Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 09.07.2013; Aktenzeichen 12 A 2623/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin bietet (neben anderen Dienstleistungen) Pflege- und Betreuungsdienstleistungen für Menschen an, die durch Alter, Krankheit, Behinderung oder gesellschaftliche Stellung benachteiligt sind. Seit dem Jahr 1991 bietet sie ihre Dienste auch in Wohngemeinschaften an, u.a. in der seit 2007 bestehenden Wohngemeinschaft “…” im Haus G.straße 20 in H…. Die Klägerin betreut auf der Grundlage der von ihr mit den Bewohnern geschlossenen Verträge sämtliche Mitglieder der Wohngemeinschaft “rund um die Uhr”. Aus diesen Verträgen geht hervor, dass keine Verbindung zwischen den Pflegeverträgen und den jeweiligen Mietverträgen besteht. Jedes Mitglied der Wohngemeinschaft hat mit dem Beigeladenen, der Bauherr des Hauses G.straße 20 ist, einen Einzelmietvertrag geschlossen. Mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 stellte der Beklagte fest, es handele sich bei der Wohngemeinschaft um eine Betreuungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über das Wohnen mit Assistenz und Pflege in Einrichtungen (Wohn- und Teilhabegesetz – WTG) Nordrhein-Westfalen vom 18. November 2008 (GV.NRW 2008,738). Die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Rz. 2
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
Rz. 3
Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden entscheidungserheblichen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (stRspr; vgl. Beschluss vom 9. September 2011 – BVerwG 8 B 15.11 – ZOV 2011, 226). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Rz. 4
1. Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe § 2 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 WTG unzutreffend ausgelegt, formuliert sie keine rechtsgrundsätzliche Frage, sondern äußert in der Art einer Berufungsbegründung Kritik an der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts.
Rz. 5
Zudem betrifft die in Rede stehende Auslegung irrevisibles Recht. Die revisionsgerichtliche Prüfung müsste von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschrift ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das Revisionsgericht kann die vorinstanzliche Auslegung irrevisiblen Rechts nur darauf überprüfen, ob Bundesrecht – namentlich Bundesverfassungsrecht – ein anderes Ergebnis gebietet. Die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht rechtfertigt jedoch die Zulassung der Grundsatzrevision nur dann, wenn die Beschwerdebegründung eine klärungsfähige Frage des Bundesrechts aufzeigt (stRspr; Beschlüsse vom 19. April 2001 – BVerwG 8 B 33.01 – Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 47 und vom 24. Juli 1996 – BVerwG 8 B 147.96 – Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 42). Daran fehlt es hier.
Rz. 6
Ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht daraus, dass die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung nach Ansicht der Beschwerde gegen die allgemeinen Auslegungsregeln verstößt. Die dazu von der Klägerin angeführten Vorschriften (§§ 133, 157 BGB analog) regeln nur die Auslegung von Willenserklärungen einschließlich behördlichen Verwaltungsakten und sind hier nicht einschlägig. Die bei der Gesetzesauslegung zu beachtenden Auslegungsregeln sind dem Bundesrecht nur zuzuordnen, wenn und soweit sie der Anwendung von Bundesrecht dienen. Sie sind dagegen Teil des irrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO), wenn und soweit es sich – wie hier – um dessen Auslegung handelt. Eine generelle Zuordnung der Auslegungsregeln zum Bundesrecht würde dazu führen, dass jede Fehlauslegung irrevisiblen Rechts, die letztlich immer auf der Verletzung von irgendwelchen Auslegungsgrundsätzen beruhen muss, eben wegen dieser Verletzung als ein Verstoß gegen Bundesrecht deklariert und damit revisibel gemacht werden könnte. Daher vermag die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Bundesrecht, hier wegen Überschreitung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, angewandt worden, für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen; vielmehr muss zusätzlich darlegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundesrechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschluss vom 15. April 2008 – BVerwG 9 B 20.08 – juris m.w.N.). Dafür trägt die Beschwerde nichts vor.
Rz. 7
2. Auch soweit die Beschwerde die Vereinbarkeit der Auslegung des § 2 Abs. 2 und Abs. 3 WTG durch das Berufungsgericht mit dem bundesverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Frage stellt, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (Beschlüsse vom 26. Juli 2007 – BVerwG 6 B 29.07 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 43 und vom 31. März 2009 – BVerwG 8 B 4.09 – juris). So verhält es sich hier. Die Zweifel der Klägerin beziehen sich nicht auf etwaige ungeklärte Fragen hinsichtlich der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 GG, sondern darauf, ob das Berufungsgericht unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu einem anderen Ergebnis bei der Anwendung des irrevisiblen Landesrechts hätte gelangen müssen. Dies kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h. c. Rennert, Dr. Held-Daab, Dr. Rudolph
Fundstellen