Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 14.01.2005; Aktenzeichen 31 A 178.04) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Kläger beanspruchen die Rückgabe eines Grundstücks, das einem Juwelenhändler jüdischer Herkunft gehörte und am 13. März 1934 im Wege der Zwangsversteigerung von dem 1937 in die NSDAP eingetretenen Alfred K. erworben wurde. Den Rückübertragungsantrag des Rechtsvorgängers der Kläger lehnte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen ab. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, weil für den Eigentumsverlust durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren die gesetzliche Vermutung der ungerechtfertigten Entziehung (Art. 3 Abs. 1 REAO) nicht gelte, ein verfolgungsbedingter Eigentumsverlust nicht habe festgestellt werden können und die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis nicht erfüllt seien. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob für Fälle des Erwerbs des Grundstücks eines jüdischen Eigentümers im Wege der Zwangsversteigerung durch einen Nationalsozialisten der Anscheinsbeweis eines verfolgungsbedingten Eigentumsverlusts bestehe, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass angesichts des bewussten Absehens von einer gesetzlichen Vermutung der Verfolgungsbedingtheit ein Anscheinsbeweis bei Eigentumsverlust durch Zwangsversteigerung allenfalls für besondere Fallgruppen in Betracht kommt. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass der vorliegende Fall Anlass geben könnte, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu präzisieren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die nicht mit einer erfolgreichen Verfahrensrüge angegriffen worden sind, war das Grundstück des Rechtsvorgängers der Kläger aus bereits vor dem 30. Januar 1933 eingetretenen Gründen derart überschuldet, dass auch ein Nichtverfolgter den Verlust des Eigentums durch dessen Zwangsversteigerung nicht hätte abwenden können oder wollen. Angesichts dessen konnte der Umstand, dass ein Nationalsozialist den Zuschlag im Zwangsversteigungsverfahren erhielt, für den Eigentumsverlust schon deshalb nicht kausal sein, weil das Eigentum auch bei Zuschlag an einen nicht den Nationalsozialisten zuzurechnenden Erwerber verloren gegangen wäre. Davon abgesehen setzt der Anscheinsbeweis einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und es rechtfertigt, die besonderen Umstände des Einzelfalls in ihrer Bedeutung zurücktreten zu lassen. Ein den verfolgungsbedingten Eigentumsverlust ausfüllenden typischer Geschehensablauf in der hier in Rede stehenden Fallgruppe entspricht keinem hinreichend tragfähigen Erfahrungssatz, weil der Zuschlag an einen Nationalsozialisten für den Verlust des Grundstückseigentums für den Eigentumsverlust jedenfalls dann nicht kausal war, wenn die Zwangsversteigerung auf wirtschaftlichen Gründen beruhte.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Beschwerde entnimmt dem angegriffenen Urteil den Rechtssatz, der Gesetzgeber habe Beweiserleichterungen unabhängig vom jeweiligen Erwerber nur für Fälle des Eigentumsverlusts durch Veräußerung zugelassen. Eine entsprechende, aus der Sicht des Klägers möglicherweise missverständliche Formulierung findet sich zwar in den Entscheidungsgründen. Auf der darin von der Beschwerde erblickten Abweichung von dem Beschluss vom 14. November 1996 – BVerwG 7 B 286.96 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 95) könnte das angegriffene Urteil aber schon deshalb nicht beruhen, weil die oben zur Grundsatzrüge dargelegten Gründe in einem Revisionsverfahren dazu führen müssten, dass sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig erweisen würde (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Ebenso wenig ist die Revision wegen der behaupteten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Rüge eines Verstoßes gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt nicht den gesetzlichen Darlegungserfordernissen. Die Beschwerde legt nicht dar, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen für die von ihr vermisste Sachaufklärung in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Im Übrigen wiederholt die Beschwerde ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren, wonach der Erwerb des Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren auf verfolgungsbedingten Gründen beruht habe, der Ersteigerer als professioneller Ariseur aufgetreten sei und nach dem Zuschlag mit der V.-Versicherung als Gläubigerin das Fortbestehen der für sie eingetragenen Hypotheken vereinbart habe, sowie ihre Behauptung einer Schuldnerdiskriminierung im Zwangsversteigerungsverfahren. Das Verwaltungsgericht hat dieses Vorbringen in seinem Urteil eingehend gewürdigt. Dass es der Ansicht der Kläger, der Eigentumsverlust beruhe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf verfolgungsbedingten Gründen, nicht gefolgt ist, begründet schon deshalb keinen Verfahrensmangel, weil die entsprechende Sachverhalts- und Beweiswürdigung dem materiellen Recht zugeordnet ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.
Unterschriften
Sailer, Kley, Herbert
Fundstellen