Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungsanordnungen, Begriff der – als allgemeine Regelungen, Maßnahmen zur Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs keine Verwaltungsanordnungen
Normenkette
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 24.02.1982; Aktenzeichen BPV TK 8/81) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.06.1981; Aktenzeichen I/V K 991/81) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 24. Februar 1982 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Im Jahre 1976 ordnete der Vorstand der Deutschen Bundesbahn (DB) eine Untersuchung über die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) an. Die aufgrund dieser Anordnung von einer Projektgruppe der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn erarbeiteten „Richtlinien für die Arbeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV)” wurden im April 1977 den Bundesbahndirektionen bekanntgegeben. Im Juni 1978 stimmte die Hauptverwaltung der DB den von der Bundesbahndirektion Frankfurt am Main auf bestimmten Strecken vorgeschlagenen Rationalisierungsmaßnahmen zu. An diesen Maßnahmen wurde jeweils der Hauptpersonalrat der DB beteiligt.
Nachdem der Vorstand der DB im Jahre 1979 die weitere Realisierung der vorgeschlagenen Rationalisierungsmaßnahmen den Bundesbahndirektionen in eigener Zuständigkeit übertragen hatte, wies der Beteiligte, der Präsident der Bundesbahndirektion Frankfurt am Main, mit Verfügung vom 3. Oktober 1980 die Abteilungsleiter und Dezernenten an, die noch nicht realisierten Maßnahmen ohne Investitionen einzuleiten und zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Für die einzelnen Maßnahmen, wie die Änderung des Leistungsangebotes durch Fahrplananpassungen, die Zurückziehung von Zugbegleitern bei verbleibenden Zügen und den Wegfall von Abfertigungsbefugnissen, seien Zeitpläne aufzustellen und bis zum 2. Januar 1981 dem Untersuchungsgruppenleiter zuzuleiten. Unter dem 29. Januar 1981 übersandte der Beteiligte dem Antragsteller, dem Bezirkspersonalrat bei der Bundesbahndirektion Frankfurt am Main, eine Zusammenstellung derjenigen Züge des SPNV, die mit Inkrafttreten des Jahresfahrplans 1981/82 wegfallen sollten. Ergänzend teilte er mit, daß auf den Strecken 368 (Herborn-Niederwalgern) und 545 (Wetzlar-Usingen-Friedrichsdorf) die Einführung der Wochenenddienstruhe vorgesehen sei.
Der Antragsteller machte daraufhin geltend, er habe an diesen Maßnahmen beteiligt werden müssen. Der Beteiligte verneinte jedoch ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers. Der Antragsteller hat sodann das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet mit dem Antrag,
festzustellen, daß die Verfügungen des Beteiligten vom 3. Oktober 1980 und vom 29. Januar 1981 der Mitwirkung des Antragstellers gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterliegen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die Beschwerde des Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag des Antragstellers abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Es könne dahinstehen, ob die Maßnahmen des Beteiligten überhaupt im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ergangen seien. Jedenfalls seien die Maßnahmen keine Verwaltungsanordnungen im Sinne dieser Vorschrift, da keine Regelungen getroffen worden seien, die eine unbestimmte Zahl wiederkehrender Sachverhalte betreffen würden. Dies gelte nicht nur für die Verfügung vom 29. Januar 1981. Auch die Verfügung des Beteiligten vom 3. Oktober 1980 befasse sich ausschließlich mit konkreten Sachverhalten, wie bereits daraus zu entnehmen sei, daß es sich bei den einzuleitenden „Maßnahmen ohne Investitionen” um solche handele, die im Abschlußbericht der Bundesbahndirektion vom 22. Februar 1980 vorgeschlagen worden seien und denen die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn am 11. August 1980 zugestimmt habe. Auch im übrigen enthalte die Verfügung keine abstrakte, gesetzesähnliche, normative Regelung. Sie beschränke sich vielmehr Punkt für Punkt auf individuell bestimmte (konkrete) Sachverhalte, für deren Regelung Hinweise erteilt würden. Das gelte insbesondere bei den näher bezeichneten Maßnahmen ohne Investitionen, wie Änderung des Leistungsangebotes durch Fahrplananpassungen, Zurückziehung von Zugbegleitern bei verbleibenden Zügen und Wegfall von Abfertigungsbefugnissen. Wenn es in der Verfügung heiße, daß für deren Realisierung Zeitpläne aufzustellen und dem Untersuchungsgruppenleiter bis zum 2. Januar 1981 zuzuleiten seien, so handele es sich hierbei lediglich um schlichte Durchführungshinweise im konkreten Einzelfall gegenüber den verantwortlichen Stellen.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Feststellungsantrag weiter.
