Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 8 A 814/96.A) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1, 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig zunächst die Frage, ob die Wehrdienstentziehung nichtassimilierter Kurden aus der Türkei die Gefahr politischer Verfolgung mit Rücksicht auf das als völkerrechtswidrig anzusehende Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte jedenfalls dann begründe, wenn weitere Umstände bei den türkischen Sicherheitsbehörden den Verdacht der PKK-Unterstützung begründeten (Beschwerdebegründung S. 7). Die Beschwerde zeigt schon nicht auf, dass sich diese Frage mit den von ihr zusätzlich genannten tatsächlichen Bedingungen auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Im Übrigen zielt die Frage in erster Linie auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Einschätzung der Rückkehrgefahr wegen der geltend gemachten Wehrdienstentziehung des Klägers. Auf eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung führt dies nicht.
Entsprechendes gilt für die ferner von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Beurteilung der Rückkehrgefährdung des Klägers im Hinblick auf seine exilpolitische Betätigung im Zusammenhang mit weiteren, ihn nach Auffassung der Beschwerde gefährdenden persönlichen Merkmalen (Beschwerdebegründung S. 9) und zum Erkennbarwerden eines „Verfolgungsprogramms” des türkischen Staates gegenüber nichtassimilierten Kurden aus den kurdischen Siedlungsgebieten im Westen der Türkei seit Einstellung des Guerillakampfes und der bewaffneten Anschläge durch die PKK im Sommer 1999 (Beschwerdebegründung S. 15). Auch damit benennt die Beschwerde keine klärungsfähigen Rechtsfragen, sondern zielt auf die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei.
Soweit die Beschwerde die Voraussetzungen für die Annahme einer unmittelbaren Gruppenverfolgung (Beschwerdebegründung S. 13) auf der einen und die für die hinreichende Sicherheit vor Verfolgung im Westen der Türkei auf der anderen Seite (a.a.O. S. 14) für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, legt sie wiederum nicht dar, dass sich diese Fragen auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts in dem erstrebten Revisionsverfahren stellen würden. Entsprechender Darlegungen hätte es aber schon deshalb bedurft, weil das Berufungsgericht zur Frage der Gruppenverfolgung der Kurden in der Türkei ausschließlich auf sein Grundsatzurteil vom 25. Januar 2000 verweist. Unabhängig hiervon kann die auf die Voraussetzungen für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung gerichtete Frage auch deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, weil diese Voraussetzungen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrundsätzlich geklärt sind. Wie der Senat vor allem in dem Urteil vom 5. Juli 1994 (BVerwGE 96, 200) im Einzelnen ausgeführt hat, erfordert die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung eine bestimmte Verfolgungsdichte, welche durch hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht, ersetzt werden kann (a.a.O. S. 203 f.). Auch die von der Beschwerde angesprochene Frage, ob für sich betrachtet nicht asylrelevante Maßnahmen hierbei zu berücksichtigen sind, hat der Senat in dieser Entscheidung bereits beantwortet. Er hat dort ausgeführt, dass bei der im Rahmen einer „Gesamtschau” vorzunehmenden Bewertung „auch weitere nicht unmittelbar zum Verfolgungsgeschehen gehörende Umstände – wie für sich betrachtet nicht asylrechtlich erhebliche weitere Übergriffe und Diskriminierungen, allgemeine politische Entwicklungen und sonstige Lageeinschätzungen – indiziell zu berücksichtigen und zu verarbeiten” sind. Zu beachten bleibe aber, „daß auch bei einer Gesamtschau nur asylrechtlich beachtliche Maßnahmen die Beurteilung der Verfolgungssituation als Gruppenverfolgung rechtfertigen können” (a.a.O. S. 208). Darüber hinausführende verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen zeigt die Beschwerde hierzu nicht auf. Auch die von der Beschwerde zur Bestimmung der inländischen Fluchtalternative im Westen der Türkei aufgeworfene Frage (Beschwerdebegründung S. 14) ist in der Rechtsprechung des beschließenden Senats im Sinne der Fragestellung geklärt. Der Senat hat in seinem Urteil vom 30. April 1996 zur Frage der Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei hierzu ausgeführt, „daß bei der Prüfung der Verfolgungssicherheit auf die Gesamtzahl der in andere Landesteile ausgewichenen Mitglieder der gefährdeten Gruppe abzustellen ist, also eine neuerliche Verfolgungsgefahr nicht allein mit dem Hinweis darauf ausgeschlossen werden kann, daß insgesamt ca. 6 bis 10 Millionen Kurden außerhalb des Südostens der Türkei weitgehend friedlich und unbehelligt leben können” (BVerwG 9 C 170.95 – BVerwGE 101, 123 ≪132≫). Im Übrigen führt auch diese Frage in erster Linie auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Klärung der politischen Verhältnisse in dieser Region, auf deren Grundlage erst sich die Auswahl der richtigen Bezugsgröße für festgestellte Referenzfälle bestimmen lässt.
Mit der Behauptung, „das Urteil weicht von den oben zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruht hierauf” (Beschwerdebegründung S. 15), genügt die Beschwerde offensichtlich nicht den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge.
Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger
Fundstellen