Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbau des Bundesfernstraßennetzes. Bedarfsplan. Bindungswirkung. Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bedarfsplan für den Fernstraßenausbau wie auch die Aufnahme eines Fernstraßenausbauvorhabens in den Bedarfsplan bedarf nicht der Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Auch die Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie) verlangt dies nicht.

 

Normenkette

FStrG § 1 Abs. 1, § 16 Abs. 2; FstrAbG § 1 Abs. 2; UVPG § 2 Abs. 3, § 15; Richtlinie 85/337/EWG Art. 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.02.1997; Aktenzeichen 1 C 11558/94)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Februar 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 23.057 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Die Frage, ob vor Aufnahme eines Fernstraßenvorhabens in den Bedarfsplan gem. § 1 Abs. 2 FStrAbG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß, rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und der bisherigen Rechtsprechung ohne weiteres zu verneinen ist.

Die gegenteilige Ansicht der Kläger beruht auf einem Mißverständnis. Sie meinen, ein Blick in den dem FStrAbG als Anlage beigefügten Bedarfsplan zeige, daß die Linie der zu bauenden Fernstraße im Bedarfsplan bestimmt sei. Verneine man die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung vor Aufnahme in den Bedarfsplan, so bestünde ein Normwiderspruch zwischen § 15 Abs. 1 UVPG und § 16 Abs. 2 FStrG.

Diese Annahme ist nicht zutreffend. Der Bedarfsplan des Fernstraßenausbaugesetzes enthält noch keine Bestimmung der Linienführung der Fernstraßen im Sinne von § 16 FStrG, sondern lediglich die Darstellung des zusammenhängenden Verkehrsnetzes, das einem weiträumigen Verkehr dienen soll.

Entsprechend seiner Funktion enthält der Bedarfsplan ein globales und grobmaschiges Konzept, das für die nachfolgenden Verfahren der Linienbestimmung und der Planfeststellung noch weite planerische Spielräume beläßt (vgl. Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113). Mit der Aufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan wird im übrigen nur die Feststellung verbindlich, daß das Vorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG entspricht (Bedarfsfeststellung). Der Bedarfsplan trifft somit nicht bereits eine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens, sondern nur über eine der tatbestandlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit (vgl. auch BVerfG, Beschluß vom 19. Juli 1995 – 2 BvR 2397/94 – NVwZ 1996, 261). In dem gestuften Planungsverfahren, das der Planfeststellung eines Fernstraßenbaus zugrunde liegt, unterfällt erst die Stufe der Linienbestimmung der UVP-Pflicht, nicht aber bereits die Stufe der Bedarfsfeststellung. Das ergibt sich eindeutig aus der in § 2 Abs. 3, § 15 UVPG getroffenen Regelung. Diese Regelung steht auch in Einklang mit der Richtlinie 85/337/EWG, nach deren Art. 1 Abs. 1 sich die Umweltverträglichkeitsprüfung auf bestimmte öffentliche und private Objekte bezieht, von denen möglicherweise erhebliche Umweltauswirkungen ausgehen. Planerische Vorstufen eines konkreten Objekts werden dagegen nicht aufgeführt. Der nationale Gesetzgeber handelt somit nicht richtlinienwidrig, wenn er die Umweltverträglichkeitsprüfung erst auf der letzten Stufe vorsieht; er ist aber auch nicht gehindert, die Umweltverträglichkeitsprüfung bereits auf einer früheren Stufe – wie hier bei der Linienbestimmung – einsetzen zu lassen (vgl. Beschluß vom 14. Mai 1996 – BVerwG 7 NB 3.95 – Buchholz 406.251 § 2 UVPG Nr. 3 = DVBl 1997, 48). Eine UVP-Pflichtigkeit für den Bedarfsplan läßt sich der genannten Richtlinie somit keinesfalls entnehmen.

Die Abweichungsrügen greifen ebenfalls nicht durch. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt. Die Beschwerde übersieht, daß die von ihr zitierten früheren Ausführungen des Senats zum Verhältnis des Bedarfsplans zur Planrechtfertigung (vgl. BVerwGE 71, 166; 72, 282) zum Fernstraßenausbaugesetz in der seinerzeit geltenden Fassung gemacht worden sind. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in diesem Verfahren beziehen sich indes auf das Fernstraßenausbaugesetz in der seit 1. Juli 1990 geltenden Fassung. Danach konkretisiert der Bundesgesetzgeber den Bedarf im Sinne der Planrechtfertigung für die in den Bedarfsplan aufgenommenen Vorhaben mit bindender Wirkung auch für die Gerichte. Der Senat hat dazu ausgeführt, daß diese Regelung mit Art. 14 Abs. 3 GG vereinbar ist, weil die Aufnahme in den Bedarfsplan nur hinsichtlich des Verkehrsbedarfs bindend ist, nicht jedoch hinsichtlich der Frage, ob andere öffentliche oder private Belange dem Vorhaben entgegenstehen (vgl. Urteil vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – BVerwGE 98, 339 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 102; Urteil vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 107). Von dieser Rechtsprechung weicht das Erstgericht nicht ab, es wendet sie vielmehr ausdrücklich an.

Auch hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunktes für die Überprüfung der dem Bedarfsplan zugrundeliegenden Verkehrsdaten liegt eine Divergenz nicht vor. Das Erstgericht stellt nicht in Frage, daß auch eine nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses feststellbare Veränderung der Basiszahlen für die gerichtliche Überprüfung des Verkehrsbedarfs von Bedeutung sein kann. Unter ausdrücklichem Hinweis auf das Urteil vom 27. November 1996 – BVerwG 11 A 99.95 – (LKV 1997, 213) hält es eine solche nachträgliche Veränderung aber nur für beachtlich, wenn sie so gravierend sei, daß das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd noch erreicht werden könne. Diese Voraussetzung hätten die Kläger jedoch nicht dargetan; sie seien – wie näher ausgeführt wird – auch durch den Wegfall des US-Stützpunktes Bitburg nicht erfüllt (vgl. UA S. 47 ff.). Diese Ausführungen lassen eine Divergenz zu der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. auch BVerwGE 100, 238/254) nicht erkennen.

Schließlich bleibt auch die Aufklärungsrüge erfolglos. Für den Umfang der Aufklärungspflicht kommt es darauf an, ob die beantragte Beweiserhebung nach der vom Tatsachengericht zum materiellen Recht vertretenen Ansicht entscheidungserheblich ist. Das Erstgericht hat näher dargelegt (vgl. UA S. 49 f.), aus welchen rechtlichen Erwägungen heraus es dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht nachgekommen ist. Der Beschwerde kann angesichts dieser Ausführungen ein Aufklärungsmangel des Erstgerichts nicht entnommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 3 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Hien, Rojahn

 

Fundstellen

DÖV 1998, 160

NZV 1998, 262

NuR 1998, 94

UPR 1998, 72

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