Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen 12 A 11402/04) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. November 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 321,15 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14). Die von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage lautet: “Stellt die an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts anknüpfende Rundfunkteilnehmereigenschaft allein auf objektive Tatbestandsmerkmale i.S. der abstrakten technischen Möglichkeit des Rundfunkempfangs ab, oder erfordert sie darüber hinaus ein subjektives Tatbestandsmerkmal i.S. einer ‘Sonderverbindung zu der Landesrundfunkanstalt’ dergestalt, dass die individuellen Vorstellungen des Besitzers bzw. Verfügungsberechtigten – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung – eine Vermutung für die Nutzung der Gesamteinrichtung Rundfunk begründen?” Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Sie betrifft die Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) vom 31. August 1991 (Art. 4 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 – RhPfGVBl S. 369 –) durch das Oberverwaltungsgericht. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV wird ein Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können. Bei den Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages handelt es sich um nichtrevisibles Landesrecht, weil die Länder von der nach Art. 99 GG gegebenen Möglichkeit, Landesrecht für revisibel zu erklären, insoweit keinen Gebrauch gemacht haben (Urteil vom 9. Dezember 1998 – BVerwG 6 C 13.97 – BVerwGE 108, 108 ≪110≫). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten – bundesrechtlichen Normen ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1989 – BVerwG 7 B 177.89 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277 S. 20; Beschluss vom 1. September 1992 – BVerwG 11 B 24.92 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171 S. 18). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss vom 19. Juli 1995 – BVerwG 6 NB 1.95 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104 S. 41). Daran gemessen führt die aufgeworfene Frage nicht zur Revisionszulassung.
Entgegen der Auffassung des Klägers betrifft die Frage nicht deshalb revisibles Recht, weil das sowohl in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV als auch in § 12 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) vom 31. August 1991 (Art. 1 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland) enthaltene Tatbestandsmerkmal des “Bereithaltens eines Rundfunkgerätes” gleich auszulegen ist und weil es sich bei den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages gemäß § 48 RStV um revisibles Recht handelt. Nach § 12 Abs. 2 RStV begründet das Bereithalten eines Rundfunkgeräts auch künftig die Rundfunkgebührenpflicht. Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Senats die einzelnen im Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland enthaltenen Bestimmungen über den Kreis der Rundfunkgebührenpflichtigen einander inhaltlich nicht widersprechen (vgl. Beschluss vom 4. April 2002 – BVerwG 6 B 1.02 – Umdruck S 6 f.). Dies bezieht sich auch auf den Begriff des “Bereithaltens eines Rundfunkgeräts” in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV und in § 12 Abs. 2 RStV. Daraus folgt aber nicht, dass die von dem Beklagten als klärungsbedürftig angesehenen Einzelheiten der Auslegung des Begriffs “Bereithalten eines Rundfunkgeräts” in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV dem revisiblen Recht angehören. Dies ergibt sich aus dem Verhältnis von § 12 RStV zu den die Rundfunkgebührenpflicht konkretisierenden Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages. § 12 RStV enthält in Absatz 1 die grundlegende Entscheidung für die Rundfunkgebührenpflicht als vorrangige Finanzierungsquelle für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in Absatz 2 die Entscheidung, dass (auch künftig) das Bereithalten eines Rundfunkgeräts die Rundfunkgebührenpflicht begründet. An die Entscheidung in § 12 Abs. 2 RStV knüpft § 1 RGebStV an und enthält die grundlegenden Definitionen im Zusammenhang mit der Rundfunkgebührenpflicht einschließlich der Bestimmung des Inhalts des Begriffs “Bereithalten eines Rundfunkgeräts” in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV. Da die Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages dem nichtrevisiblen Recht angehören, bezieht sich die die Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV betreffende Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung auf solches Recht. Dass die Definition in § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV auch Klarheit über den Inhalt des Begriffs “Bereithalten eines Rundfunkgeräts” in § 12 Abs. 2 RStV verschafft, führt nicht dazu, dass die mit der Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV einhergehenden Fragen dem revisiblen Recht zuzuordnen sind.
Soweit der Beklagte der Auffassung ist, das angegriffene Urteil widerspreche dem bundesrechtlichen Begriff des Gebührengläubigers, der §§ 12 und 13 RStV zugrunde liege, so dass sich die von ihm als rechtsgrundsätzlich angesehene Frage auch vor diesem Hintergrund stelle, vermag dies die Zulassung der Revision schon deshalb nicht zu begründen, weil die angebliche Nichtbeachtung von Bundesrecht kein Fall des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist.
Der Beklagte hat auch keine ungeklärten rechtsgrundsätzlichen Fragen des Bundesverfassungsrechts bezeichnet, die sich bei der Auslegung des § 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV stellen. Soweit er meint, es laufe dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zuwider, dass das Oberverwaltungsgericht für die Frage der Rundfunkgebührenpflicht auf das Merkmal der “Sonderverbindung zu der Landesrundfunkanstalt” und auf eine aus der Verkehrsanschauung abgeleitete Vermutung, die Nutzung eines Rundfunkgeräts zu beabsichtigen, abgestellt habe, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Diese Erwägung betrifft die Vereinbarkeit der Auslegung des irrevisiblen Landesrechts mit Art. 3 Abs. 1 GG, nicht hingegen Fragen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Abgrenzung des Kreises der Gebührenpflichtigen von denjenigen, die keine Rundfunkgebühren zu entrichten haben, auf sachlichen Gründen beruhen muss, um vor Art. 3 Abs. 1 GG standzuhalten (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1998, a.a.O., 112 ff.). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – BVerfGE 90, 60 ≪106≫).
Eine die Revisionszulassung rechtfertigende Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist auch nicht mit der Erwägung des Beklagten dargetan, die aufgeworfene Frage stelle sich auch mit Blick auf die verfassungsrechtlich verbürgte Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), weil die von dem Oberverwaltungsgericht geforderte “Sonderverbindung zu der Landesrundfunkanstalt” bzw. das verlangte “Sonderverhältnis einer Person zur örtlichen Landesrundfunkanstalt” die Rechtfertigung des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach bisherigem bundesverfassungsgerichtlichen Verständnis in Frage stelle. Auch diese Erwägung bezieht sich auf die Verfassungsmäßigkeit des irrevisiblen Landesrechts in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, was die Revisionszulassung nicht zu begründen vermag.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann i.S. des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O., S. 14 m.w.N.). Daran gemessen hat die Divergenzrüge keinen Erfolg.
Der Beklagte rügt, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 6. Oktober 1992 – 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 – (BVerfGE 87, 181 ≪201≫) und in dem Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 – (BVerfGE 90, 60 ≪90 f. und 106≫) abgewichen, nach der die Rundfunkgebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten des einzelnen Empfängers besteht und allein an den Empfängerstatus, der durch den Besitz eines Rundfunkgeräts begründet wird, anknüpft, so dass derjenige zur Gebühr herangezogen wird, der sich durch Bereithaltung eines Empfangsgeräts die Nutzungsmöglichkeit verschafft. Einen davon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Das Oberverwaltungsgericht geht vielmehr ausdrücklich von der Erwägung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass die Rundfunkgebühr nur von demjenigen zu zahlen ist, der sich durch das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts die Nutzungsmöglichkeit verschafft (UA S. 5 f.), und weicht auch im Übrigen nicht von den von dem Beklagten angeführten Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts ab. Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte eine Abweichung von dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitierenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Oktober 1997 – BVerwG 6 C 10.96 – (NJW 1998, 1578) beanstandet.
Der Beklagte beanstandet auch eine Abweichung des Oberverwaltungsgerichts von der Erwägung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Dezember 1998 – BVerwG 6 C 13.97 – (Buchholz 422.2 Nr. 32 S. 52), dass die “Gebühr” nur dafür erhoben werde, dass mit der Bereithaltung des Empfangsgeräts die Möglichkeit verschafft werde, die Programmleistung in Anspruch nehmen zu können. Diese Erwägung entspricht inhaltlich der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, von der das Oberverwaltungsgericht nicht abgewichen ist.
3. Die Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch. Die Revision ist nicht deshalb nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil das Oberverwaltungsgericht gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen hätte.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt ein Gehörsverstoß nicht etwa deshalb vor, weil das Oberverwaltungsgericht für die Frage der Gebührenpflicht auf eine nach der Verkehrsanschauung bestehende Vermutung für die tatsächliche Nutzung eines Rundfunkgeräts abgestellt hat, ohne dass – wie der Beklagte vorträgt – dieser Gesichtspunkt zuvor erörtert worden sei. Es kann im Ergebnis einer den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzenden Verhinderung eines Vortrages gleichkommen, wenn ein Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr vgl. z.B. Beschluss vom 25. Mai 2001 – BVerwG 4 B 81.00 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34 S. 20 f. m.w.N.). So liegt es hier nicht. In dem angefochtenen Urteil wird angenommen, in den bei Privatpersonen üblichen Fällen sei ein sicherer Schluss auf die Rundfunkteilnahme deshalb möglich, weil nach der Verkehrsanschauung eine Vermutung für die tatsächliche Nutzung und das Bereithalten hierzu bestehe, was bei der Klägerin mit Blick auf ihr Verkaufskonzept nicht der Fall sei. Der Gesichtspunkt der Verkehrsauffassung bezieht sich auf die im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehende und schriftsätzlich erörterte Frage, ob in jedem Fall des Vorliegens einer objektiven Nutzungsmöglichkeit das Merkmal des Bereithaltens eines Rundfunkgeräts zu bejahen ist, und steht damit auch im Zusammenhang mit der nach Darlegung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörterten Frage, ob es auf die Nutzungsabsichten des Betroffenen ankommen könne. Dass in diesem Zusammenhang auch eine Verkehrsauffassung von Bedeutung sein kann, liegt nicht so fern, dass dies nach dem bisherigen Prozessverlauf ausgeschlossen werden konnte. Ob die von dem Oberverwaltungsgericht angenommene Verkehrsauffassung tatsächlich besteht, ist keine Frage der Wahrung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern eine davon zu unterscheidende Frage der Richtigkeit der entsprechenden Feststellung des Berufungsgerichts.
4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Vormeier
Fundstellen