Verfahrensgang
Tenor
Die das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1073.04 – betreffende Anhörungsrüge der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
1. Auf die Rüge eines durch eine letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 – BVerfGE 64, 135 ≪143 f.≫). Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267 ≪274≫). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ≪216≫); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 – 2 BvR 678/81 – BVerfGE 64, 1 ≪12≫, Urteil vom 7. Juli 1992 – 1 BvL 51/86 u.a. – BVerfGE 87, 1 ≪33≫).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt auch nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – BVerwG 9 CB 20.87 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Art. 103 Abs. 1 GG ist aber verletzt, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 – 1 BvR 393/84 – BVerfGE 69, 141 ≪143 f.≫, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279 ≪311≫, BVerwG, Beschluss vom 24. März 2000 – BVerwG 9 B 530.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308, S. 16). Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiellrechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1).
2.1 Die Ablehnung des auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrags Nr. 1001.1 durch den Beschluss vom 9. Februar 2006 verstieß nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden.
2.1.1 Aufgabe des Sachverständigen ist es, dem Gericht besondere Erfahrungssätze und Kenntnisse des jeweiligen Fachgebietes zu vermitteln und/oder aufgrund von besonderen Erfahrungssätzen oder Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 – BVerwG 8 C 15.84 – BVerwGE 71, 38 ≪41 f.≫). Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte vor, steht es nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 1989 – BVerwG 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76 ≪90≫, Beschluss vom 7. März 2003 – BVerwG 6 B 16.03 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 55). Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 – BVerwG 4 C 79.76 u.a. – BVerwGE 56, 110 ≪127≫, Beschluss vom 4. Dezember 1991 – BVerwG 2 B 135.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238, S. 67). Das Gericht ist nur verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen, wenn sich ihm eine weitere Sachaufklärung aufdrängen musste (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 5. August 2004 – BVerwG 6 B 31.04 – juris, Rn. 21).
Der Senat konnte die gestellten Beweisanträge danach ermessensfehlerfrei nach § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO ablehnen. Das von dem Plangeber des LEP FS zugrunde gelegte Intraplan-Gutachten vom 13. Februar 2003 (“Bewertung der verkehrlichen Erschließung des Flughafenstandortes Schönefeld im Vergleich zu stadtfernen Standortalternativen”) reichte zur Beantwortung der entscheidungserheblichen Fragen aus.
Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich nicht deswegen aufdrängen, weil das Intraplan-Gutachten (hinsichtlich beider Standorte) Verkehrsverbindungen einbezog, die erst im Hinblick auf die landesplanerische Standortentscheidung geschaffen werden sollen. Welche rechtlichen Bedenken die Kläger gegen dieses Vorgehen erheben, ist nicht ersichtlich. Wie die Nr. 18, 19 und 25 des Beweisantrags Nr. 1001.1 zeigen, halten auch die Kläger die verkehrliche Anbindung eines Standortes nach dem Ausbau der Verkehrsverbindungen für maßgeblich.
2.1.2 Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum Nr. 26 des Beweisantrags Nr. 1001.1 die Fehlerhaftigkeit der Verkehrsprognose des Beklagten hätte zu Tage fördern können (Schriftsatz vom 29. Juni 2006, S. 5). Der Beweisantrag hatte nicht die Verkehrsprognose zum Gegenstand, sondern die Behauptung, dass bestimmte Unterschiede in der Anreisezeit weder hinsichtlich der Nachfrage noch der Wirtschaftlichkeit eines Flughafens eine Rolle spielen.
Die zu Beweis gestellte Tatsachenbehauptung war im Übrigen nicht entscheidungserheblich: Von einer Fehlgewichtung der Planungsentscheidung des LEP FS kann nur die Rede sein, wenn die getroffene Entscheidung unter Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten nicht vertretbar erscheint. Dies setzt eine völlige Verfehlung der objektiven Gewichtigkeit eines Belanges voraus. Die Entscheidung zu Gunsten des Standortes Schönefeld verwirklicht Grundsätze der Raumordnung und Vorgaben des LEPro (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1073.04 – UA Rn. 117 ff.); auf diese Regelwerke könnte sich die Standortentscheidung auch stützen, wenn die wirtschaftlichen Vorteile eines aufkommensnäheren Flughafens geringer wären, als der Beklagte annimmt.
