Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 29 A 59.05) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 135,51 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
1.1 Die Beschwerde ist nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach der am 3. März 2008 bewirkten Zustellung des vollständigen Urteils eingelegt worden (§ 133 Abs. 2 VwGO). Auf diese Frist ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden. Der erst am 7. April 2008 bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 1. April 2008 war auch deshalb nicht geeignet die Beschwerdefrist zu wahren, weil er nicht von einem nach § 67 Abs. 1 VwGO zur Vertretung befugten Bevollmächtigten unterzeichnet ist.
1.2 Dem Kläger kann die beantragte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist nicht gewährt werden, weil er den Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt hat, so dass dahinstehen kann, ob er nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war (§ 60 Abs. 1 VwGO).
1.2.1 Der am 24. April 2008 bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wahrt die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO selbst dann nicht, wenn das Vorbringen des Klägers zu Grunde gelegt wird. Entgegen der Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 2. Juli 2008 ist für den Wiedereinsetzungsantrag nicht auf die Monatsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 VwGO abzustellen, weil der Kläger nicht die Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat (diese lief erst am 5. Mai 2008 ab und ist von dem Kläger gewahrt worden), sondern die Einlegungsfrist. Für die Einlegungsfrist verbleibt es indes bei der 2-Wochen-Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO.
Für die Berechnung der Wiedereinsetzungsfrist ist davon auszugehen, dass, soweit seine chronische und die hinzutretende akute Erkrankung den Kläger an einer fristgerechten Rechtsverfolgung gehindert haben sollten, dieses durch Krankheit bedingte Hindernis – nicht die Erkrankung selbst – jedenfalls am 1. April 2008 weggefallen war. Denn der Kläger war bereits unter dem 1. April 2008 in der Lage, einen längeren Schriftsatz zu verfassen und hierzu im Vorfeld telefonischen Kontakt mit dem Verwaltungsgericht aufzunehmen. Damit war spätestens zu diesem Zeitpunkt der geltend gemachte Hinderungsgrund auch für die frist- und sachgerechte Rechtsverfolgung entfallen. Dass der Kläger in der Verfügung des Verwaltungsgerichts vom 9. April 2008, durch die er in Reaktion auf sein Schreiben vom 1. April 2008 auf die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden ist, nicht auf die Fristversäumung und – nochmals – das Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 1 VwGO ausdrücklich hingewiesen worden ist, ist für den Lauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag ebenso unerheblich wie der Umstand, dass er seine nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten erst am 14. April 2008 beauftragt hat, zumal bei unterstelltem Wegfall des Hindernisses erst am 1. April 2008 zu diesem Zeitpunkt die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag noch nicht abgelaufen war.
Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger auch in der Zeit vom (jedenfalls) 1. April bis zum 9. April 2008 (also zwei Wochen vor Eingang des Wiedereinsetzungsantrages) aus Krankheitsgründen außerstande gewesen ist, selbst oder unter Einschaltung Dritter den Rat eines Rechtsanwalts einzuholen bzw. diesen mit der Rechtsverfolgung zu beauftragen bzw. unter Abwägung des Für und Wider eine sachgemäße Entscheidung über die Rechtsverfolgung zu treffen. Dabei ist zu beachten, dass eine Krankheit nur dann als Grund für eine “nicht verschuldete” Versäumung einer Rechtsmittelfrist durchgreift, wenn sie so schwer war, dass der von ihr betroffene Verfahrensbeteiligte nicht bloß unfähig war selbst zu handeln, sondern auch außerstande war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen und im gebotenen Umfange zu informieren (Beschluss vom 27. September 1993 – BVerwG 4 NB 35.93 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 185). Dies hat der Kläger – zumindest für den vorbezeichneten Zeitraum – zwar allgemein behauptet, aber nicht substantiiert vorgetragen und auch nicht glaubhaft gemacht. Bereits die Schilderung der langen Leidensgeschichte und der Art der – chronischen wie der akuten – Erkrankung lassen nicht erkennen, dass er im maßgeblichen Zeitraum nach den insoweit zu stellenden hohen Anforderungen in rechtlichen Angelegenheiten handlungsunfähig gewesen ist. Insoweit vernachlässigt das Klägervorbringen, dass sich der Kläger zur zweckgerichteten Rechtsverfolgung auch der Hilfe Dritter zu bedienen hatte sowie Kommunikationsmittel wie z.B. das Telefon, zu dessen Bedienung er jedenfalls kurz vor dem 1. April 2008 in der Lage gewesen ist, hätte bedienen können und müssen.