Er macht weiterhin geltend, daß die Maßnahmen des Beteiligten seiner Mitwirkung bedurft hätten, weil sie letztendlich Auswirkungen auf die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Belange der Beschäftigten gehabt hätten. Folge man der Auffassung des Beschwerdegerichts, so verliere der Mitwirkungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG für Betriebsverwaltungen, wie die Deutsche Bundesbahn, jede Bedeutung.
Der Beteiligte hält die Rechtsbeschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Dem Antragsteller stand an den von dem Beteiligten im Rahmen der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des SPNV beabsichtigten Maßnahmen das beanspruchte Mitwirkungsrecht nicht zu.
Der rechtlichen Beurteilung des Begehrens des Antragstellers ist die Vorschrift des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG zugrunde zu legen, wonach der Personalrat bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres Geschäftsbereichs mitwirkt, wenn nicht nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung zu beteiligen sind. Dem Beschwerdegericht ist darin beizupflichten, daß es sich bei den Maßnahmen des Beteiligten nicht um Verwaltungsanordnungen im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts knüpft § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG nicht an den technischen Begriff der Verwaltungsanordnung im Sinne des Verwaltungsrechts an. Zu den Verwaltungsanordnungen im Sinne dieser Vorschrift gehören vielmehr auch allgemeine Weisungen und Anordnungen, die im Rahmen der aus einem Arbeitsverhältnis folgenden Direktionsrechte des Arbeitgebers ergehen und die gestaltend in die innerdienstlichen, sozialen oder persönlichen Belange der Bediensteten eingreifen (Beschluß vom 7. November 1969 – BVerwG 7 P 11.68 – [PersV 1970, 187]). Die Verwaltungsanordnungen müssen demnach stets allgemeine Regelungen in dem Sinne sein, daß sie die Beschäftigten in ihrer Gesamtheit, mindestens aber einen unbestimmten Teil der Beschäftigten betreffen. Anordnungen, die sich auf die Aufgaben und Befugnisse bestimmter Beschäftigter beziehen, fallen nicht unter diesen Begriff. Dies folgt nicht nur aus der Abgrenzung der Verwaltungsanordnung von der (konkreten) Weisung, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der Beteiligungsvorschrift. Durch die Beteiligung des Personalrats in der Form der Mitwirkung wollte der Gesetzgeber gewährleisten, daß die Überlegungen der Personalvertretung bereits bei der Vorbereitung von allgemeinen Regelungen einbezogen werden, die sich auf die Belange der Beschäftigten auswirken können. Dadurch sollten jedoch die Beteiligungsbefugnisse der Personalvertretung bei der Regelung konkreter Einzelfälle nicht gegenständlich erweitert werden. Insoweit sind die Befugnisse der Personalvertretung vielmehr in den Mitbestimmungstatbeständen der §§ 75 ff. BPersVG abschließend geregelt.
Hiernach waren die vom Beteiligten im Bereich der Bundesbahndirektion Frankfurt am Main zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des SPNW angeordneten Maßnahmen keine Verwaltungsanordnungen im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Für die Verfügung des Beteiligten vom 3. Oktober 1980 gilt das schon deswegen, weil mit ihr noch keine sachlichen Regelungen getroffen wurden, sondern den Leitern der Fachdienste lediglich die Weisung erteilt wurde, die in dem Abschlußbericht der Bundesbahndirektion Frankfurt am Main vom 22. Februar 1980 vorgeschlagenen und noch nicht realisierten Maßnahmen ohne Investitionen einzuleiten und zum frühestmöglichen Zeitpunkt durchzuführen. Für die Realisierung dieser Maßnahmen, wie der Änderung des Leistungsangebotes durch Fahrplananpassungen, der Zurückziehung von Zugbegleitern bei verbleibenden Zügen und dem Wegfall von Abfertigungsbefugnissen, sollten Zeitpläne aufgestellt und dem Untersuchungsgruppenleiter bis 2. Januar 1981 zugeleitet werden. Der Beteiligte veranlaßte somit mit dieser Verfügung nur die Konkretisierung der bis dahin allgemein entwickelten Rationalisierungspläne, ohne bereits unmittelbar deren Verwirklichung anzuordnen. Davon abgesehen betraf die Verfügung, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, konkrete organisatorische und fahrplantechnische Einzelmaßnahmen, die lediglich für einzelne, bestimmbare Beschäftigte Auswirkungen haben konnten. Dasselbe gilt für die Verfügung vom 29. Januar 1981, durch die dem Antragsteller mitgeteilt wurde, es sei vorgesehen, zum Fahrplanwechsel am 31. Mai 1981 bestimmte Zugverbindungen zu streichen und auf zwei Strecken die Wochenenddienstruhe einzuführen.
