Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss vom 10.07.1990; Aktenzeichen PV-B 1/90) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 10. Juli 1990 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, weil die mit ihr erhobene Rüge, der angegriffene Beschluß weiche von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, nicht durchgreift.
Der angegriffene Beschluß beruht auf der Rechtsauffassung, die Antragstellerin, die Stadt Bremerhaven, könne nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 1 gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) verlangen, weil sie keine Gründe vorgetragen habe, aus denen sich ergebe, daß ihr die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nicht zugemutet werden könne. Hierzu hat das Beschwerdegericht ausgeführt:
Die Antragstellerin wolle nicht den Arbeitsplatz des Beteiligten zu 1 mit einem besser qualifizierten Mitbewerber des Prüfungslehrgangs 1985/1988 besetzen. Sie wolle ihm vielmehr die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ungeachtet der Tatsache nehmen, daß für ihn ein ausbildungsgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung stehe und besser qualifizierte Mitbewerber nicht vorhanden seien. Das sei mit § 9 BPersVG nicht zu vereinbaren. Die Antragstellerin könne den Wirkungsbereich des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht dadurch einschränken, daß sie für die Weiterbeschäftigung besondere Qualifikationsanforderungen aufstelle. Denn damit hätte sie es als Arbeitgeberin in der Hand, sich der gesetzlichen Weiterbeschäftigungspflicht zu entziehen und davon selbst zu entbinden. Auch daraus, daß wegen der verwaltungsinternen Qualifikationsanforderungen ein nicht nach § 9 BPersVG berechtigter Bewerber nicht weiterbeschäftigt werde, folge noch nicht, daß die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1 nicht zumutbar sei. Zweck des § 9 BPersVG sei es, durch das Weiterbeschäftigungsgebot der Gefahr einer Benachteiligung zu begegnen und nicht nur diese Verpflichtung in allen Fällen auszuschließen, in denen damit konkret und nachweisbar keine Benachteiligung des (früheren) Mitglieds der Jugend- oder Personalvertretung wegen dieser Tätigkeit verbunden sei.
Maßgebend für die Beurteilung, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten sei, seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses. Ein einmaliger, in der Vergangenheit liegender Vorfall, der für sich allein nicht den Schluß zulasse, daß es an dem erforderlichen Leistungswillen des Beteiligten zu 1 fehle und bei dem keine Anhaltspunkte für eine Wiederholungsgefahr gegeben seien, sei nicht geeignet, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Beteiligten zu 1 so nachhaltig zu erschüttern, daß der Antragstellerin die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden könne.
Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 BremPersVG in Verbindung mit den §§ 92 a, 72 a, 72 Abs. 2 Nr. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes rechtfertigen würde, wäre nur dann gegeben, wenn das Beschwerdegericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz zugrunde gelegt hätte, der in Widerspruch zu einem der von der Antragstellerin angeführten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts steht, und wenn diese Abweichung ihrerseits entscheidungserheblich gewesen wäre.
Die Antragstellerin hat nicht dargetan, daß diese für die Zulassung der Rechtsbeschwerde unabdingbaren Voraussetzungen erfüllt sind.
1. Im Hinblick auf den Beschluß des Senats vom 15. Oktober 1985 – BVerwG 6 P 13.84 – (BVerwGE 72, 154) hat die Antragstellerin lediglich die Auffassung vertreten, das Beschwerdegericht berufe sich zu Unrecht auf diesen Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts, d.h. es verkenne die Aussage des genannten Beschlusses und die Rechtslage. In dieser Entscheidung habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, daß es das Recht und die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers sei, einen besser qualifizierten Bewerber vorzuziehen. Das sei aber nur ein Anwendungsfall des dort geforderten Eignungsgrundsatzes. Dieses Prinzip komme ebenso in Betracht, wenn ein Arbeitsplatz deshalb unbesetzt bleibe, weil nach den angewendeten Eignungskriterien kein geeigneter Bewerber vorhanden sei. Das habe das Beschwerdegericht zu Unrecht verneint.
Damit hat die Antragstellerin nicht den notwendigen Nachweis erbracht, daß sich das Beschwerdegericht in Widerspruch zu einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten allgemeinen Rechtssatz gesetzt hat. Sie hat vielmehr (nur) beanstandet, daß das Beschwerdegericht zu Unrecht deshalb den Anwendungsfall des Eignungsgrundsatzes verneint habe, weil nach den angewendeten Eignungskriterien kein geeigneter anderer Bewerber vorhanden gewesen sei. Die Antragstellerin hat damit nicht eine Divergenz behauptet, sondern eine – nach ihrer Meinung – falsche Subsumtion und eine unzutreffende Bezugnahme des Beschwerdegerichts auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gerügt. Das reicht für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus.
Tatsächlich hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung folgende Rechtssätze aufgestellt:
Besteht zwischen dem (früheren) Mitglied einer Jugend- oder Personalvertretung und seinen Mitbewerbern um eine ausbildungsgerechte und entwicklungsfähige Beschäftigung hinsichtlich der Eignung und Befähigung kein Unterschied, wird dem Weiterbeschäftigungsberechtigten der Vorrang vor seinen Mitbewerbern einzuräumen sein, weil sich anderenfalls eine Benachteiligung wegen der Tätigkeit in der Jugend- oder Personalvertretung nicht ausschließen ließe. Eine Weiterbeschäftigung sei dem Arbeitgeber beispielsweise dann nicht zuzumuten, wenn der Weiterbeschäftigung gesetzliche oder tarifliche Einstellungshindernisse entgegenstehen oder wenn schwerwiegende, in der Person des Weiterbeschäftigungsberechtigten liegende Gründe gegeben sind, die es ausschließen, dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses abzuverlangen. Mit seinen Ausführungen hat sich das Beschwerdegericht nicht in Widerspruch zu diesen Rechtssätzen gestellt.
Es trifft ferner nicht zu, daß das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung „allgemein dahin formuliert hat, daß der Arbeitgeber die vorhandenen Arbeitsplätze nach Eignung und Befähigung der Bewerber … vergeben” dürfe. Diese Berechtigung hat der Senat vielmehr daran geknüpft, daß sie „innerhalb dieser vom Bundespersonalvertretungsgesetz durch die Weiterbeschäftigungspflicht aufgerichteten Schranke” gilt (BVerwGE 72, 154 ≪157≫). Diese Schranke hat das Beschwerdegericht beachtet, indem es – ohne von der Rechtsprechung des Senats abzuweichen – darauf abgestellt hat, daß der Arbeitgeber den Wirkungsbereich des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht dadurch einschränken könne, daß er für die Weiterbeschäftigung besondere Qualifikationsanforderungen stelle; er würde es sonst nämlich in der Hand haben, sich der gesetzlichen Weiterbeschäftigungspflicht zu entziehen und davon selbst zu entbinden. Dies steht zu den Ausführungen des Senats (a.a.O.) nicht in einem inhaltlichen Widerspruch.
2. Bezüglich des Beschlusses vom 13. März 1989 – BVerwG 6 P 24.85 – hat die Antragstellerin lediglich vorgetragen, das Beschwerdegericht habe sich zu Unrecht auf diesen Beschluß berufen, indem es die Entscheidung über den Einstellungsstop rechtlich mit der Entscheidung über die Anwendung von Eignungskriterien gleichgesetzt habe.
Auch in diesem Falle trägt die Antragstellerin nicht vor, das Beschwerdegericht sei von einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten und entscheidungsrelevanten abstrakten Rechtssatz abgewichen, sondern macht geltend, es habe die von ihm zu entscheidende Rechtsfrage zu Unrecht diesem abstrakten Rechtssatz zugeordnet. Damit wird aber gleichfalls keine Divergenz behauptet, sondern die falsche Auslegung eines abstrakten Rechtssatzes. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist deshalb auch insoweit unzulässig.
Im übrigen liegt auch in diesem Falle keine Abweichung von der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor. In dem Beschluß ist u.a. ausgeführt worden, dem Arbeitgeber sei die Weiterbeschäftigung auch dann zuzumuten, wenn ein Auszubildender nach erfolgreicher Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nur deshalb in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernommen werden müsse, weil er Mitglied einer Jugend- oder Personalvertretung war, auch wenn aufgrund verwaltungsinterner Regelungen des Arbeitgebers keiner der anderen Auszubildenden in ein solches Arbeitsverhältnis übernommen werde.
3. Die Antragstellerin kann auch nicht mit ihrer Rüge durchdringen, das Beschwerdegericht sei von dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 1981 – BVerwG 6 P 71.78 – (BVerwGE 62, 364) abgewichen. Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, sie habe den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen hinsichtlich der Umkehrung der materiellen Beweislast zuungunsten des Arbeitgebers entsprochen und ihrer Darlegungs- und Beweislast dadurch genügt, daß sie die Übernahme des Beteiligten zu 1 nicht wegen dessen personalvertretungsrechtlicher Tätigkeit abgelehnt habe. Sie habe die Gründe ihrer ablehnenden Entscheidung im einzelnen dargelegt und jeden Verdacht ausgeräumt, daß die Tätigkeit des Beteiligten zu 1 im Personalrat ihre Entscheidung beeinflußt habe.
Damit hat sie nicht behauptet, das Beschwerdegericht sei von einem abstrakten Rechtssatz in diesem Beschluß abgewichen. Sie rügt vielmehr die nach ihrer Auffassung unzutreffende Bewertung in dem anzufechtenden Beschluß, daß der Antragstellerin trotz der von ihr vorgetragenen Tatsachen die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 1 zuzumuten sei. Sie hat damit nicht eine Divergenz eines Rechtssatzes des Beschwerdegerichts im Verhältnis zu der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts behauptet, sondern eine unzutreffende Beweiswürdigung durch das Beschwerdegericht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sich das Beschwerdegericht auch nicht dadurch in Widerspruch zu dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt, „indem es das Motiv (Gefahrenabwendung) und den Inhalt des Gesetzes (Beweislastregelung) gleichgesetzt und den Weiterbeschäftigungsanspruch auch für den Fall bejaht hat, daß mit der Entscheidung des Arbeitgebers konkret und nachweisbar keine Benachteiligung wegen der früheren Tätigkeit in der Jugend- oder Personalvertretung verbunden ist”. Der Gefahr der Benachteiligung eines (früheren) Mitgliedes einer Jugend- oder Personalvertretung wird durch die generelle Weiterbeschäftigungsverpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG entgegengewirkt. Für die Anwendung des § 9 Abs. 2 BPersVG kommt es somit nicht darauf an, ob die Verweigerung der Weiterbeschäftigung in einem konkreten Zusammenhang mit dessen Tätigkeit in der Jugend- oder Personalvertretung steht (Beschluß vom 13. März 1989 – BVerwG 6 P 24.85 –). Demzufolge ist es nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber nachweisen kann, daß er den Betroffenen wegen seiner früheren Tätigkeit in der Jugend- oder Personalvertretung nicht benachteiligt hat, sondern er muß – wie der Senat in seiner Entscheidung vom 26. Juni 1981 – BVerwG 6 P 71.78 – (a.a.O.) im einzelnen dargelegt hat – den Nachweis führen, daß und aus welchen Gründen ihm die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Demzufolge liegt auch insoweit keine Divergenz zu dem angeführten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vor.
Unterschriften
Dr. Niehues, Nettesheim, Dr. Vogelgesang
Fundstellen