Selbständig tragend kommt hinzu, dass sich Art und Schwere der Erkrankung in dem maßgeblichen Zeitraum lediglich aus dem Vorbringen des Klägers selbst erschließen und nicht durch Vorlage ärztlicher Atteste belegt sind. Dies gilt bereits für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus am 27. Februar 2008 bis zum 1. April 2008, für die der Kläger zwar den weiteren Behandlungsverlauf und hierbei aufgetretene Schwierigkeiten schildert, aber keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür bezeichnet, dass er krankheitsbedingt selbst zu der Entscheidung außerstande gewesen sein soll, ob er sich der Mithilfe seiner Ehefrau oder Dritter hätte bedienen wollen. Das Vorbringen, dass es nicht Aufgabe Dritter sei, für den Kläger die Rechtswahrnehmung zu übernehmen und seine Ehefrau nicht in die schwierige Materie eingearbeitet gewesen und zudem mit der Sorge und Pflege um den Kläger sowie ihrer eigenen Arbeit als Lehrerin ausgelastet gewesen sei, weist vielmehr darauf, dass er entsprechende Versuche nicht unternommen oder ernsthaft erwogen hat. Dagegen, dass seine Erkrankung ursächlich für die Versäumung der Frist gewesen sei, spricht durchgreifend auch das Vorbringen (Schriftsatz vom 2. Juli 2008, S. 4), dass er erst am 14. April 2008 erfahren habe, dass er eine Frist versäumt hätte.
1.2.2 Bei dieser Sachlage ist der Frage nicht weiter nachzugehen, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass das geltend gemachte Hindernis jedenfalls am 1. April 2008 – und damit noch vor Ablauf der für die Prozesshandlung vorgeschriebenen Frist – weggefallen war (s. dazu Beschluss vom 16. Februar 1999 – BVerwG 8 B 10.99 – NVwZ-RR 1999, 472), zumal die insoweit nicht substantiierten Angaben des darlegungspflichtigen Klägers zum Krankheitsverlauf auch nicht die Annahme tragen, das krankheitsbedingte Hindernis habe bis unmittelbar vor diesem Datum angedauert.
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat – ihre Zulässigkeit unterstellt – auch in der Sache keinen Erfolg. Denn der allein geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung ist bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und liegt jedenfalls nicht vor.
2.1 Der Kläger rügt als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor allem, dass es das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, den Sachverhalt durch ein Sachverständigengutachten weiter aufzuklären.
Die mit der Beschwerde mithin in erster Linie erhobene Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO erfordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (s. etwa Beschluss vom 13. Juli 2007 – BVerwG 9 B 1.07 –).
