 186, vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 44.84 – a.a.O., und vom 11. November 1987 – BVerwG 8 C 4.86 – a.a.O.). Eine Aufgabenverdichtung kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt sind. Ein solcher Fall ist gegeben, wenn der Erlaß eines Bebauungsplans die Wirkung einer Veränderungssperre hat, deren entschädigungslose Hinnahme einem betroffenen Grundstückseigentümer ausweislich der §§ 17 und 18 BauGB nicht auf unbegrenzte Dauer zumutbar ist. Von einer Sperrwirkung in diesem Sinne kann nur dort die Rede sein, wo ein nach Maßgabe des § 34 oder des § 35 BauGB bebaubares Grundstück durch die Festsetzungen des Bebauungsplans einen Qualitätsverlust erleidet, weil es, bedingt durch die Untätigkeit der Gemeinde mangels hinreichender Erschließung nicht in der im Plan vorgesehenen Weise bebaut werden darf (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1981 – BVerwG 8 C 4.81 – a.a.O., vom 21. Februar 1986 – BVerwG 4 C 10.83 – Buchholz 406.11 § 30 BBauG Nr. 25, und vom 3. Mai 1991 – BVerwG 8 C 77.89 – a.a.O.). Auch wenn der Bebauungsplan keine Sperrwirkung entfaltet, kann er die Grundlage dafür sein, daß sich die gemeindliche Erschließungslast verdichtet. Eine Gemeinde, die einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen hat, handelt gegebenenfalls dem Gebot der Wahrung von Treu und Glauben zuwider, wenn sie die Rechtswirkungen des § 30 BauGB dadurch vereitelt, daß sie die Erschließung hintertreibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10. September 1976 – BVerwG 4 C 5.76 – Buchholz 406.11 § 14 BBauG Nr. 8, und vom 22. Januar 1993 – BVerwG 8 C 46.91 – BVerwGE 92, 8). Erfüllt sie die Erschließungsaufgaben nicht selbst, so verstößt sie unter Umständen gegen Treu und Glauben, wenn sie das Erschließungsangebot eines Dritten ablehnt, dessen Annahme ihr nach den gesamten Umständen des Einzelfalles zumutbar ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1993 – BVerwG 8 C 46.91 – a.a.O., und vom 17. Juni 1993 – BVerwG 4 C 7.91 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 30; Beschluß vom 18. Mai 1993 – BVerwG 4 B 65.93 – Buchholz 406.11 § 30 BauGB Nr. 33). Eine Bebauungsplanung führt in der Kombination mit der Ablehnung eines Erschließungsangebots indes nur dann zu einer Verdichtung der Erschließungslast, wenn sich der Bebauungsplan als rechtswirksam erweist. Ebensowenig wie ein rechtlich unbeachtliches Erschließungsangebot geeignet ist, eine gemeindliche Erschließungspflicht zu begründen, muß eine Gemeinde den Erlaß eines qualifizierten Bebauungsplans als ersten Schritt zur Verdichtung ihrer Erschließungsaufgabe gegen sich gelten lassen, wenn dieser Plan nichtig und deshalb Rechtens gar nicht ausführbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 – BVerwG 8 C 46.91 – a.a.O.). Bestimmt sich die Bebaubarkeit eines im Geltungsbereich eines nichtigen Bebauungsplans gelegenen Grundstücks in Wahrheit nach § 35 BauGB, so darf die Gemeinde nach der Rechtsprechung des Senats das Erschließungsangebot für ein im Außenbereich nicht privilegiertes Vorhaben auch dann ablehnen, wenn die Ausführung öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB nicht beeinträchtigt. Denn die Entscheidung über die Erschließung ist der Gemeinde nicht nur aus Kostengründen, sondern auch deshalb überlassen, weil ihr damit ein Instrument an die Hand gegeben ist, das es ihr ermöglicht, die städtebauliche Entwicklung zu lenken und den Außenbereich vor einem unerwünschten Siedlungsdruck zu bewahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1986 – BVerwG 4 C 30.84 – BVerwGE 74, 19). Die Beschwerde zeigt nicht auf, in welcher Richtung diese Rechtsprechung der Vertiefung oder der Fortentwicklung bedarf.
II. Die Verfahrensrüge genügt nicht den formellen Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde legt nicht dar, welche Verfahrensvorschrift das Berufungsgericht verletzt haben soll. Im übrigen läßt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen, daß das Berufungsurteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Für das Berufungsgericht war nicht entscheidungserheblich, ob der Mariannenweg sich schon in seinem jetzigen Zustand als „normal befahrbare Straße” qualifizieren läßt. Maßgeblich war vielmehr die Erwägung, daß die Hotelanlage, die den Gegenstand des Bauantrages bildet, einer anspruchsvolleren Erschließung bedarf.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Berkemann, Lemmel, Halama
Fundstellen
BauR 2000, 247 |
IBR 2000, 183 |
ZfBR 2000, 70 |
BRS 2000, 701 |