Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 14.02.2008; Aktenzeichen 15 B 06.3463) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 750 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die geltend gemachten Divergenzrügen (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) genügen nicht den Darlegungsanforderungen. Die Darlegung einer Divergenz setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, auf welchen das vorinstanzliche Gericht die angegriffene Entscheidung gestützt hat, und dass zum anderen ein dem widersprechender, die Entscheidung tragender Rechtssatz eines der gesetzlich benannten Divergenzgerichte zu der gleichen Frage aufgezeigt wird.
Die Klägerinnen tragen mit ihrer Beschwerde zwar mehrere Rechtssätze aus zwei in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats vor (Urteile vom 3. April 1987 – BVerwG 4 C 41.84 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 117 -und vom 23. Mai 1975 – BVerwG 4 C 28.72 – Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 16). Ein der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechender Rechtssatz des Berufungsgerichts wird indes nicht formuliert. Die Klägerinnen behaupten vielmehr lediglich, dass die “Frage nach § 34 BauGB unter Bezugnahme auf die Planunterlagen … ohne weiteres verbescheidungsfähig” sei bzw. dass das Berufungsgericht zu Unrecht “darin keine feststellungsfähigen Rechte und Pflichten” sehe. Ein Rechtssatz wird damit nicht aufgezeigt; die Klägerinnen setzen bei der Auslegung im konkreten Einzelfall an, weil sie meinen, ihr Vorbescheidsantrag sei hinreichend bestimmt.
Abgesehen davon, befindet sich das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung nicht im Widerspruch zu den angeführten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts. Das Berufungsgericht bezweifelt nicht die feststellende und damit vorwegnehmende Wirkung der landesrechtlichen Bebauungsgenehmigung für die Baugenehmigung. Es geht vielmehr – im Gegensatz zum Verwaltungsgericht – davon aus, dass der klägerischen Vorbescheidsfrage, die nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts allein darauf zielt, ob das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen ist, der konkrete Vorhabensbezug fehle (UA S. 5 f.). Schon die Vorbescheidsfrage beziehe sich nicht mehr auf den Plan, sondern frage nach der Beurteilungsgrundlage für die “Zulässigkeit von Vorhaben” (UA S. 6). Unabhängig davon würde mit der geforderten Feststellung keine Regelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG getroffen. Weder aus der Anwendbarkeit des § 34 BauGB noch aus damit zusammenhängenden Fragen ergäben sich konkrete feststellungsfähige Rechten oder Pflichten, die Gegenstand einer vorweggenommenen Regelung sein könnten (UA S. 6).
Damit bringt das Berufungsgericht unter Auslegung des klägerischen Vorbescheidsantrags im konkreten Einzelfall irrevisibles Landesrecht zur Anwendung. Das Baugenehmigungsverfahren zu regeln, obliegt, auch soweit in diesem Verfahren über die bodenrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben entschieden wird, dem Landesgesetzgeber (Urteil vom 3. Februar 1984 – BVerwG 4 C 39.82 – BVerwGE 69, 1 ≪2≫; Beschluss vom 1. April 2008 – BVerwG 4 B 26.08 –). Der Vorbescheid ist ein Rechtsinstitut des Bauordnungsrechts. Demgemäß bestimmt auch das jeweilige Landesrecht, was Inhalt eines Vorbescheides sein kann. Im Allgemeinen sehen die Landesbauordnungen vor, dass der Bauherr auf schriftlichen Antrag hin eine bescheidsmäßige Antwort “auf einzelne Fragen” des Bauvorhabens erreichen kann (vgl. hier Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 bzw. Art. 71 Satz 1 BayBO). Demgemäß bestimmt sich auch nach Landesrecht, was als “einzelne” Frage anzusehen ist (Beschlüsse vom 5. März 1999 – BVerwG 4 B 62.98 – Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 54; vom 27. September 2000 – BVerwG 4 B 61.00 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 71). Möglicherweise missverstehen die Klägerinnen in diesem Punkt die Feststellungen des Senats in dem in Bezug genommenen Urteil vom 3. April 1987 (a.a.O.). Die dortige Feststellung, dass ein positiver Bescheid über die “grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit” eines Vorhabens erteilt und demgemäß auch beantragt werden kann, setzt voraus, dass ein – entsprechend den landesrechtlichen Vorschriften – hinreichend bestimmter Antrag gestellt worden ist. In diesem Sinne ist auch der Beschluss des Senats vom 12. November 1987 (BVerwG 4 B 219.87) zu verstehen, bei dem die Vorinstanz den Antrag ebenfalls mangels hinreichender Bestimmtheit abgelehnt hatte.
2. Soweit die Klägerinnen für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Divergenzrügen grundsätzlich i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geklärt wissen wollen, “ob die Frage, die im Rahmen der Bauvoranfrage gestellt wurde, vorbescheidungsfähig ist oder nicht”, zielt der Vortrag erneut – nun im Gewande der Grundsatzrüge – auf den landesrechtlichen und damit irrevisiblen Begriff der “einzelnen Frage”, der bestimmt, welchem Grad der Präzisierung ein solcher Antrag zu genügen hat. Ob ein Antrag auf Erlass eines Vorbescheids eine “einzelne” Frage enthält, setzt eine Auslegung des Antrags und der Antragsunterlagen voraus, hängt also von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist auch daher einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
3. Die Verfahrensrügen gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde.
3.1 Die Klägerinnen rügen, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass sich aus den Planunterlagen ein konkretes Bauvorhaben ergebe; es habe ihre Prozesserklärungen “falsch verstanden”. Entgegen der Feststellung im angefochtenen Urteil hätten sie zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass die vorgelegte Planzeichnung unverbindlich sei.
Dieser Vortrag dürfte als Vorwurf der Aktenwidrigkeit zu verstehen sein, der im Lichte des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung und des Gebots der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffes zu beurteilen ist. Der Vorwurf greift ungeachtet der Darlegungsanforderungen nicht. Das Berufungsgericht hat lediglich ergänzend (“auch”) auf die nach Auffassung der Beschwerde “falsch” wiedergegebene “Sicht der Klägerinnen” verwiesen. Es hat in tatsächlicher Hinsicht zunächst zugrunde gelegt, dass “die gegenständliche Vorbescheidsfrage sich auf eine Planzeichnung mit beispielhafter Bebauung und einem groben Nutzungskonzept bezieht”. Bei der rechtlichen Würdigung hat das Berufungsgericht dann zwar darauf hingewiesen, dass die “vorgelegte Planzeichnung … auch aus der Sicht der Klägerinnen bezeichnenderweise unverbindlich” sei. Das subjektive Moment erscheint aber lediglich als ein ergänzendes Argument. Entscheidend wird vielmehr in Auslegung des objektiven Erklärungsgehalts des Antrags darauf abgestellt, dass sich “schon” die Vorbescheidsfrage nicht mehr auf den Plan beziehe, sondern nur nach der Beurteilungsgrundlage für die “Zulässigkeit von Vorhaben” gefragt werde (UA S. 6). Auf die “Sicht der Klägerinnen” kommt es nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidungstragend an.
3.2 Soweit die Klägerinnen rügen, das Berufungsgericht habe ihren in der nachgelassenen Schriftsatzfrist fristgerecht am 7. Februar 2008 per Fax und am 8. Februar 2008 im Original eingegangenen Schriftsatz vom 7. Februar 2008 nicht gewürdigt, weil das Gericht sich mit den dort aufgezeigten Argumenten zur Frage der Feststellungsklage überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, ist ein Gehörsverstoß nicht zu erkennen. Eine fehlende Auseinandersetzung mit Rechtsausführungen der Parteien rechtfertigt nicht den Schluss darauf, dass das Gericht sie nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes (rechtliche) Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 17. September 2008 – BVerwG 4 BN 22.08 –). Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht den klägerischen Schriftsatz, der vor Erlass des Urteils vom 14. Februar 2008 eingegangen ist, nicht zur Kenntnis genommen hat, sind nicht erkennbar. Auch die Klägerinnen zeigen nicht auf, dass ihrem Schriftsatz ein bestimmtes Vorbringen von zentraler Bedeutung zu entnehmen war, so dass das Gericht – auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung – ausnahmsweise ausdrücklich darauf hätte eingehen müssen.
