Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 9 S 2176/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. November 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 294,56 DM festgesetzt.
Gründe
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diese ermöglichen es nicht, die Revision zuzulassen.
1. Der Kläger beruft sich allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende, fallübergreifende Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt zudem, daß die grundsätzliche Bedeutung dargelegt wird. Dies erfordert die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll.
Der Kläger ist unter Befreiung von der Residenzpflicht als Rechtsanwalt bei dem Landgericht Freiburg und dem Amtsgericht Lörrach zugelassen, wohnt jedoch in der Schweiz, wo er als Diplombücherexperte (Wirtschaftsprüfer) tätig ist und wegen dieser Tätigkeit als Zwangsmitglied der schweizerischen Sozialversicherung angehört. Mit seiner Klage wendet er sich gegen seine Heranziehung zu Beiträgen für die vom Beklagten durchgeführte Alters- und Risikoversorgung. Vor diesem Hintergrund hält er folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
- Dürfen Auslandsanwälte jedenfalls dann, wenn sie im Gastland von Staats wegen einer Alters- und Risikoversorgung unterworfen werden, zusätzlich noch im Heimatland einer im Prinzip vollen und damit doppelten Alters- und Risikoversorgung unterworfen werden? Ist dies nicht jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Auslandsversorgung der inländischen gleichwertig ist?
- Ist es nach den Grundsätzen des internationalen Sozialversicherungsrechts zulässig, daß eine inländische Gebietskörperschaft das im Ausland erzielte Einkommen von Gebietsausländern zu einer inländischen Alters- und Risikoversorgung mittels des Anknüpfungsmerkmals „inländische Rechtsanwaltszulassung” heranzieht?
- sinngemäß: Gehört das landesrechtlich geregelte berufsständische Versorgungsrecht zum Sozialversicherungsrecht im Sinne des Art. 74 GG mit der Folge, daß Bundesrecht die Doppelbelastung nicht unter das Sozialgesetzbuch fallender (Gebiets-)Ausländer durch deren Pflichtmitgliedschaft in inländischen Versorgungseinrichtungen untersagt?
2. Keine dieser Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision.
Die vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Beiträge gehören ausschließlich dem nicht revisiblen Landesrecht an. Die Revision kann folglich nur zugelassen werden, wenn der Beschwerde zu entnehmen ist, daß die Auslegung und Anwendung dieser landesrechtlichen Vorschriften auf Bundesrecht führt, das seinerseits in einer vom Beschwerdeführer darzulegenden Weise klärungsbedürftig ist (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Dabei genügt es nicht, daß der Kläger Bundesrecht – hier: Art. 3 und Art. 12 GG – für anwendbar und verletzt hält und für seine Auffassung verfassungsrechtliche Erwägungen anführt. Hinzu kommen muß ein Hinweis darauf, daß das Bundesrecht selbst klärungsbedürftig ist (Beschlüsse vom 12. Mai 1993 – BVerwG 1 B 95.92 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 24 und vom 17. August 1994 – BVerwG 1 B 146.94 –). Die Beschwerde enthält derartige Hinweise nicht.
a) Zur ersten Frage meint der Kläger, sie betreffe Art. 3 und Art. 12 GG und verdanke ihre Entstehung der Zulassung von Auslandsrechtsanwälten (§ 29 a BRAO). Es verletze, so meint er, den Gleichheitsgrundsatz, wenn ihm als Auslandsrechtsanwalt mit ausländischer Pflichtversicherung das Doppelte dessen abverlangt werde, was ein inländischer Rechtsanwalt aufzubringen habe. Aus diesen Darlegungen geht nicht hervor, inwiefern Bundesrecht klärungsbedürftig ist.
Die Heranziehung des im Ausland wohnenden Klägers zu Beiträgen zu einem inländischen Versorgungswerk beruht allein auf seiner Zugehörigkeit zu einer inländischen Rechtsanwaltskammer, die mit seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei einem deutschen Gericht zwangsläufig (§ 60 Abs. 1 BRAO) verbunden ist. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob es zulässig ist, daß der Kläger, der bei einer ausländischen gesetzlichen Sozialversicherung beitragspflichtig ist, wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit auch von dem Beklagten zu Versorgungsbeiträgen herangezogen wird. Wenn z.B. ein nebenberuflich als selbständiger Rechtsanwalt tätiger Angestellter, der aufgrund seiner hauptberuflichen Angestelltentätigkeit bereits Zwangsmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, daneben auch Zwangsmitglied ohne Befreiungsmöglichkeit in einem berufsständischen Versorgungswerk ist, so erfordert Bundesrecht nach der Rechtsprechung des Senats lediglich, daß dabei auf die wirtschaftliche Belastbarkeit des Mitgliedes Rücksicht genommen und eine unzumutbare Überversorgung vermieden wird (Beschluß vom 30. August 1996 – BVerwG 1 B 29.96 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 35). Das hat auch hier zu gelten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte dem aber Rechnung getragen, indem er den Kläger lediglich mit dem Mindestbeitrag von 107,88 DM monatlich veranlagt hat. In der schweizerischen Sozialversicherung wird der Kläger lediglich zu einem Jahresbeitrag von 360 Schweizer Franken herangezogen. Den Ausführungen des Klägers sind weder nachprüfbare Tatsachen dafür zu entnehmen, daß ihn die gleichzeitige Aufbringung beider Beiträge unzumutbar belastet, noch macht er substantiiert geltend, daß die aus beiden Versorgungsquellen insgesamt zu erwartende Versorgung zu einer unzumutbaren Überversorgung führen werde. Die Überlegungen des Klägers, wie die Frage zu beurteilen wäre, wenn er vom Beklagten nicht lediglich zu einem Mindestbeitrag, sondern zum vollen Beitrag herangezogen würde, können in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, da der Beklagte dies nicht getan hat. Der Umstand, daß der Kläger im Ausland eine dort sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt, führt demgemäß nicht auf eine den Gleichheitssatz berührende Frage.
Auch die ergänzende Frage, ob es zulässig wäre, den Kläger einer „vollen und damit doppelten” Alters- und Risikoversorgung zu unterwerfen, wenn die Auslandsversorgung der inländischen gleichwertig ist, führt nicht auf klärungsbedürftiges Bundesrecht. Nach seinen Angaben übt der Kläger auch in der Schweiz nur eine geringfügige Beschäftigung aus und unterliegt dort lediglich wie jeder andere erwachsene Einwohner der Volksversicherung. Mit den von ihm geleisteten Beiträgen erzielt er nicht zwei „volle” Alters- und Invaliditätsversorgungen, wie noch darzulegen ist.
b) Seine zweite Frage erläutert der Kläger dahin, es sei nicht angängig, das Einkommen aus seiner Rechtsanwaltstätigkeit heranzuziehen, da auch sonst das Arbeitseinkommen von Gebietsausländern weder zur Sozialversicherung noch zur Einkommensteuer herangezogen werde. Der Heranziehung „ausländischer” Anwälte zu einer deutschen Altersversorgung stehe das Willkürverbot bzw. die fehlende Gesetzgebungskompetenz entgegen. Auch damit wird eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts nicht dargelegt.
Wie bereits erwähnt, knüpft die Beitragspflicht des Klägers an seine Zugehörigkeit zu einer inländischen Rechtsanwaltskammer an, die ihrerseits auf dem freiwilligen Entschluß des Klägers beruht, seine inländische Zulassung als Rechtsanwalt zu beantragen. Ob er Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt erzielt, ist – anders als im Sozialversicherungs- und Steuerrecht – kein Anknüpfungskriterium für die Beitragspflicht als solche, sondern allenfalls für deren Umfang. Deshalb lassen sich im Sozialversicherungsrecht getroffene Regelungen weder auf das berufsständische Versorgungsrecht übertragen, noch folgt daraus eine zu weiterer Klärung Anlaß gebende Ungleichbehandlung. Der Verweis des Klägers auf den geringen Umfang seiner in Deutschland ausgeübten Tätigkeit führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Mit der Zulassung hat er nicht nur die Rechte, sondern auch die Pflichten eines deutschen Rechtsanwalts zu übernehmen, wozu nach Maßgabe des Landesrechts auch die Verpflichtung gehören kann, sich durch eigene Beiträge an den Lasten einer auf dem Solidaritätsprinzip gründenden berufsständischen Versorgungseinrichtung zu beteiligen.
c) Die dritte Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, wieso es auf ihre Beantwortung ankommt. Der Kläger führt aus, daß das Sozialversicherungsrecht die Befreiung von Mitgliedern berufsständischer Versorgungswerke von der gesetzlichen Versicherungspflicht vorsehe und damit den berufsständischen Versorgungswerken ihre Betätigung überhaupt erst ermögliche; hieraus sei zu folgern, daß diejenigen Berufsangehörigen von einer Mitgliedschaft in berufsständischen Versorgungswerken zwingend freizustellen seien, denen eine Befreiung in der gesetzlichen Sozialversicherung nicht gewährt werde. Nach den erläuternden Ausführungen des Klägers zielt die Frage darauf, ob eine doppelte Alters- und Risikosicherung nicht schon wegen geschriebenen Bundesrechts unzulässig ist. Auch sie rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Von einer Doppelversorgung könnte nur die Rede sein, wenn jede der beiden Versorgungseinrichtungen dem Kläger eine „volle” Versorgung garantierte. Denn ohne Rücksicht darauf, ob das berufsständische Versorgungsrecht zum Sozialversicherungsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) oder – im Falle des Klägers – zum Recht der Rechtsanwaltschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) zu rechnen ist oder als öffentlich-rechtliche Versicherung eigener Art nach Art. 70 Abs. 1 GG Landesrecht unterfällt und damit speziellen bundesrechtlichen Vorgaben nicht unterliegt (vgl. Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 1 C 11.89 – BVerwGE 87, 324 ≪325 f.≫), verfolgt das berufsständische Versorgungsrecht wie das Sozialversicherungsrecht das grundsätzliche Ziel, den ihm unterworfenen Zwangsmitgliedern eine von der Höhe der geleisteten Beiträge abhängige angemessene Versorgung zu bieten. Beide sind Teile des Systems der sozialen Sicherung und erfüllen damit eine öffentliche Aufgabe (BVerfG, NJW 1997, 1634). Befreiungsvorschriften, die sich in den einschlägigen Regelungen finden, sind an diesem Leitgedanken orientiert und setzen daher regelmäßig voraus, daß die jeweils andere Versorgung bestimmten Mindestanforderungen genügt (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; ebenso § 6 der Satzung des Beklagten). Die Versorgung, die der Beklagte dem Kläger bietet, kann im Hinblick auf die geringe Höhe der geforderten Beiträge nur eine ergänzende sein. Ob die mit einem Monatsbeitrag von 30 Schweizer Franken in der Schweiz zu erreichende Versorgung eine Vollversorgung darstellt, wie der Kläger behauptet, kann unter diesen Umständen offenbleiben; jedenfalls bieten beide Versorgungen zusammen keine „Doppelversorgung” im Sinn einer doppelten Abdeckung einer normalen, berufsbezogenen Vollversorgung. Im übrigen ist geklärt, daß es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt, wenn sich die Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk auch auf in der gesetzlichen Angestelltenversicherung pflichtversicherte Berufsangehörige erstreckt (Beschlüsse vom 22. Mai 1970 – BVerwG 1 B 66.68 – Buchholz 451.30 Steuerberater Nr. 3 und vom 21. Februar 1994 – BVerwG 1 B 19.93 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 25; Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 5 C 69.79 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 11).
Der Kläger legt dar, daß in Deutschland das Zusammentreffen zweier Versorgungsregelungen regelmäßig dazu führt, daß die bundesrechtlich geregelte Sozialversicherungspflicht zurücktritt, indem das Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerkes von der Versicherungspflicht befreit wird (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Der Kläger führt weiter aus, daß diese Regelung für ihn nicht greift, weil die schweizerischen Vorschriften, denen er unterliegt, eine entsprechende Befreiungsvorschrift nicht enthalten. Der Schluß, dann müsse das Landesrecht einen entsprechenden Befreiungstatbestand enthalten, ist jedoch nicht zwingend. Eine Kollisionsregel dieser Art findet im Bundesrecht keine Stütze. Führt wie hier die Anwendung ausländischen Rechts dazu, daß zwei Versicherungspflichten zusammentreffen, so gebietet Bundesrecht es nicht, das Landesrecht so einzurichten, daß eine doppelte Mitgliedschaft mit entsprechenden Beitragspflichten vermieden wird. Es gebietet, wie bereits ausgeführt, lediglich, die aus einer doppelten Mitgliedschaft möglicherweise erwachsende Belastung des Mitgliedes zu beachten, indem auf seine wirtschaftliche Belastbarkeit Rücksicht genommen und eine unzumutbare Überversorgung vermieden wird. Im Bundesrecht findet sich kein Hinweis darauf, daß „ausländische” Berufsangehörige über diesen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleitenden Gesichtspunkt hinaus einen weitergehenden Schutz vor der Inanspruchnahme durch zwei Versorgungseinrichtungen genießen. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß die bezeichneten Grenzen in seinem Falle nicht eingehalten worden sind.
3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Meyer, Groepper, Gerhardt
Fundstellen
NJW 2001, 2111 |
NJW-RR 2001, 785 |