Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen 3 S 304/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 168,76 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht ausreichend dargelegt.

1. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn die Rechtssache eine – von dem Beschwerdeführer zu bezeichnende – bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und sich in dem erstrebten Revisionsverfahren stellen wird (Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90; Beschluss vom 23. April 1996 – BVerwG 11 B 96.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 10). Diese Voraussetzungen liegen für keine der in der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen vor.

a) Die von der Klägerin für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, der wörtlich mit der gemäß § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO revisiblen Regelung in § 48 Abs. 4 VwVfG LSA i.d.F. vom 18. August 1993 (GVBl S. 412) übereinstimmt, erst dann zu laufen beginnt, wenn sich die Behörde auch der Rechtswidrigkeit ihrer Entscheidung bewusst geworden ist, ist höchstrichterlich bereits geklärt. Danach setzt der Lauf der Frist für die Aufhebung fehlerhafter Bescheide erst dann ein, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (Beschluss vom 19. Dezember 1984 – BVerwG Gr.Sen. 1. und 2.84 – BVerwGE 70, 356 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 33). Zwar ist diese Entscheidung in der Literatur teilweise auf Kritik gestoßen (vgl. Kopp, DVBl 1985, 525; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht 12. Aufl. 1999, § 11 Rn. 35 m.w.N.). Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung auch in der Folgezeit hieran festgehalten (vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. August 1998 – BVerwG 7 B 58.98 – RÜ BARoV 1998 Nr. 16, 13 – 16; vom 28. September 1994 – BVerwG 11 C 3.93 – Buchholz 451.90 Europ. Wirtschaftsrecht Nr. 133; vom 3. November 1992 – BVerwG 4 B 97.92 – sowie Urteile vom 19. Juli 1985 – BVerwG 4 C 23. und 24.82 – Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 39; vom 17. Mai 1985 – BVerwG 6 C 43.84 – Buchholz 232.5 § 38 BeamtVG Nr. 2). Erhebliche neue Gesichtspunkte, die eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung trotz vorhandener Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erneut aufgegriffenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten (vgl. Beschluss vom 2. August 1960 – BVerwG 7 B 54.60 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 2), wurden nicht dargelegt.

Soweit die Klägerin meint, aus jüngeren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts sei eine fallweise Lockerung der Entscheidung vom 19. Dezember 1984 (a.a.O.) abzulesen, ist dem nicht beizupflichten. Die von ihr in diesem Zusammenhang zitierten Urteile vom 19. Dezember 1995 (– BVerwG 5 C 10.94 – BVerwGE 100, 199) und 5. August 1996 (– BVerwG 5 C 6.95 – NWVBl 97, 293), in denen jeweils auf eine Versäumnis der Rücknahmefrist erkannt wurde, betrafen Fälle, in denen die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X abgelaufen war, weil der zunächst fristgerecht erlassene Rücknahmebescheid wegen Unbestimmtheit bzw. aufgrund von Ermessensfehlern aufgehoben worden war und ein insoweit berichtigter Bescheid erst nach Ablauf der Jahresfrist erlassen wurde. Auch in diesen von der Beschwerde zu Unrecht herangezogenen Entscheidungen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Frist zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte erst mit der Kenntnis der Rechtswidrigkeit zu laufen beginnt.

b) Soweit die Klägerin die Frage aufwirft, „wie das Verhältnis der beiden Kriterien ‚Zimmerzahl in Abhängigkeit von Haushaltsgröße’ und ‚Größe der bisherigen Wohnung’ bei Widersprüchen aufzulösen ist”, bleibt die Beschwerde schon deshalb erfolglos, weil sie nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt. Zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gehört es, dass der Beschwerdeführer zumindest eine konkrete Rechtsfrage bezeichnet, die für die Entscheidung im Revisionsverfahren maßgebend sein wird (stRspr, z.B. Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 2 B 137.92 – NVwZ-RR 1993, 276). Diesen Konkretisierungsanforderungen genügt die von der Klägerin gewählte Formulierung nicht.

Zudem kommt es nach § 2 Abs. 1 Satz 4 der Trennungsgeldverordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 16. Januar 1991 (BGBl I S. 279) für die Angemessenheit einer Wohnung auch nicht auf die Zahl ihrer Zimmer, sondern auf ihre Größe und die Zahl der zum Haushalt gehörenden Personen an. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch grundsätzlich geklärt, dass eine Wohnung angemessen ist, wenn ihr Bezug dem Beamten unter Berücksichtigung seiner berechtigten persönlichen Verhältnisse zugemutet werden kann (stRspr, z.B. Urteil vom 4. August 1977 – BVerwG 6 A 2.73 – BVerwGE 54, 248 m.w.N.). Dabei muss die Wohnung familiengerecht sein, was dann der Fall ist, wenn sie nach ihrer Größe und Lage sowie nach Ausmaß und Zuschnitt der Räume den Anforderungen entspricht, die erfüllt sein müssen, um einer Familie ein Heim zu bieten, das eine gesunde Entwicklung der Familie und eine Entfaltung des Familienlebens gewährleistet (Urteil vom 8. Juli 1965 – BVerwG 8 C 30.63 – Buchholz 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 6). Hierbei ist auf die Zahl der Angehörigen abzustellen, die bereits vor dem Umzug des Beamten mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten (Urteil vom 31. Januar 1968 – BVerwG 6 C 49.67 – Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 36 = ZBR 1968, 192). Da bei der von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Frage die Anwendung der genannten Grundsätze auf den konkreten Einzelfall im Vordergrund steht, ist von ihrer Beantwortung eine weitergehende Klärung oder bedeutsame Fortentwicklung des Rechts nicht zu erwarten.

Schließlich bleibt die im Hinblick auf die Frage der Angemessenheit der Wohnungsgröße erhobene Grundsatzrüge auch deshalb ohne Erfolg, weil sie in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Bei einem – wie hier – in je selbständig tragender Weise mehrfach begründeten Urteil kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist (Beschluss vom 10. Mai 1990 – BVerwG 5 B 31.90 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat die Klage selbständig tragend auch deshalb als unbegründet abgewiesen, weil sich die Klägerin nicht unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nachweislich und fortwährend um eine angemessene Wohnung bemüht hat (§ 2 Abs. 1 Satz 2 TGV). In diesem Zusammenhang hat das Gericht einerseits auf die überhöhten Ansprüche an die Wohnungsgröße abgestellt, andererseits aber auch – rechtlich hiervon unabhängig – zugrunde gelegt, dass die Klägerin an die Lage der Wohnung unangemessene Ansprüche gestellt hat (S. 11 der Entscheidungsgründe), indem sie ihre Suche auf eine Wohnung in zentraler Lage M.s bzw. in verkehrsgünstiger Entfernung zum Zentrum beschränkte (siehe auch S. 3 der Gründe). Eine uneingeschränkte Umzugswilligkeit kann jedoch nur angenommen werden, wenn der Berechtigte sich auch um solche Wohnungen im Einzugsbereich, d.h. im Umkreis von 30 km zur neuen Dienststätte (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TGV i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c BUKG) bemüht, die nicht verkehrsgünstig liegen (vgl. Urteil vom 23. April 1987 – BVerwG 6 C 8.84 – BVerwGE 77, 199 = Buchholz 261 § 15 BUKG Nr. 1 = NVwZ 1987, 806). Das war hier ausweislich der Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts, die das Bundesverwaltungsgericht in einem etwaigen Revisionsverfahren binden würden (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht der Fall.

Die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Lage der Wohnung für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob Zeitungsannoncen wie rechtsgeschäftliche Willenserklärungen nach dem Empfängerhorizont auszulegen sind, ist nicht entscheidungserheblich, weil nicht erkennbar ist, dass das Berufungsgericht sich von anderen Auslegungsgrundsätzen hätte leiten lassen.

c) Die Frage, „ob aus der fortwährenden Trennungsgeldgewährung … auf eine ständige Verwaltungspraxis geschlossen werden kann, der eine bestimmende Verbindlichkeit bei der Entscheidung über die Rücknahme von in ständiger Praxis gewährten Trennungsgeldern zukommt”, genügt mangels hinreichender Konkretisierung einer entscheidungsfähigen Rechtsfrage ebenfalls nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Soweit man der gewählten Formulierung sinngemäß die Rechtsfrage entnehmen wollte, ob eine Behörde gehindert ist, einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen, den sie aufgrund einer bestimmten Verwaltungspraxis erlassen hat, bliebe die Beschwerde schon deshalb ohne Erfolg, weil sich diese Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, fanden sich in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten keine Hinweise auf die von der Klägerin behauptete Verwaltungsübung.

Auch die weitere von der Klägerin für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, „ob im Bereich des § 2 TGV eine ständige Verwaltungspraxis zu beachten ist”, erscheint auslegungsbedürftig. Soweit damit gemeint ist, ob ein Trennungsgeldempfänger einen Anspruch darauf hat, dass eine bestehende Verwaltungspraxis aus Gründen der Gleichbehandlung auch der Entscheidung über seinen Trennungsgeldantrag zugrunde gelegt wird, wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht die von der Klägerin behauptete Verwaltungsübung nicht festgestellt hat. Zudem wäre sie auch deshalb unerheblich, weil nicht die Gewährung von Trennungsgeld Gegenstand des Verfahrens ist, sondern die im Ermessen der Behörde stehende und daher nach anderen Rechtsgrundsätzen zu beurteilende Aufhebung eines Bewilligungsbescheides. Im Übrigen ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass im Bereich der gebundenen Verwaltung, zu der die Bewilligung von Trennungsgeld gehört, ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht besteht (Urteil vom 26. Februar 1993 – BVerwG 8 C 20.92 – BVerwGE 92, 153; Urteil vom 14. Februar 1990 – BVerwG 6 C 54.88 – Buchholz 236.1 § 20 a SG Nr. 2; Urteil vom 8. Juli 1970 – BVerwG 8 C 64.70 – Buchholz 412.6 § 1 HHG Nr. 9; Urteil vom 10. Dezember 1969 – BVerwG 8 C 104.69 – BVerwGE 34, 278 = NJW 1970, 675).

d) Die Frage, wann davon gesprochen werden kann, dass ein Trennungsgeldempfänger die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG LSA), ist ebenfalls nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, da sie sich nur unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles beantworten lässt. Der Sache nach will die Klägerin geklärt wissen, ob das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat, dass sie die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt, d.h. bei der ihr obliegenden Prüfungspflicht (vgl. Urteil vom 28. Juni 1990 – BVerwG 6 C 41.88 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 17 = NVwZ-RR 1990, 622; Urteil vom 3. Dezember 1969 – BVerwG 6 C 100.65 – Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 42) die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. Urteil vom 17. Februar 1993 – BVerwG 11 C 47.92 – BVerwGE 92, 81, 84). Das kommt auch in der von ihr für verallgemeinerungsfähig gehaltenen Frage zum Ausdruck, ob es zulässig ist, derart strenge Maßstäbe anzulegen, wie dies durch das Berufungsgericht geschehen ist. Die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung durch den Tatrichter ist der Nachprüfung des Revisionsrichters grundsätzlich entzogen, weil es sich auch um eine tatsächliche Würdigung der Instanzgerichte handelt (Urteil vom 28. Juni 1990 a.a.O.). Vom Revisionsgericht ist lediglich zu prüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff zutreffend ausgelegt und den entscheidungserheblichen Sachverhalt vollständig gewürdigt hat (Urteil vom 27. Januar 1987 – BVerwG 2 C 4.85 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 12 = NVwZ 1987, 1082). Eine solche Überprüfung setzt aber voraus, dass die Revision zugelassen wurde. Die Geltendmachung von Rechtsanwendungsfehlern allein verleiht der Sache noch keine grundsätzliche Bedeutung und führt daher, selbst wenn ein solcher Mangel geeignet sein kann, der Revision zum Erfolg zu verhelfen, nicht zu ihrer Zulassung. Hierin liegt der Unterschied zwischen der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision (Beschluss vom 18. Dezember 1972 – BVerwG 2 B 24.72 – Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 52; Beschluss vom 12. Dezember 1997 – BVerwG 10 B 6.97 –).

Gleiches gilt für die sinngemäß von der Klägerin aufgeworfene Frage, wann ein Mangel des rechtlichen Grundes einer Zahlung so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BG LSA i.V.m. den § 819 Abs. 1 und § 818 Abs. 4 BGB). Diese Frage deckt sich mit der Prüfung der grob fahrlässigen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eines ggf. aufzuhebenden Bewilligungsbescheides (vgl. Urteil vom 12. Juli 1972 – BVerwG 6 C 24.69 – BVerwGE 40, 212, 217). Höchstrichterlich ist entschieden, dass ein Mangel des Rechtsgrundes dann offensichtlich ist, wenn der Empfänger ihn nur deshalb nicht erkannte, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß außer Acht gelassen hat (Urteil vom 3. Dezember 1969 – BVerwG 6 C 100.65 – Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 42 m.w.N.). Dabei kommt es für das Erkennenmüssen des Mangels auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers an (Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 – Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3 m.w.N.). Hierbei sind auch seine dienstliche Stellung sowie seine persönliche Vor- und Ausbildung zu berücksichtigen (Urteil vom 28. Juni 1990 a.a.O.).

e) Schließlich führt auch die von der Klägerin für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, „ob bei erwiesenem erheblichen Mitverschulden der Behörde eine Billigkeitsentscheidung dahingehend zu treffen ist, dass von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden kann”, nicht zur Zulassung der Revision, da sie nicht klärungsbedürftig ist. Sie lässt sich vielmehr auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation unter Hinzuziehung der bisher vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten. Nach § 87 Abs. 2 Satz 2 BG LSA kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Mitverschulden der Behörde bei der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 27. Januar 1994 – BVerwG 2 C 19.92 – Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 21 m.w.N.; Urteil vom 9. Dezember 1976 – BVerwG 2 C 36.72 – Buchholz 232 § 158 BBG Nr. 31). Demzufolge kann ein erhebliches behördliches Mitverschulden auch ein (teilweises) Absehen von der Rückforderung zur Folge haben.

Sollte die Klägerin dagegen – was sich aus der von ihr gewählten Formulierung der Rechtsfrage nicht eindeutig ergibt – für klärungsbedürftig halten, ob eine Behörde im Falle des erheblichen Mitverschuldens verpflichtet ist, zumindest teilweise auf die Rückforderung zu verzichten, so ist darauf hinzuweisen, dass sich eine derartige Pflicht nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles begründen ließe (vgl. Beschluss vom 20. März 1998 – BVerwG 2 B 128.97 – Buchholz 240 § 12 BBG Nr. 22), sie daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung ebenfalls nicht zugänglich ist.

2. Schließlich führt auch die mit der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), das Berufungsgericht habe die für die Billigkeitsentscheidung und den eingetretenen Wegfall der Bereicherung maßgeblichen Umstände nicht hinreichend aufgeklärt, nicht zur Zulassung der Revision. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine Aufklärungsrüge in jedem einzelnen Fall die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. warum sich die Beweiserhebung dem Tatrichter auch so hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 18. Juni 1998 – BVerwG 8 B 56.98 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Soweit es die Frage des Wegfalls der Bereicherung betrifft, bedurfte es schon deshalb keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung, da es hierauf unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht ankam. Danach konnte die Klägerin sich gemäß § 87 Abs. 2 BG LSA i.V.m. § 819 Abs. 1 und § 818 Abs. 4 BGB nicht auf eine Entreicherung berufen. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung in den Fällen des § 820 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB dann nicht ausgeschlossen ist, wenn besondere Umstände nach Treu und Glauben es verbieten, diesen Einwand unberücksichtigt zu lassen (Urteil vom 13. Oktober 1971 – BVerwG 6 C 137.67 – Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 48 m.w.N.), ist eine Übertragung dieser Grundsätze auf Fälle des § 819 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB nicht möglich. Die dort vorausgesetzte Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes – bzw. die nach § 87 Abs. 2 BG LSA dem gleichstehende grob fahrlässige Unkenntnis – lässt eine Berufung auf Treu und Glauben nicht zu.

Hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Billigkeitsentscheidung war das Berufungsgericht ebenfalls nicht verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die aus § 86 Abs. 1 VwGO folgende Aufklärungspflicht der Tatsachengerichte findet ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. März 1991 – BVerwG 9 B 56.91 – Buchholz 310 § 104 Nr. 25 m.w.N.). Insbesondere bei Umständen, die nur der Klägerin bekannt sind, obliegt es ihr, bei der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken, indem sie dem Gericht die entscheidungserheblichen Tatsachen mitteilt (vgl. Beschluss vom 16. Februar 1995 – BVerwG 1 B 205.93 – Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 6 m.w.N.). Hierzu hatte die Klägerin im gerichtlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit. Anlass zu weiteren Nachforschungen von Amts wegen bot ihr Vorbringen nicht. Aufdrängen musste sich dies dem Gericht erst recht nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und 1 i.V.m. § 13 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Albers, Mayer, Gatz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI565680

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