Davon abgesehen unterlagen die Verfügungen des Beteiligten auch deshalb nicht dem Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG, weil sie nicht „für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten” ergangen waren. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur dann erfüllt, wenn die Anordnung unmittelbar auf die Regelung von Angelegenheiten der Beschäftigten abzielt. Das wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn sie von den Beschäftigten im Bereich ihrer innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten ein Tun oder Unterlassen verlangt oder ihnen Befugnisse einräumt oder entzieht. Damit erstreckt sich das Mitwirkungsrecht der Personalvertretung nicht auf Anordnungen, die nur die Erledigung der Aufgaben der Dienststelle im Verhältnis zu Außenstehenden gestalten, auch wenn sich dies mittelbar auf die Angelegenheiten der Beschäftigten auswirkt (vgl. BVerwGE 6, 220; 26, 321; Beschluß vom 14. Dezember 1962 – BVerwG 7 P 5.62 – [PersV 1963, 208]).
Im vorliegenden Fall waren die in den Verfügungen des Beteiligten näher bezeichneten Maßnahmen ohne Investitionen nach außen gerichtete organisatorische Regelungen, die der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages der Deutschen Bundesbahn zu dienen bestimmt waren. Nach § 28 Abs. 1 des Bundesbahngesetzes ist die Deutsche Bundesbahn wie ein Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel bester Verkehrsbedienung nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen. Dieser Auftrag schließt die ständige Überprüfung und Anpassung des Verkehrsangebotes an die Bedürfnisse der Allgemeinheit im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren ein. Die Gestaltung des Verkehrsangebotes erfolgt jedoch nicht im Interesse der Beschäftigten, sondern der Allgemeinheit. Die Bundesbahn würde daher gegen ihren gesetzlichen Auftrag verstoßen, wenn sie im Interesse der Beschäftigten ein Leistungsangebot aufrechterhielte, das wirtschaftlich nicht vertreten werden kann.
Bei der Vorbereitung von Maßnahmen, die der Erfüllung dieser gesetzlich bestimmten Aufgaben dienen, hat die Personalvertretung auch dann kein über das ihr auch hier im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BPersVG) gewährte Informationsrecht hinausgehendes Mitwirkungsrecht, wenn diese Maßnahmen mittelbar Auswirkungen auf die Belange der Beschäftigten haben. Sonst wäre es den Personalvertretungen möglich, durch Ausübung des Mitwirkungsrechts auf den allgemeinen Verwaltungsvollzug Einfluß zu nehmen. Sie sind aber kein Sachwalter der Allgemeinheit, sondern nach der Zielrichtung des Personalvertretungsrechts Interessenvertreter der Beschäftigten. Das Personalvertretungsrecht dient dazu, wie der erkennende Senat zuletzt in BVerwGE 67, 61 (63 f.) ausgesprochen hat, die Beschäftigten an den sie berührenden personellen und sozialen Angelegenheiten über die von ihnen gewählte Vertretung zu beteiligen, damit sie ihre Belange zur Geltung bringen und ggf. auch, soweit die volle Mitbestimmung gegeben ist, durchsetzen können. Diese Beteiligung kann aber nicht so weit gehen, daß die Erfüllung der Aufgaben der Dienststelle – insbesondere die reine Dienstausübung – auch hinsichtlich ihrer Art und Weise von der Mitbestimmung des Personalrats abhängen kann. Diese Aufgaben der Dienststelle sind durch den Gesetzgeber und den von diesem ermächtigten Verordnungsgeber festgelegt und stehen, auch hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erledigung, nicht zur Disposition von Stellen, die nicht der Volksvertretung für ihr Handeln verantwortlich sind.
Unterschriften
Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst
Fundstellen