2.1.3 Nr. 18, 19, 20 und 22 des Beweisantrags Nr. 1001.1 betrafen keine entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptung. Eine Einbindung des Standortes Sperenberg in das Hochgeschwindigkeitsnetz über einige zentrale Punkte bringt große Umwege, Umsteigebedarf und Reisezeitverluste mit sich (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 126). Zu diesen Nachteilen verhalten sich die Beweisanträge Nr. 18 und 19 nicht. Die Behauptungen der Nr. 20 und 22 hatten die Kosten einer schienenseitigen Anbindung des Standortes Sperenberg zum Gegenstand. Diesen Kosten mussten die Verfasser des LEP FS nicht nachgehen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 126).
2.1.4 Auf die Wirkung und die Kosten einer straßenseitigen Anbindung des Standortes Sperenberg, die die Nr. 23 und 25 des Beweisantrags Nr. 1001.1 zum Gegenstand hatten, kommt es gleichfalls nicht an. Denn wegen des notwendigen Ausbaus ist nicht zu beanstanden, dass der LEP FS flughafenbedingten Straßenbauvorhaben im Einklang mit § 19 Abs. 4 LEPro eine Absage erteilt und dem ergänzenden Ausbau des Straßennetzes am Standort Schönefeld den Vorrang eingeräumt hat (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 127).
2.2 Die Kläger sehen den Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 1001.3, Ziffer 10 bis 13 und 16 als verletzt an (Schriftsatz vom 29. Juni 2006, S. 8 ff.).
Der Senat konnte sich auf die im Aufstellungsverfahren zum LEP FS eingeholte gutachterliche Stellungnahme der PLANCO CONSULTING GmbH, Essen und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus stützen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 130). Die Kläger zeigen in ihrer Anhörungsrüge nicht auf, warum sich dem Senat eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. Allein der Verweis der Kläger auf den Flughafen München und die von ihm ausgehenden wirtschaftlichen Impulse reichen dafür nicht aus, da die eingeholte gutachterliche Stellungnahme auf einer wesentlich breiteren Tatsachenbasis aufbaut (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 130). Soweit die Kläger auf die (behauptete) Möglichkeit weiter gehenden Nachtflugs am Standort Sperenberg verweisen, ist dem entgegen zu halten, dass über Umfang und Grenzen des Nachtflugbetriebs in der Fachplanung, nicht in der Raumordnung entschieden wird.
3. Die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 1073.3 verstößt nicht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Schriftsatz vom 29. Juni 2006, S. 11 f.). Die vorliegenden Gutachten reichten aus, die entscheidungserheblichen Fragen zu beantworten.
Auf die angeblichen methodischen Fehler des Gutachtens M 8 (Prof. Dr. J…) kommt es nicht an: Die Planfeststellungsbehörde hat sich nicht an diesem Gutachten ausgerichtet; der Senat hat dies nicht beanstandet (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 299). Auch die behaupteten methodischen Einwände hinsichtlich der Ergebnisse der Fluglärmsynopse (Griefahn, Jansen, Scheuch, Spreng, ZfL 2002, 171 ff.) sind nicht entscheidungserheblich: Der Senat hat die lärmmedizinischen Einwände gegen die Ergebnisse dieser Synopse, die insbesondere M… erhoben hat, gewürdigt und für nicht durchgreifend erachtet (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 302 – 306); ob die methodischen Einwände gegen die Synopse berechtigt sind, hat er – in anderem Zusammenhang – offen gelassen (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 312). Etwaige neue präventivmedizinische Erkenntnisse wären einer Planungs- und Zulassungsentscheidung in der Regel jedenfalls erst dann zugrunde zu legen, wenn sie sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und allgemeine Anerkennung gefunden haben (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 307). Die von den Klägern behaupteten methodischen Bedenken gegen die Fluglärmsynopse würden einen solchen neuen Stand der Wissenschaft aber nicht aufzeigen, sondern könnten nur belegen, dass bisher anerkannte wissenschaftliche Aussagen kritisch hinterfragt und kontrovers diskutiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen