Entscheidungsstichwort (Thema)
Initiativrecht, Antrag der Personalvertretung, einen bestimmten Bewerber einzustellen, findet im – keine Grundlage
Normenkette
Nds.PersVG § 72 Abs. 3
Verfahrensgang
VG Hannover (Beschluss vom 16.03.1981; Aktenzeichen PL VG 31/80) |
Tenor
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 16. März 1981 und der Beschluß der Einigungsstelle beim Landkreis Hannover vom 21. Juli 1980 betreffend die Einstellung des Beteiligten zu 3) werden auf die Sprungrechtsbeschwerde des Antragstellers aufgehoben.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2) wird zurückgewiesen. Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3) wird verworfen.
Tatbestand
I.
Der Oberkreisdirektor des Landkreises Hannover wendet sich als Antragsteller gegen einen Beschluß der bei dem Landkreis gebildeten Einigungsstelle, der Beteiligten zu 1), vom 21. Juli 1980, wonach dem Kreisausschuß, dem Beteiligten zu 4), empfohlen wird, den Sozialarbeiter Karl-Heinz L., den Beteiligten zu 3), als Angestellten für die freie Planstelle in der Abteilung 536 einzustellen.
Der Beschluß war zustande gekommen, nachdem der Antragsteller und der Beteiligte zu 4) jeweils die Forderung des Beteiligten zu 2) nach Einstellung des Beteiligten zu 3) abgelehnt hatten, weil der Personalvertretung ein Initiativrecht zur Durchsetzung individueller Ansprüche nicht zustehe und der Bewerber darüber hinaus als ungeeignet erscheine.
Gegen den Beschluß des Beteiligten zu 1) leitete der Antragsteller das Beschlußverfahren bei dem Verwaltungsgericht Hannover – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – ein. Er machte geltend, der Beschluß verstoße gegen Rechtsvorschriften, da dem Gesamtpersonalrat ein Initiativrecht auf Einstellung eines bestimmten Bewerbers nicht zustehe. Die den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften garantierte Personalhoheit würde darüber hinaus in ihrem Kernbereich angetastet.
Der Antragsteller und der Beteiligte zu 4) haben beantragt,
den Beschluß der Einigungsstelle beim Landkreis Hannover vom 21. Juli 1980, den Sozialarbeiter Karl-Heinz L. als Angestellten für die freie Planstelle in der Abteilung 536 einzustellen, aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle beim Landkreis Hannover vom 21. Juli 1980 keine Bindungswirkung hat.
Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Hilfsantrag des Antragstellers stattgegeben. Zwar stehe der Personalvertretung ein Initiativrecht für alle seiner Mitbestimmung unterliegenden Maßnahmen in vollem Umfang zu, im vorliegenden Fall habe die Einigungsstelle jedoch nicht mit bindender Wirkung entscheiden dürfen. Die zu besetzende Stelle sei funktionell eine Beamtenstelle mit der Folge, daß die Ausgestaltung des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens den für Beamte geltenden Vorschriften gemäß erfolgen müsse, wonach eine bindende Entscheidung der Einigungsstelle nicht zulässig sei.
Gegen diesen Beschluß haben der Antragsteller und die Beteiligten zu 2) und 3) die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrechtsbeschwerde eingelegt. Der Antragsteller beantragt,
- den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover – Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen – vom 16. März 1981 aufzuheben und
- auf den Hauptantrag des Antragstellers den Beschluß der Einigungsstelle beim Landkreis Hannover vom 21. Juli 1980 betreffend die Einstellung des Beteiligten zu 3) aufzuheben und
- die Sprungrechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover zurückzuweisen.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichts verletze materielles Recht, soweit er dem Beteiligten zu 2) ein umfassendes Initiativrecht bei Personalentscheidungen zugestehe.
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag des Oberkreisdirektors abzuweisen sowie die Sprungrechtsbeschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Sie verteidigen den Beschluß der Einigungsstelle.
Entscheidungsgründe
II.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
Der Beschluß der Einigungsstelle vom 21. Juli 1980 ist aufzuheben, da schon die Voraussetzungen für eine Entscheidung der Einigungsstelle nicht vorlagen. In diesem Fall ist die Aufhebung des Beschlusses das angemessene Mittel, um dessen fehlende Bindungswirkung eindeutig klarzustellen (BVerwGE 50, 186 [198]).
Die Zuständigkeit der Einigungsstelle kann vorliegend nicht auf die allein maßgeblichen §§ 102 Nr. 4, 73 Abs. 4 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen vom 24. April 1972 (GVBl. S. 232) – Nds.PersVG – gestützt werden denn das in § 73 Nds.PersVG geregelte Einigungsverfahren setzt einen wirksamen Antrag des Beteiligten zu 2) im Sinne des § 72 Abs. 3 Nds.PersVG voraus. Ein solcher liegt nicht vor.
Die Personalvertretungsgesetze räumen den Personalvertretungen die Befugnis ein, in Angelegenheiten, die ihrer Mitbestimmung unterliegen, Maßnahmen bei der Dienststelle zu beantragen und ihr Anliegen in dem Fall, daß über den Antragsgegenstand keine Einigung erzielt wird, im Verfahren vor der Einigungsstelle weiterzuverfolgen. Mit dieser als Initiativrecht bezeichneten Befugnis hat die Personalvertretung die Möglichkeit, Maßnahmen, die sie im Interesse der Angehörigen der Dienststelle oder der Dienststelle selbst für geboten hält, von sich aus einzuleiten und deren Regelung gegebenenfalls im Verfahren vor der Einigungsstelle gegen den Willen der Dienststelle durchzusetzen. Dieses Initiativrecht verwirklicht den das Personalvertretungsrecht insgesamt beherrschenden Grundsatz der gleichberechtigten Partnerschaft zwischen Dienststelle und Personalvertretung dahin gehend, daß es der Personalvertretung hinsichtlich der Einleitung derjenigen mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen, auf die es sich erstreckt, den gleichen Rang wie der Dienststelle gibt. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 13. Februar 1976 – BVerwG 7 P 9.74 – (BVerwGE 50, 176 [183]) und – BVerwG 7 P 4.75 – (BVerwGE 50, 186 [196]) ausgeführt hat, wird so sichergestellt, daß derartige Angelegenheiten nicht gänzlich oder unnötig lange ungeregelt bleiben, weil sich die Dienststelle ihrer trotz bestehender Regelungsbedürftigkeit nicht oder nicht rechtzeitig annimmt.
Das Initiativrecht erweitert die gesetzlichen Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung jedoch nicht, sondern setzt die Personalvertretung lediglich in den Stand, ihren Mitbestimmungsrechten nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Personalvertretungsgesetzes von sich aus Geltung zu verschaffen, indem sie insoweit eigene Anträge stellt. Das Initiativrecht ermöglicht somit, wie sich aus seiner gesetzlichen Anknüpfung an die Mitbestimmung ergibt, lediglich die Ausübung von Mitbestimmungsrechten in aktiver Form.
Die Mitbestimmung – auch in der Form der Ausübung des Initiativrechts – dient der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken. Dieser Auftrag schließt es seinem Wesen nach aus, daß sich die Personalvertretung in die Rolle des Rechtsvertreters oder Sachwalters eines einzelnen Beschäftigten begibt, um dessen individuelle Belange mit ihren Mitteln durchzusetzen. Zwar liegen Initiativen der Personalvertretung in Personalangelegenheiten einzelner Beschäftigter nicht generell außerhalb des Rahmens des ihr eingeräumten Initiativrechts; vielmehr kann sie auch in solchen Angelegenheiten das Tätigwerden der Dienststelle durch eigene Anträge erzwingen, wenn das Unterlassen oder die sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung der beantragten Maßnahme seitens der Dienststelle Belange berührt, die die Personalvertretung wahrzunehmen hat. Damit ist zugleich die Grenze des Initiativrechts der Personalvertretung in solchen Angelegenheiten gekennzeichnet. Denn dieses Recht soll der Personalvertretung lediglich als wirksames Mittel dazu dienen, den Dienststellenleiter im Falle seiner Untätigkeit zum Handeln zu zwingen, um in dem sich sodann anschließenden Mitbestimmungsverfahren ihre Rechte in der Sache selbst wahrnehmen zu können. Diese durch Sinn und Zweck des Initiativrechts gezogene Grenze überschreitet die Personalvertretung, wenn sie versucht, mit Hilfe ihrer Antragsbefugnis individuelle Anliegen einzelner Beschäftigter durchzusetzen oder unmittelbar Einfluß auf eine im personalpolitischen Ermessen der Dienststelle stehende Entscheidung zu nehmen. Denn die ihr im Rahmen der Mitbestimmung obliegende Überwachungspflicht berechtigt sie weder, den Rechtsschutz oder die Interessenvertretung eines einzelnen Beschäftigten zu übernehmen, noch in das rechtmäßig ausgeübte personalpolitische Ermessen der Dienststelle einzugreifen (vgl. zum letzteren: BVerwGE 61, 325 [330]).
Die dargestellten, durch seine Bindung an die Mitbestimmungsbefugnisse der Personalvertretung vorgegebenen inhaltlichen Grenzen des Initiativrechts und dessen Beschränkung auf die erläuterten Ziele lassen dieses nicht zu einem wirkungslosen Instrument werden. Den Personalvertretungen ist damit vielmehr ein geeignetes und ausreichendes Mittel in die Hand gegeben, um aus der Rolle des passiven, lediglich reagierenden Partners heraustreten und die Dienststelle zwingen zu können, in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit einen Vorschlag zu unterbreiten, der sodann im Mitbestimmungsverfahren zu behandeln ist. Damit wird den von der Personalvertretung wahrzunehmenden Belangen genügt, ohne daß die Personalvertretung der Dienststelle die Entscheidung über die jeweilige mitbestimmungspflichtige Maßnahme selbst aus der Hand nehmen oder insoweit auch nur in einen „Wettstreit” mit ihr treten kann oder gar in den Stand gesetzt wird, einen ihr vom Personalvertretungsrecht nicht eingeräumten Einfluß auf die Entscheidung selbst zu nehmen.
Aus dieser Begrenzung des Initiativrechts ergibt sich, daß der Beteiligte zu 2) allenfalls berechtigt war, die Einstellung eines geeigneten Sozialarbeiters zu beantragen, nicht jedoch die Einstellung des Beteiligten zu 3). Der Beschluß der Beteiligten zu 1), der von einem weiterreichenden Initiativrecht des Beteiligten zu 2) ausgeht, ist daher auf die Sprungrechtsbeschwerde des Antragstellers aufzuheben.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2) bleibt dementsprechend ohne Erfolg und ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3) ist als unzulässig zu verwerfen, weil der Sozialarbeiter L. an diesem Verfahren nicht beteiligt ist und deswegen nicht hätte hinzugezogen werden dürfen. Er war somit auch nicht befugt, Rechtsmittel einzulegen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluß vom 13. Februar 1976 (BVerwGE 50, 186 [193]) näher ausgeführt hat, ist selbst der einzelne Angehörige des öffentlichen Dienstes, zu dessen Gunsten oder Lasten die Maßnahme in Aussicht genommen ist, nicht Beteiligter des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens, weil er nicht in einer ihm im Personalvertretungsgesetz eingeräumten Stellung unmittelbar betroffen wird. Denn Gegenstand dieses Verfahrens sind nicht die individuellen Rechte von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, sondern in diesem Verfahren werden die gegenseitigen Befugnisse und Pflichten von Personalvertretung und Dienststelle in verbindlicher Weise geklärt. Es bedarf keiner weiteren Darlegung, daß danach auch ein außerhalb der Dienststelle stehender Bewerber nicht an diesem Verfahren beteiligt ist.
Unterschriften
Dr. Becker, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen