Leitsatz (amtlich)
Sowohl die Übertragung einer Abwesenheitsvertretung als auch einer Fachbetreuertätigkeit an einen der gemeinsamen Einrichtung (Jobcenter) von dem kommunalen Träger zugewiesenen Arbeitnehmer unterliegt als Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit der Mitbestimmung des Personalrats (§ 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG, § 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BPersVG a.F.).
Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Beschluss vom 14.11.2019; Aktenzeichen 8 A 418/19.PB) |
VG Dresden (Beschluss vom 08.03.2019; Aktenzeichen 8 K 2708/18.PB) |
Tenor
Der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. November 2019 und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. März 2019 werden geändert.
Es wird festgestellt, dass sowohl die Übertragung einer Abwesenheitsvertretung als auch einer Fachbetreuertätigkeit an einen dem Jobcenter Chemnitz von der Stadt Chemnitz zugewiesenen Arbeitnehmer nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.
Gründe
I
Rz. 1
Der Antragsteller, der Personalrat des Jobcenters Chemnitz, und die als Dienststellenleiterin beteiligte Geschäftsführerin dieses Jobcenters streiten um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung der Funktionen Abwesenheitsvertretung bzw. Fachbetreuertätigkeit auf Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu dem kommunalen Träger des Jobcenters stehen.
Rz. 2
Das Jobcenter Chemnitz ist eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Chemnitz, der Tätigkeiten von Arbeitnehmern beider Träger zugewiesen sind. Im Falle der Übertragung der Funktion Abwesenheitsvertretung oder Fachbetreuertätigkeit erhalten Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Bundesagentur) nach dem für sie geltenden Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vom 28. März 2006 monatlich eine Funktionsstufe als Gehaltsbestandteil (§ 20 Abs. 1 TV-BA), während Arbeitnehmer der Stadt Chemnitz aufgrund einer Dienstvereinbarung zur Ausgestaltung der leistungsbezogenen Bezahlung ein Leistungsentgelt gemäß § 18 des für diese geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) vom 7. Februar 2006 beziehen.
Rz. 3
Die Beteiligten stimmen darin überein, dass die Übertragung der genannten Funktionen auf Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt. Die von dem Antragsteller aus Anlass der Übertragung der Funktionen auf zwei kommunale Arbeitnehmerinnen begehrte Mitbestimmung lehnte die Beteiligte hingegen ab.
Rz. 4
Das daraufhin vom Antragsteller eingeleitete personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Übertragung der Abwesenheitsvertretung oder Fachbetreuertätigkeit an einen Arbeitnehmer des kommunalen Trägers einer gemeinsamen Einrichtung insbesondere keine Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit im Sinne der gesetzlichen Vorschriften.
Rz. 5
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde. Die Übertragung der Funktionen Abwesenheitsvertretung oder Fachbetreuertätigkeit an einen kommunalen Arbeitnehmer der gemeinsamen Einrichtung sei als Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit mitbestimmungspflichtig. Sie begründe eine in rechtlich abgesicherter Weise klar verbesserte, sich konkret abzeichnende Chance auf eine Höhergruppierung. Außerdem solle das Mitbestimmungsrecht bei Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Ohne ein entsprechendes Beteiligungsrecht bei der Übertragung auf Arbeitnehmer des kommunalen Trägers könne der Personalrat zwar im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts bei einer Übertragung auf einen Beschäftigten der Bundesagentur die Zustimmung zugunsten eines kommunalen Arbeitnehmers verweigern, nicht aber umgekehrt zugunsten eines Arbeitnehmers der Bundesagentur bei der Übertragung auf einen kommunalen Arbeitnehmer.
Rz. 6
Die Beteiligte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II
Rz. 7
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der angefochtene Beschluss beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 108 Abs. 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes - BPersVG - in der Fassung von Artikel 1 des Gesetzes zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1614) i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Denn er steht nicht im Einklang mit dem bei der Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit eingreifenden Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG.
Rz. 8
Zwar hatte das Oberverwaltungsgericht noch die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Vorgängerregelung des § 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BPersVG a.F. zu prüfen. Der Senat hat jedoch für die Rechtsbeschwerdeentscheidung das Bundespersonalvertretungsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1614) anzuwenden, das am 15. Juni 2021 in Kraft getreten ist. Auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren sind Rechtsänderungen während des Rechtsbeschwerdeverfahrens in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie im Zeitpunkt der Rechtsbeschwerdeentscheidung entschiede (vgl. zum Revisionsverfahren BVerwG, Urteile vom 27. September 2018 - 5 C 7.17 - BVerwGE 163, 232 Rn. 8 und vom 13. Dezember 2018 - 4 CN 3.18 - BVerwGE 164, 74 Rn. 11, jeweils m.w.N.; vgl. zum Rechtsbeschwerdeverfahren: Gronimus, Das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren, 1. Aufl. 2017, § 93 ArbGG Rn. 21 m.w.N.). So liegt es hier. Das Oberverwaltungsgericht hätte bei seiner Entscheidung über das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht die aktuelle Rechtslage anzuwenden. Daher ist nunmehr der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG heranzuziehen, der - soweit hier von Bedeutung - einen mit der Vorgängerregelung übereinstimmenden Wortlaut aufweist.
Rz. 9
Weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1 und § 563 Abs. 3 ZPO). Der abstrakte Feststellungsantrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
Rz. 10
1. Der vom Antragsteller im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren gestellte abstrakte Feststellungsantrag ist zulässig (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 1. April 2015 - 5 P 8.14 - Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 33 Rn. 9 m.w.N.). Soweit er das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Übertragung einer Abwesenheitsvertretung zum Gegenstand hat, ist er einschränkend dahin auszulegen, dass er sich nur auf die Vertretung von Vorgesetzten (Teamleitung) bezieht. Von diesem, im Rechtsbeschwerdeverfahren (Schriftsätze des Antragstellers vom 12. Februar 2020 und des Beteiligten vom 18. Mai 2020) bestätigten Verständnis sind auch die Vorinstanzen übereinstimmend ausgegangen.
Rz. 11
2. Der abstrakte Feststellungsantrag ist auch begründet. Der Antragsteller hat entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts sowohl bei der Übertragung einer Abwesenheitsvertretung als auch bei der Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit an einen kommunalen Arbeitnehmer in einer gemeinsamen Einrichtung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG.
Rz. 12
Nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG hat der Personalrat bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit oder eines höher oder niedriger zu bewertenden Dienstpostens mitzubestimmen. Sowohl die Übertragung einer Abwesenheitsvertretung (a) als auch die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit (b) sind als Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG mitbestimmungspflichtig.
Rz. 13
a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nicht nur die vorübergehende Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit auf Arbeitnehmer, sondern auch deren vertretungsweise Übertragung eine vom Normalfall abweichende Konstellation darstellt, die als Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG, der im Vergleich zum bisherigen Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BPersVG a.F. insoweit keine inhaltliche Änderung aufweist (BT-Drs. 19/26820 S. 119), der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, sofern die Übertragung nicht bereits durch den Geschäftsverteilungs- und/oder Vertretungsplan der Dienststelle vorweggenommen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Vertretungsaufwand in zeitlicher Hinsicht nur geringfügig ist, sofern die Wahrnehmung der Vertretung auf eine Wiederholung angelegt ist (BVerwG, Beschlüsse vom 8. Oktober 1997 - 6 P 9.95 - BVerwGE 105, 247 ≪250 ff.≫ und vom 28. August 2008 - 6 P 12.07 - Buchholz 251.91 § 80 SächsPersVG Nr. 2 Rn. 14; ebenso bereits BAG, Vorlagebeschluss vom 18. Juni 1991 - 1 ABR 56/90 (A) - AP Nr. 33, dem sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Oktober 1991 - 6 ER 502.91 - PersR 1992, 104 m.w.N. unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung angeschlossen hat). So liegt es hier. Der Feststellungsantrag des Antragstellers bezieht sich ausschließlich auf die Vertretung von Vorgesetzten (Teamleitung), deren Aufgaben nach dem jeweils anzuwendenden kollektiven Entgeltschema einer höheren Vergütungsgruppe zugeordnet sind, als diejenigen des Vertreters. Die Vertretung ist auch nicht in einem Geschäftsverteilungs- oder Vertretungsplan der gemeinsamen Einrichtung geregelt, sondern wird nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Einzelfall auf die dafür ausgewählten kommunalen Beschäftigten übertragen.
Rz. 14
b) Die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit auf einen kommunalen Arbeitnehmer einer gemeinsamen Einrichtung ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG mitbestimmungspflichtig, weil ansonsten das bei der Übertragung dieser Tätigkeit auf einen Arbeitnehmer der Bundesagentur bestehende Mitbestimmungsrecht des Personalrats unvollständig bliebe.
Rz. 15
Das Oberverwaltungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass sich dies nicht bereits auf der Grundlage der bisher in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Fallgruppen erschließt. Auf diese Rechtsprechung kann grundsätzlich zurückgegriffen werden, weil der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG gegenüber dem bisherigen Recht keine Veränderung beinhaltet (BT-Drs. 19/26820 S. 119). Nach dieser Rechtsprechung ist die Fachbetreuertätigkeit nach dem für einen kommunalen Angestellten anzuwendenden kollektiven Entgeltschema keiner höheren Entgeltgruppe zugeordnet als die bisherige (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juni 1977 - 7 P 2.76 - juris Rn. 19 und vom 28. August 2008 - 6 P 12.07 - Buchholz 251.91 § 80 SächsPersVG Nr. 2 Rn. 13). Das nach § 18 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) vom 7. Februar 2006 zu gewährende Leistungsentgelt gehört nach der Konzeption der §§ 12 bis 23 TVöD-V nicht zum Grundgehalt. Es handelt sich vielmehr gemäß § 18 Abs. 2 TVöD-V um eine variable und leistungsorientierte Bezahlung zusätzlich zum Tabellenentgelt, die darauf zielt, die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern und zugleich Motivation, Eigenverantwortung und Führungskompetenz zu stärken (§ 18 Abs. 1 TVöD-V). In der Rechtsprechung sind darüber hinaus weitere Fallgruppen anerkannt, weil mit der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit typischerweise gleichzeitig die Höher- oder Rückgruppierung verbunden ist, sodass der Mitbestimmungstatbestand der Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit seinen eigentlich beteiligungsrechtlich selbstständigen Gehalt in der Regel nur in vom Normalfall abweichenden Konstellationen erfährt, in denen die Tarifautomatik nicht oder allenfalls verspätet zum Zuge kommt (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008 - 6 P 12.07 - Buchholz 251.91 § 80 SächsPersVG Nr. 2 Rn. 13). So wurde ein Mitbestimmungsrecht bei Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit bejaht, wenn mit der Übertragung eines Dienstpostens nicht nur Hoffnungen erweckt werden, sondern in rechtlich abgesicherter Weise eine klar verbesserte, sich konkret abzeichnende Beförderungschance eröffnet wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Dezember 1999 - 6 P 10.98 - Buchholz 250 § 76 BPersVG Nr. 39 S. 3 ff., vom 7. Juli 2008 - 6 P 13.07 - BVerwGE 131, 267 Rn. 15, 20 und vom 28. August 2008 - 6 P 12.07 - Buchholz 251.91 § 80 SächsPersVG Nr. 2 Rn. 13 ff.). Dergleichen ist hier entgegen der Einschätzung des Antragstellers nicht ersichtlich.
Rz. 16
Die vorgenannte Rechtsprechung ist jedoch insofern fortzuentwickeln, als es Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG gebieten, dass mit Rücksicht auf die besondere rechtliche Struktur einer gemeinsamen Einrichtung in Fallkonstellationen wie der vorliegenden auch die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit auf einen kommunalen Beschäftigten der Mitbestimmung des Personalrats unterfällt. Die Mitbestimmung bei der Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit soll es dem Personalrat ermöglichen, sowohl die Interessen des unmittelbar betroffenen Arbeitnehmers als auch insbesondere diejenigen der anderen Arbeitnehmer in der Dienststelle zur Geltung zu bringen, um auch bei derartigen Maßnahmen eine Behandlung aller Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit zu gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 6 P 9.95 - BVerwGE 105, 247 ≪253≫). Der Gegenstand der Mitbestimmung nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG steht im Zusammenhang mit dem beruflichen Aufstieg. Die Beteiligung des Personalrats, der auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wie des Leistungsgrundsatzes zu achten hat, soll verhindern, dass einzelne Arbeitnehmer zu Unrecht bevorzugt und andere zu Unrecht benachteiligt werden (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 6 P 17.08 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 109 Rn. 23). Kern der Mitbestimmung ist die gerechte Personalauslese (BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 2009 - 6 P 15.08 - Buchholz 251.0 § 76 BaWüPersVG Nr. 8 Rn. 61).
Rz. 17
Dieser Zweck würde angesichts der besonderen rechtlichen Struktur einer gemeinsamen Einrichtung, wie sie hier in Rede steht, nur unvollkommen verwirklicht, wenn die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit an einen dort tätigen kommunalen Arbeitnehmer nicht der Mitbestimmung des Personalrats unterläge. Nach § 44b SGB II bilden die Bundesagentur für Arbeit und die kreisfreien Städte und Kreise (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende eine gemeinsame Einrichtung. Diese steht unter der Leitung eines hauptamtlichen Geschäftsführers, der von der Trägerversammlung bestellt wird (§ 44d Abs. 1 und 2 SGB II). Die gemeinsame Einrichtung hat keine eigenen Beschäftigten, sondern die Träger weisen ihren Beamten und Arbeitnehmern mit Zustimmung des Geschäftsführers nach den beamten- und tarifrechtlichen Regelungen Tätigkeiten bei der gemeinsamen Einrichtung zu, wobei die Rechtsstellung der Beamtinnen und der Beamten ebenso unberührt bleibt wie die Arbeitsverhältnisse, die mit der Bundesagentur, dem kommunalen Träger oder einer nach § 6 Absatz 2 Satz 1 herangezogenen Gemeinde oder einem Gemeindeverband bestehen (§ 44g Abs. 3 und 4 SGB II). Ungeachtet dessen übt der Geschäftsführer mit Ausnahme der Befugnisse zur Begründung und Beendigung der Beamten- und Arbeitsverhältnisse die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse der Bundesagentur für Arbeit und des kommunalen Trägers und die Dienstvorgesetzten- und Vorgesetztenfunktion über alle Beschäftigten aus, deren Tätigkeiten dem Jobcenter zugewiesen worden sind (§ 44d Abs. 4 SGB II). Daher kann der Geschäftsführer Fachbetreuertätigkeiten grundsätzlich sowohl auf Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit als auch auf solche des kommunalen Trägers übertragen. Wie es sich verhält, wenn die Träger der gemeinsamen Einrichtung nach § 44k Abs. 2 Satz 2 SGB II Weisungen für die Bewirtschaftung des Stellenplans erteilen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Rz. 18
Überträgt der Geschäftsführer eine Fachbetreuertätigkeit an einen Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit, löst dies nach dem für diesen geltenden § 20 des Tarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) eine Funktionsstufe aus. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es der Mitbestimmung des Personalrats bei Übertragung einer höher zu bewertenden Tätigkeit (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BPersVG a.F.) unterliegt, wenn einem Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit eine Tätigkeit übertragen wird, welche zur Zahlung einer Funktionsstufe nach § 20 TV-BA führt (BVerwG, Beschlüsse vom 1. Oktober 2014 - 6 P 15.13 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 123 Rn. 10 und - 6 P 16.13 - ZfPR 2015, 2 Rn. 14). Das würde hier dazu führen, dass die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit in einer gemeinsamen Einrichtung an einen Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit mitbestimmungspflichtig ist, an einen kommunalen Arbeitnehmer jedoch nicht. Damit würde der gebotene personalvertretungsrechtliche Schutz der Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit nur unzureichend verwirklicht. Er käme insbesondere in den Fällen nicht zum Tragen, in denen Arbeitnehmer beider Gruppen um eine Übertragung der Fachbetreuertätigkeit konkurrieren und die Fachbetreuertätigkeit auf einen kommunalen Arbeitnehmer übertragen werden soll. Hier könnte die von dem Mitbestimmungstatbestand bezweckte begleitende Kontrolle im Interesse der Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit durch den Personalrat gerade nicht wahrgenommen werden. Deshalb muss sich zur Vermeidung einer zu deren Lasten bestehenden Mitbestimmungslücke der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG in einer gemeinsamen Einrichtung auch auf die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit auf die dort tätigen kommunalen Arbeitnehmer erstrecken.
Rz. 19
Dem vorbezeichneten Verständnis stehen weder die Gesetzessystematik noch der Wortlaut des § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG entgegen. Dieser ist insofern offen, als er es nicht ausschließt, dass sich die Höherbewertung aus einem anderen Tarifvertrag ergibt als demjenigen, der für den Arbeitnehmer gilt, auf den die Tätigkeit übertragen wird.
Rz. 20
Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, für den Senat verbindlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist hier die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit ein Instrument der Personalentwicklung für Arbeitnehmer beider Träger. Um die Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit konkurrieren deshalb die Arbeitnehmer beider Träger, sodass der Personalrat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 BPersVG bei der Übertragung einer Fachbetreuertätigkeit auf einen Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit oder des kommunalen Trägers mitzubestimmen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 14709666 |
ZTR 2021, 662 |
LKV 2022, 223 |
PersV 2021, 464 |
RiA 2021, 295 |
VR 2021, 432 |
öAT 2021, 220 |
ArbR 2021, 509 |