3.3 Soweit die Klägerinnen einwenden, sie seien völlig im Unklaren gelassen worden, in welche Richtung das Berufungsgericht tendiere, und damit sinngemäß auch den Vorwurf eines Überraschungsurteils erheben, verkennen sie, dass ihnen auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2008 – wie sie selbst einräumen – sowie des Beschlusses vom 30. Januar 2008, mit dem ihnen Schriftsatzfrist bis zum 12. Februar 2008 gewährt worden war, die aus Sicht des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Fragen bekannt waren. Ein Anspruch darauf, dass das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung seine Rechtsfindung darlegt, besteht nicht. Die Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss mit den Beteiligten nicht vorab erörtert werden (Beschluss vom 6. Juli 2001 – BVerwG 4 B 50.01 –).
3.4 Soweit die Klägerinnen vortragen, sie hätten zur Abfassung des nachgelassenen Schriftsatzes nicht ausreichend Zeit gehabt, hätten sie mit der Beschwerde darlegen müssen, zu welchen sachlichen Gesichtspunkten sie sich – über ihren schriftsätzlichen Vortrag hinaus – hätten äußern wollen. Der pauschale Hinweis, die Zeit habe nicht gereicht, genügt zur Darlegung eines Gehörsverstoßes nicht.
3.5 Bei der auf den Einwand der mangelnden Sachverhaltsaufklärung zielenden Rüge, das Berufungsgericht sei von einem “falschen Sachverhalt” ausgegangen, fehlt es an der Darlegung, welche Tatsachen das Berufungsgericht hätte aufklären müssen und warum sich die Klägerinnen gehindert gesehen haben, ihrerseits entsprechende Beweisanträge zu stellen.
3.6 Bei dem Vorwurf, das Gericht habe gemäß § 86 VwGO auf eine Interessenslage der Klägerinnen entsprechende Antragsstellung hinzuwirken, wird Bedeutung und Reichweite des § 86 Abs. 3 VwGO verkannt. § 86 Abs. 3 VwGO soll verhindern, dass die Durchsetzung von Rechten an der Unerfahrenheit, Unbeholfenheit oder mangelnden Rechtskenntnis eines Beteiligten scheitert. Hinweise sind vor allem dann geboten, wenn ein Beteiligter erkennbar von falschen Tatsachen ausgeht und es deshalb unterlässt, das vorzutragen, was für seine Rechtsverfolgung notwendig wäre. Daher hat der Vorsitzende gemäß § 86 Abs. 3 VwGO mit Hinweisen behilflich zu sein und dem Kläger den rechten weg zu weisen, wie er im Rahmen der gebotenen Möglichkeiten das erstrebte Ziel am besten und zweckmäßigsten erreichen kann (Urteil vom 14. Mai 1963 – BVerwG 7 C 40.63 – BVerwGE 16, 94 ≪98≫). Die Pflicht, die § 86 Abs. 3 VwGO begründet, darf indes nicht mit Rechtsberatung verwechselt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Beteiligter anwaltlich vertreten wird. Das Gericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (Beschluss vom 6. Juli 2001 – BVerwG 4 B 50.01 –). Dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen von Seiten des Berufungsgerichts auf die für den Prozessausgang entscheidenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte hingewiesen worden waren, räumen sie selbst ein. Soweit sie mit der Beschwerde auf einen möglichen “Feststellungsantrag” abheben, wird nicht beachtet, dass das Berufungsgericht ihre Hilfsanträge als unzulässig angesehen hat (vgl. dazu Beschluss vom 29. Dezember 1977 – BVerwG 4 B 146.77 – Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 54). Der Sache nach wollen die Klägerinnen letztlich nur Hinweise, wie sie ihren Vorbescheidsantrag zu formulieren gehabt hätten. Ein Verfahrensfehler des Gerichts wird damit nicht aufgezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rojahn, Dr. Philipp, Dr. Bumke
Fundstellen