Eine derartige substantiierte Darlegung enthält die Beschwerdebegründung nicht. Soweit diese Rüge darauf gestützt wird, dass es das Verwaltungsgericht im Laufe des Verfahrens selbst für erforderlich gehalten habe, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben und es sich hieran festhalten lassen müsse, nachdem sich die von dem Finanzamt P… eingeholte Auskunft zum Hilfswert gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 EntschG als (zumindest) teilweise nicht verwertbar erwiesen habe, setzt sie sich nicht hinreichend mit den Gründen auseinander, die das Verwaltungsgericht dazu bewogen hatten, von einer weiteren Beweiserhebung abzusehen. Das Verwaltungsgericht, das nach dem Nichtzustandekommen des in der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2006 vorgeschlagenen Vergleichs ein Bewertungsgutachten eines Finanzamtes eingeholt hatte, hatte in dem Vergleichsvorschlag vom 11. Oktober 2007 angezeigt, dass für den Fall, dass ein Vergleich nicht zustande komme, die Einholung eines Sachverständigengutachtens voraussichtlich nicht erforderlich sein werde, und ist hiervon in den Folgeverfügungen auch in Ansehung des Vorbringens des Klägers, er bestehe auf einer “Einschaltung eines baukundigen Sachgutachters”, nicht abgerückt. Das Verwaltungsgericht hat in detaillierter Auseinandersetzung mit den für die Wertbemessung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen einen Hilfswert bestimmt. Dass es hierfür nicht durchgängig den Ansätzen und Berechnungen des Klägers gefolgt ist, weist nicht auf einen Verfahrensfehler. Der Sache nach richtet sich das Beschwerdevorbringen dagegen, dass das Verwaltungsgericht sich selbst in der Lage gesehen hat, sich mit dem Gutachten des Finanzamtes auseinanderzusetzen und in Bezug auf Teilpositionen “aufgrund eigener Sachkunde unter Berücksichtigung aller vorliegenden Akten” (Verfügung vom 17. Dezember 2007) zu korrigieren, und so selbst den erforderlichen Hilfswert zu bestimmen; dies betrifft die dem materiellen Recht zuzurechnende Anwendung bewertungsrechtlicher Vorschriften durch das Verwaltungsgericht und hinsichtlich der zu Grunde gelegten Tatsachen zum Zustand der baulichen Anlagen dessen Beweiswürdigung. In welchen Punkten sich das Verwaltungsgericht hier eine Sachkunde angemaßt haben sollte, über die es tatsächlich nicht verfügt hat (oder verfügen konnte), erschließt sich aus dem Beschwerdevorbringen selbst dann nicht, wenn auch das Vorbringen in dem von dem nicht postulationsfähigen Kläger selbst übermittelten Schriftsatz vom 1. April 2008 berücksichtigt wird.
2.2 Die in der Beschwerdebegründung und den nachfolgenden Schriftsätzen enthaltenen Angriffe auf die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung zeigen ebenfalls keinen Verfahrensmangel auf. Etwaige Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig nicht dem Verfahrens-, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 – BVerwG 9 B 710.94 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Für einen als Verfahrensfehler denkbaren formellen Begründungsmangel (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2, § 138 Nr. 6 VwGO) ist nichts dargetan und ersichtlich. Die – zudem nach Fristablauf – erhobene Rüge, die Tatsacheninstanz habe wesentliche Bekundungen des Klägers nicht berücksichtigt (dies betreffe vor allem sämtliche Angaben und Korrekturen des Klägers gegenüber dem Gericht hinsichtlich der Grundstücksbewertung), ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, darzulegen. Ausschließlich die nicht mit der Verfahrensrüge angreifbare Anwendung und Auslegung materiellen Rechts betrifft auch das Vorbringen zur – vermeintlich – doppelten Anrechnung bereits bewilligter Entschädigungsleistungen, das die von § 7 Abs. 2 EntschG vorgeschriebene Berechnung der Entschädigung verkennt.
2.3 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt – in Bezug auf die vom Kläger zu tragende Kostenlast zu dessen Gunsten –, dass das Verwaltungsgericht das Begehren des Klägers dahin bewertet hat, er erstrebe eine weitere Entschädigung in Höhe von 13 293,59 €, von der das Verwaltungsgericht einen Teilbetrag von 7 158,08 € zugesprochen und den Streitwert entsprechend festgesetzt hat. Die Einwendungen im Schriftsatz vom 16. Juli 2008 gegen die Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht rechtfertigen mit Blick auf § 47 Abs. 2 GKG auch deswegen keine andere Beurteilung, weil diese Streitwertfestsetzung nicht Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist, in dem sachlich der Streitgegenstand nicht erweitert werden kann (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO ≪analog≫).
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen