Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 22.07.2003; Aktenzeichen 8 A 01.40085) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Verhältnis der auf sie entfallenden Streitwertanteile.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die in den Schriftsätzen vom 3. und vom 5. November 2003 auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beilegen.
a) Die Frage, ob “eine maßgebliche Änderung eines Vorhabens in rechtlicher Hinsicht gegeben (ist), wenn bei der Planrechtfertigung und -Abwägung der planungsrechtlichen Entscheidung vorrangig die Verkehrswirksamkeit des planfestgestellten Abschnittes berücksichtigt wird und nicht die beabsichtigte Verkehrswirksamkeit des geplanten Gesamtvorhabens”, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie lässt sich anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unschwer beantworten, ohne dass es eigens der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Nach Ansicht des Erstgerichts erübrigte sich ein neues Planfeststellungsverfahren, weil das Vorhaben, das den Gegenstand des zweiten Ergänzungsbeschlusses vom 1. August 2001 bildet, im Hinblick auf Abschnittsbildung, Linienführung und Ausbaustandard die gleichen Merkmale aufweist wie das am 1. August 1994 planfestgestellte Vorhaben. Diese Sichtweise entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach kann von einem neuen Vorhaben keine Rede sein, wenn das Konzept, das der Planungsentscheidung zugrunde liegt, nicht berührt wird bzw. trotz etwaiger Änderungen die Identität des Vorhabens gewahrt bleibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. März 1992 – BVerwG 7 C 18.91 – BVerwGE 90, 96, vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.95 – BVerwGE 100, 370 und vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140). Den Bezugspunkt bildet das konkrete Projekt, für das im Sinne des § 73 Abs. 1 VwVfG das Planfeststellungsverfahren eingeleitet worden ist, auch wenn es sich hierbei lediglich um einen Teilschritt im Zuge der Verwirklichung eines umfassenderen Gesamtprojekts handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – BVerwGE 104, 236). Eine veränderte Beurteilung der Planrechtfertigung oder der Verkehrswirksamkeit mag für die Frage der Rechtmäßigkeit der Planung von Bedeutung sein. Zur Klärung des Vorhabensbegriffs trägt sie nichts bei.
b) Auch die Frage, “inwieweit sich der Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplanes auf die Beurteilung eines Gesamtvorhabens aus(wirkt), wenn insoweit zahlreiche Einschränkungen im Hinblick auf die zukünftige Planrechtfertigung für ein Gesamtvorhaben gegeben sind”, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lässt sich anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der zu diesen Regelungen ergangenen Rechtsprechung des Senats ohne weiteres außerhalb eines Revisionsverfahrens beantworten. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 des Fernstraßenausbaugesetzes – FStrAbG – in der Fassung vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1878) entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bau- und Ausbauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG ist die Feststellung des Bedarfs für die Linienbestimmung nach § 16 FStrG und für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich. Diese Bindung gilt auch für das gerichtliche Verfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – BVerwGE 98, 339, vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – BVerwGE 100, 238 und vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 C 11.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138). Sie entfällt nicht automatisch, wenn nachträglich Umstände eintreten, die zu einer Neubewertung Anlass geben können. Wie aus § 4 Satz 2 FStrAbG erhellt, ist der Bedarfsplan vielmehr gegebenenfalls durch Gesetz entsprechend anzupassen. Allenfalls dann, wenn sich die Verhältnisse im Nachhinein so grundlegend gewandelt haben, dass die ursprüngliche Bedarfsentscheidung gänzlich unhaltbar geworden ist, beansprucht die Bedarfsfeststellung keine Verbindlichkeit mehr (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 3.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 und vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – a.a.O.). Der Entwurf eines neuen Bundesverkehrswegeplanes, der im Vergleich mit früheren Verkehrswegeplanungen durch ein höheres Maß an planerischer Zurückhaltung gekennzeichnet ist, ist insoweit für sich genommen nicht geeignet, einen Geltungsverlust zu begründen. Der Bundesverkehrswegeplan ist als ein Instrument verkehrsträgerübergreifender Planung ein Investitionsrahmenplan. Als solcher ist er nicht dazu bestimmt und geeignet, Auskunft über die Realisierbarkeit konkreter Infrastrukturmaßnahmen zu geben.
Auch wenn die Kläger, worauf einige ihrer Formulierungen hindeuten, mit ihrer Fragestellung an den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes (BTDrucks 15/1657) anknüpfen sollten, zeigen sie keinen Klärungsbedarf auf. In dem Bedarfsplanentwurf, der diesem Entwurf als Anlage beigefügt ist, ist die B 15 neu wie in dem derzeit maßgeblichen Bedarfsplan weiterhin als eine Fernstraßenverbindung zwischen der A 93 im Norden und der A 8 im Süden zeichnerisch dargestellt. Allerdings weisen einzelne Abschnitte “mit besonderem naturschutzfachlichen Planungsauftrag” bzw. “mit festgestelltem hohen ökologischen Risiko” die Besonderheit auf, dass sie nach den Erläuterungen im Textteil erst mit der Einstellung in den Straßenbauplan als Anlage zum Bundeshaushalt Vorhaben des dringlichen oder des weiteren Bedarfs werden. Der Senat hätte indes keinen Anlass, in dem von den Klägern erstrebten Revisionsverfahren der Frage nachzugehen, welche rechtlichen Folgerungen sich für den Fall der Billigung durch den Gesetzgeber aus diesen Maßgaben für die Planrechtfertigung ergeben. Denn das Erstgericht stellt – zutreffend – fest, dass der Abschnitt, der den Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits bildet, in dem Planentwurf ebenso wie in dem Bedarfsplan, auf dessen Grundlage der angefochtene Planfeststellungsbeschluss erlassen wurde, als vordringlicher Bedarf gekennzeichnet ist. Wieso die Planrechtfertigung für ein Vorhaben, für das gegenwärtig und voraussichtlich auch zukünftig ein vordringlicher Bedarf besteht, zweifelhaft sein sollte, legen die Kläger nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die durch den Bedarfsplan erzeugte Bindungswirkung wird, soweit die Bedarfsfeststellung reicht, nicht deshalb in Frage gestellt, weil der Gesetzgeber darauf hinweist, dass die Verwirklichung seiner Planungsvorstellungen außerhalb des Planabschnitts im weiteren Streckenverlauf auf Schwierigkeiten stoßen kann.
c) Mit der Frage, ob “es zulässig (ist), dass die Planfeststellungsbehörde ihrerseits ein Gesamtvorhaben hinsichtlich der Beurteilung der Verkehrswirksamkeit in Teilstücke auftrennt und insoweit den Versuch einer ‘eigenständigen Planrechtfertigung’ unternimmt”, zeigen die Kläger ebenfalls keinen Klärungsbedarf auf. Die gegenwärtige und voraussichtlich auch die zukünftige Planrechtfertigung lässt sich nach den vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen und durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigten Feststellungen daraus herleiten, dass das Vorhaben als vordringlicher Bedarf Bestandteil des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen ist. Nicht weil die Planfeststellungsbehörde den Versuch einer “eigenständigen Planrechtfertigung” unternommen hat, sondern weil der Gesetzgeber dies in § 1 Abs. 2 FStrAbG so bestimmt, ist davon auszugehen, dass das Vorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG entspricht und zur Deckung eines vorhandenen Verkehrsbedarfs vernünftigerweise geboten ist. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Aufnahme in den Bedarfsplan auf den nachfolgenden Planungsstufen nicht von der Verpflichtung entbindet, der Frage nachzugehen, ob das Vorhaben nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen zulassungsfähig ist. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung erzeugt Bindungswirkungen nur insoweit, als eine nachfolgende Planfeststellung nicht mit der Begründung verweigert werden darf, es sei kein Verkehrsbedarf vorhanden. Mit welchem Gewicht der vom Gesetzgeber festgestellte Bedarf in der Konkurrenz mit anderen Interessenpositionen zu Buche schlägt, hängt von der konkreten Planungssituation ab (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 4 C 29.94 – BVerwGE 102, 331 und vom 20. Mai 1999 – BVerwG 4 A 12.98 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154). Unüberwindliche gegenläufige Belange können dazu nötigen, von der Planung Abstand zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – a.a.O., vom 25. Januar 1996 – BVerwG 4 C 5.95 – a.a.O. und vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – a.a.O.). Ob eine im Bedarfsplan vierstreifig konzipierte Bundesstraße Eingriffe in Natur und Landschaft oder in sonstige Rechtsgüter rechtfertigt, hängt nicht zuletzt von ihrer Verkehrswirksamkeit ab, die unterschiedlich zu beurteilen ist, je nachdem, welche Bedeutung ihr als überregionaler oder bloß regionaler Verkehrsträger im Straßennetz der Bundesrepublik Deutschland zukommt. Das Erstgericht hat diese Zusammenhänge erkannt und anhand der verschiedenen denkbaren Szenarien, die von einem Bau der B 15 neu bis zur A 92 über eine Verlängerung bis hin zur A 94 und eine Fortsetzung bis zur A 8 reichen, im Einzelnen gewürdigt. Die Kläger legen nicht dar, in welcher Richtung die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesem Punkt der Präzisierung oder der Fortentwicklung bedarf. Soweit sie darauf hinweisen, dass für die B 15 neu ein Bedeutungsschwund von einer “magistralen Verbindung europäischen Standards” zu einer “bloßen Verbindung von Teilen der Oberpfalz mit Teilen Oberbayerns bzw. Niederbayerns” zu verzeichnen sei, und nachdrücklich in Abrede stellen, dass “die Gründe für eine Neuverbindung von der A 93 bei Regensburg bis zur A 92 bei Landshut von solchem Gewicht seien, dass sie die dieser Planung – mit eigenständiger Verkehrsfunktion – entgegenstehenden Belange, insbesondere von Natur und Landschaft, zu überwinden vermögen”, lassen sie es damit bewenden, der Würdigung des Erstgerichts, die sie für unzutreffend halten, ihre eigene Einschätzung entgegenzusetzen.
d) Auch mit der Frage, ob “es zulässig (ist), dass die Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesamtvorhabensbezogenen Vorausschau im Sinne eines ‘Blickes nach vorn’ lediglich einen grobmaschigen Maßstab anlegen muss, der in Intensität und Detailgenauigkeit hinter einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung zurückbleibt”, zeigen die Kläger keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Gesamtprojekt in Teilabschnitte aufgespalten werden darf. Die Teilplanung darf sich jedoch nicht soweit verselbstständigen, dass Probleme, die durch die Gesamtplanung ausgelöst werden, unbewältigt bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 – BVerwG 4 C 5.78 – BVerwGE 62, 342; Beschluss vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1. – 11.92 –Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89). Ihre Folgen für die weitere Planung dürfen nicht gänzlich ausgeblendet werden. Das läuft aber nicht darauf hinaus, bereits im Rahmen der Planfeststellung für einen einzelnen Abschnitt mit derselben Prüfungsintensität, gar einer vorgezogenen förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung, der Frage nach den Auswirkungen auf nachfolgende Planabschnitte oder womöglich auf das Gesamtvorhaben nachzugehen. Andernfalls würden die Vorteile, die eine Abschnittsbildung im Interesse nicht nur einer praktikablen und effektiv handhabbaren, sondern auch einer leichter überschaubaren Planung rechtfertigen, wieder zunichte gemacht. Ausreichend ist die Prognose, dass der Verwirklichung der weiteren Planungsschritte keine von vornherein unüberwindlichen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1996 – BVerwG 4 A 27.95 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110, vom 10. April 1997 – BVerwG 4 C 5.96 – a.a.O. und vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 18.99 – insoweit in BVerwGE 112, 140 nicht abgedruckt). Die Kläger zeigen nicht auf, welche zusätzlichen Erkenntnisse das von ihnen erstrebte Revisionsverfahren sollte erwarten lassen. Die Planfeststellungsbehörde ist im Rahmen einer “gesamtvorhabensbezogenen Vorausschau” (Ergänzungsbeschluss vom 1. August 2001, S. 16 bis 19) der Frage nachgegangen, ob die Planung im weiteren Fortgang insbesondere im Bereich der Isarhangleite, der Großen Vils und der Moosmühlwiesen Gefahr läuft, auf unüberwindbare Planungsbarrieren zu stoßen. Sie legt im Einzelnen die Gründe dar, die nach ihrer Einschätzung die Annahme rechtfertigen, dass sich die Hindernisse, die sich in diesen Landschaftsräumen abzeichnen, letztlich ausräumen lassen. Demgegenüber stützen die Kläger sich auf den Bedarfsplanentwurf, dem sie entnehmen, dass die Planung in einigen Folgeabschnitten mit einem “hohen ökologischen Risiko” behaftet ist. Es liegt indes auf der Hand, dass der gesetzgeberische Auftrag, die Umweltauswirkungen in den näher bezeichneten Streckenabschnitten sorgfältig zu prüfen, nicht auf ein voraussichtlich negatives Ergebnis der Prüfung schließen lässt, dem bereits im derzeitigen Planungsstadium im Wege eines “Blicks nach vorn” Rechnung zu tragen ist.
e) Die Kläger halten folgende weitere Fragen für klärungsbedürftig:
“Ist die Nichtmeldung eines Gebiets als europäisches Vogelschutzgebiet bereits dann unbedenklich, wenn der Beklagte es für zu unbedeutend für eine Meldung hält?
Wenn ja, gilt das auch dann, wenn anerkannte Naturschutzverbände, wie der Bund Naturschutz in Bayern e.V. und der Landesbund für Vogelschutz, fachlich fundiert anderer Auffassung sind?
Kann das Gericht im Falle einander widerstreitender Auffassungen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden, oder drängt sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf?
Hat das Gericht im Falle widerstreitender Auffassungen zu überprüfen, ob staatlicherseits mindestens folgende Bewertungskriterien berücksichtigt worden sind: Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung der betreffenden Vogelarten; Populationsdichte und Artendiversität des fraglichen Gebiets; Entwicklungspotential und Netzverknüpfung (Kohärenz) des fraglichen Gebiets; Erhaltungsperspektiven der bedrohten Arten; Stand der Netzbildung im betroffenen Bundesland?”
Auch diese Fragen nötigen, soweit sie sich überhaupt losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lassen, nicht zur Zulassung der Revision. Nach welchen Kriterien Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete auszuwählen sind, war verschiedentlich Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach unterliegt die Identifizierung solcher Gebiete nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. Überprüfbar ist, ob eine Ausweisung als Vogelschutzgebiet oder eine Meldung als FFH-Gebiet aus fachfremden, etwa wirtschaftlichen Erwägungen unterblieben ist. Ansonsten eröffnet sowohl die Vogelschutzrichtlinie als auch die FFH-Richtlinie den Mitgliedstaaten einen fachlichen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete die europarechtlich maßgeblichen Auswahlkriterien erfüllen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erklären die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung der im Anhang I aufgezählten Vogelarten zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu Schutzgebieten. Unter Schutz zu stellen sind nicht sämtliche Landschaftsräume, in denen vom Aussterben oder sonst bedrohte Vogelarten vorkommen, sondern nur die Gebiete, die sich am ehesten zur Arterhaltung eignen. Zu den Bewertungskriterien gehören neben Seltenheit, Empfindlichkeit und Gefährdung einer Vogelart u.a. die Populationsdichte und Artendiversität eines Gebiets, sein Entwicklungspotential und seine Netzverknüpfung sowie die Erhaltungsperspektiven der bedrohten Art. Je mehr der im Anhang I genannten Vogelarten in erheblicher Anzahl von Exemplaren vorkommen, desto höher ist der Wert als Lebensraum einzuschätzen. Je bedrohter, seltener oder empfindlicher die Arten sind, desto größere Bedeutung ist dem Gebiet beizumessen, das die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physikalischen und biologischen Elemente aufweist. Nur Habitate, die unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung beitragen, gehören zum Kreis der im Sinne des Art. 4 VRL geeignetsten Gebiete (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2002 – BVerwG 4 A 15.01 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168, vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – BVerwGE 117, 149 und vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Ob ein Landschaftsraum als FFH-Gebiet zu melden ist, ist nach Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie anhand der im Anhang III Phase 1 genannten Kriterien zu ermitteln. Die Eignungsmerkmale sind so formuliert, dass sie für unterschiedliche ökologischfachliche Bewertungen offen sind. Weist ein Gebiet ein Ausstattungspotential auf, das es aus fachwissenschaftlicher Sicht vertretbar erscheinen lässt, von einer Meldung abzusehen, so nimmt die FFH-Richtlinie diese Entscheidung hin. Nur Landschaftsräume, die die von der Richtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen, gehören zum Kreis der potentiellen Schutzgebiete, die dem europarechtlichen Schutzregime unterliegen (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2002 – BVerwG 4 A 15.01 – a.a.O., vom 17. Mai 2002 – BVerwG 4 A 28.01 – BVerwGE 116, 254 und vom 27. Februar 2003 – BVerwG 4 A 59.01 – Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 1). Im Lichte dieser Rechtsprechung versteht sich von selbst, dass sich der Tatrichter bei der Frage der Vogelschutz- oder der FFH-Würdigkeit eines Gebiets gestützt auf fachliche Äußerungen über gegenteilige Wertungen, auch eines Naturschutzvereins, hinwegsetzen darf.
2. Die Divergenzrüge ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Im Urteil vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – (a.a.O.) hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass “die Planung eines Straßenbauvorhabens in einem Gebiet, das maßgeblich aus wirtschafts- und verkehrspolitischen Gründen nicht in die Landesliste für das Netz ‘Natura 2000’ aufgenommen wurde, rechtswidrig (ist), wenn nicht auszuschließen ist, dass das Gebiet aus ornithologischer Sicht zu den geeignetsten Schutzgebieten in dem Bundesland gehört”. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Vorinstanz einen Rechtssatz formuliert hat, der dieser Rechtsauffassung widerspricht. Das angefochtene Urteil bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Beklagte aus wirtschafts- oder verkehrspolitischen Gründen unterlassen hat, den Planungsraum als Vogelschutzgebiet auszuweisen. Das Erstgericht hebt vielmehr auf die “ornithologische Wertigkeit” des Gebiets ab, die es nach “quantitativen und qualitativen Kriterien” bestimmt (UA S. 18). In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung weist es in diesem Zusammenhang darauf hin, dass den Mitgliedstaaten bei der Identifizierung europäischer Vogelschutzgebiete “ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum” eröffnet ist, den es im konkreten Fall als gewahrt ansieht, weil “die Vorgehensweise des Beklagten vertretbar” ist. Dass die Kläger diese Einschätzung aus den von ihnen dargelegten Gründen nicht teilen, lässt sich nicht als Beleg für eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO werten.
3. Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Das Erstgericht hat dadurch, dass es die Frage, ob der Planungsraum die Merkmale eines faktischen Vogelschutzgebiets oder eines potentiellen FFH-Gebiets aufweist, trotz entsprechender Beweisanträge der Kläger nicht zum Gegenstand einer Beweisaufnahme gemacht hat, weder gegen den Grundsatz verstoßen, den Sachverhalt in Anwendung des § 86 Abs. 1 VwGO zu erforschen, noch die Pflicht verletzt, im Sinne des § 108 Abs. 2 VwGO rechtliches Gehör zu gewähren. Weitere Ermittlungen, die gegebenenfalls eine Beweiserhebung mit einschließen, hat der Tatrichter nur dann anzustellen, wenn es nach seiner materiellrechtlichen Auffassung um Tatsachen geht, auf die es für die Entscheidung ankommt. Auch unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs muss er einem Beweisantrag nur dann nachgehen, wenn ihm das materielle Recht hierzu Anlass bietet. Das Erstgericht leitet seine Überzeugung, dass der für das Planvorhaben in Anspruch genommene Landschaftsraum nicht die Qualität eines faktischen Vogelschutzgebiets hat, daraus ab, dass die fraglichen Flächen in der IBA-Liste 2000 nicht aufgeführt sind und nach Auffassung der vom Beklagten “eingeschalteten Sachverständigen” keiner der von den Klägern bezeichneten Vogelarten als Schwerpunktgebiet dienen (UA S. 19/20). Nach der Rechtsprechung des Senats stellt das IBA-Verzeichnis für die Gebietsauswahl ein bedeutsames Erkenntnismittel dar, das bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gebotenen Eignungsbeurteilung als gewichtiges Indiz eine maßgebliche Rolle spielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 vom 14. November 2002 – BVerwG 4 A 15.02 – a.a.O. und vom 22. Januar 2004 – BVerwG 4 A 32.02 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Wird diese Indizwirkung noch durch die Ergebnisse standortbezogener gutachtlicher Erhebungen verstärkt, so rechtfertigt dies den Schluss, dass der fragliche Bereich nicht zu den zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebieten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gehört, auch wenn aufgrund der Äußerungen von Fachleuten eine gegenteilige Wertung ebenfalls vertretbar erscheint. Eine abweichende Beurteilung brauchte sich dem Erstgericht nicht deshalb aufzudrängen, weil die vom Beklagten eingeholten fachlichen Stellungnahmen nicht die Qualität von Sachverständigengutachten im Sinne der §§ 402 ff. ZPO haben, sondern nach der Einschätzung der Kläger lediglich als wenig substantiierter Parteivortrag einzustufen sind. Dem Tatrichter ist es nicht verwehrt, sämtliches Material zu verwerten, das sich aus seiner Sicht als entscheidungsrelevant erweist, unabhängig davon, von welcher Seite es in das Verfahren eingeführt worden ist. Ob er eine ihm vorgelegte fachliche Stellungnahme als bloßen “Interessenten”-Vortrag zur Kenntnis nimmt, ohne aus ihr irgendwelche Folgerungen zu ziehen, oder ob er sie zur Grundlage seiner Urteilsfindung macht, hängt davon ab, welche Aussagekraft er ihr beimisst. Je unzweifelhafter eine gutachtliche Äußerung als Ausdruck der Sachkundigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität zu qualifizieren ist, desto unbedenklicher eignet sie sich als Entscheidungsstütze (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 1994 – BVerwG 4 B 35.94 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97). Die Kläger ziehen die Sachkunde und die Integrität der vom Beklagten eingeschalteten Sachverständigen nicht in Zweifel. Sie zeigen Gesichtspunkte auf, die nach ihrer Einschätzung für die Richtigkeit ihrer eigenen Bewertung sprechen, machen aber selbst nicht geltend, dass jede andere Sichtweise fachlich unvertretbar ist. Auch unter dem Aspekt der FFH-Eignung des Planungsraums hat das Erstgericht seine im Rahmen der Ortsbesichtigung getroffenen eigenen Feststellungen nicht zum Maßstab der fachlichen Beurteilung gemacht. Vielmehr hat es durch sie – ähnlich wie im Zusammenhang mit der Vogelschutzproblematik – lediglich die Wertungen des “vom Beklagten im Verfahren eingeschalteten Sachverständigen” bestätigt gefunden (UA S. 20 bis 23). Es musste diese für seine Überzeugungsbildung maßgebliche Grundlage nicht deshalb als erschüttert ansehen, weil sich die von den Klägern vertretene Gegenauffassung fachlich ebenso gut vertreten lässt.
b) Der geltend gemachte Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die Kläger halten dem Erstgericht vor, sich unter Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten davon überzeugt zu haben, dass im Falle einer Fortsetzung der B 15 neu in Richtung Süden im Bereich der Isarleite eine Trassenführung durch eine rund 500 m breite Lücke zwischen zwei potentiellen FFH-Gebieten möglich sei. In der Verletzung des in § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO normierten Grundsatzes der freien Sachverhaltswürdigung kann zwar ausnahmsweise nicht bloß ein materiellrechtlicher, sondern auch ein verfahrensrechtlicher, einer Verfahrensrüge zugänglicher Verstoß liegen, wenn sich ein Gericht seine Überzeugung anhand eines unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalts bildet. Für einen solchen Fall gibt das Beschwerdevorbringen hier aber nichts her. Die Kläger stellen nicht in Abrede, dass sich das Erstgericht im Wege einer Ortsbesichtigung einen Eindruck von den Örtlichkeiten verschafft hat. Der Verwaltungsgerichtshof hält als Beweisergebnis fest, dass die Isarleite zwischen den beiden FFH-Gebieten “einen deutlichen Einschnitt in Form eines Seitentals” aufweist (UA S. 15). Hieraus folgert er, dass “sowohl die Topografie als auch die hier bereits vorhandenen Beeinträchtigungen der Landschaft” unabhängig davon, ob sich die Isarleite nicht auch – etwa mit Hilfe eines Tunnels – an anderer Stelle queren lässt, ohne dass ein FFH-Gebiet unmittelbar in Anspruch genommen wird, “eine Trassenführung in diesem Bereich nahe(legen)”. Die Kläger treten dieser Würdigung mit dem Hinweis entgegen, dass sich in dem Taleinschnitt bereits die Straße nach Hallwang befindet. Das Erstgericht hat dies nicht übersehen. Bei der Beschreibung der Örtlichkeiten erwähnt es nicht nur diese Straße, sondern auch die Reste einer “Panzerstraße” und die Abstellfläche einer Baufirma (UA S. 15). Nach seiner Wertung stehen diese Baulichkeiten indessen dem Bau der B 15 neu weder als tatsächliches noch als rechtliches Hindernis im Wege. Die Kläger teilen diese Einschätzung nicht. Dieser Dissens lässt sich aber nicht als Beleg dafür anführen, dass die angefochtene Entscheidung auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruht.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Von dem Gesamtstreitwert entfallen auf den Kläger zu 1 15 000 € und auf den Kläger zu 2 35 000 €.
Unterschriften
Dr. Paetow, Halama, Gatz
Fundstellen