Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 24.01.2002; Aktenzeichen 1 L 277/01) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 070 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Der von der Beschwerde geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der Abweichung von der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ist nicht gegeben. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seiner Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist. Dabei müssen die Rechtssätze sich grundsätzlich auf dieselbe Rechtsnorm beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Berufungsgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat.
Die Beklagte entnimmt dem Urteil vom 12. Februar 1965 – BVerwG 7 C 77.64 – (BVerwGE 20, 263 = GewArch 1965, 163) den Rechtssatz, dass für die Abgrenzung eines Industrie- von einem Handwerksbetrieb allein entscheidend sei, dass ab einer Größe von 180 bis 200 Arbeitskräften eine handwerksmäßige Betriebsweise nicht mehr vorliegt, ohne dass eine Prüfung weiterer Abgrenzungskriterien erfolgt. Hiervon weiche das angefochtene Urteil mit dem Rechtssatz ab, dass trotz einer Mitarbeiterzahl von wenigstens 550 auf das Gesamtbild des Betriebs abzustellen sei. Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz nicht dargelegt. Die Beklagte nimmt das Urteil vom 12. Februar 1965 nur selektiv zur Kenntnis. Es enthält nicht den ihm von der Beklagten entnommenen Rechtssatz. Vielmehr heißt es in dem Urteil zur Frage, ob ein gewerbliches Unternehmen handwerksmäßig oder industriell betrieben wird, „dass sich allgemein gültige Abgrenzungsmerkmale kaum festlegen lassen, dass vielmehr die Frage, ob ein Gewerbebetrieb zum Bereich der Industrie oder des Handwerks zu rechnen ist, nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils in Betracht kommenden Gewerbezweiges wird beantworten können und sich mit annähernder Sicherheit nur für den Einzelbetrieb wird beurteilen lassen und nur nach der Gesamtstruktur des Betriebs wird entschieden werden können” (a.a.O. S. 264). In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht in dem seinerzeit zur Entscheidung stehenden Fall unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Hochbaus der Frage Gewicht beigemessen, ob der Betriebsinhaber auf die praktische Arbeit seiner Mitarbeiter auf den Baustellen persönlich maßgeblichen Einfluss nehmen konnte. Dies war deshalb von Bedeutung, weil sich aus den weiteren, seinerzeit geprüften Kriterien, nämlich der Vorbildung des Betriebsinhabers und der Arbeitskräfte sowie der Art und dem Umfang der verwendeten technischen Hilfsmittel und der Art der von dem Betrieb errichteten Bauwerke maßgebliche Schlüsse nicht ziehen ließen. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. Dezember 1970 – BVerwG 1 B 96.70 – (GewArch 1971, 85) betont, dass aus dem vorgenannten Urteil nicht der Schluss zu ziehen sei, dass jedes baugewerbliche Unternehmen von einer bestimmten Größe und einer bestimmten Beschäftigtenzahl an der Industrie zuzurechnen sei.
Dadurch, dass das Berufungsgericht auf die Besonderheiten des Betriebs der Klägerin abgestellt hat, konnte es somit nicht von dem von der Beklagten genannten Urteil abweichen.
b) Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Beklagte möchte die Frage geklärt wissen, „wann eine handwerksmäßige und wann eine industrielle Betriebsführung vorliegt”. Sie legt aber nicht unter Würdigung der bereits zu dieser Fragestellung vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dar, dass und warum noch weitergehender Klärungsbedarf besteht.
Nach § 2 Abs. 3 IHKG gehören natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind, mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der Industrie- und Handelskammer an. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die Klägerin mit ihrer im Zuständigkeitsbereich der Beklagten liegenden Niederlassung in die Handwerksrolle eingetragen. Das Berufungsgericht hält den Betrieb der Klägerin für einen einheitlichen Handwerksbetrieb ohne nichthandwerkliche oder nichthandwerksähnliche Betriebsteile. Es ist nicht zweifelhaft, dass für die Ermittlung, ob eine in der Handwerksrolle eingetragene juristische Person einen nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil hat, auf die Grundsätze abzustellen ist, die für die Zuordnung von Gewerbebetrieben zum Bereich der Industrie oder des Handwerks gelten. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht wiederholt Stellung genommen, zuletzt in seinem Urteil vom 26. April 1994 – BVerwG 1 C 17.92 – (BVerwGE 95, 363 = GewArch 1994, 474) wie folgt:
„Ob ein Gewerbebetrieb zum Bereich des Handwerks oder der Industrie zu rechnen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweils in Betracht kommenden Gewerbezweiges beantworten und mit annähernder Sicherheit nur für den Einzelbetrieb anhand seiner Gesamtstruktur beurteilen. Nach herkömmlicher Auffassung unterscheidet sich der Industriebetrieb vom Handwerksbetrieb durch die stärkere Arbeitsteilung, wobei indessen zu beachten ist, dass das Ausmaß der Arbeitsteilung angesichts der vordringenden Rationalisierung auch im Handwerk zunimmt. Die Mitarbeit des Betriebsinhabers hängt von dessen persönlichem Entschluss ab und kann infolgedessen nur ein unsicheres Kriterium für die Abgrenzung zum Industriebetrieb sein. Zu den für eine industrielle Betriebsweise typischen Merkmalen gehört weiter die umfangreichere Verwendung von technischen Hilfsmitteln und ein verhältnismäßig stärkerer Kapitaleinsatz.
Daneben ist für die Frage der Abgrenzung unter anderem von Bedeutung, ob und in welchem Umfang der Einsatz von Arbeitskräften erforderlich ist, die eine umfassende handwerkliche Ausbildung erfahren haben, und ob der Inhaber des Betriebes in der Lage ist, die Arbeit seiner Mitarbeiter im Einzelnen zu überwachen und ihnen erforderlichenfalls Anweisungen zu erteilen. Letztlich entscheidend ist, ob nach dem Gesamtbild des Betriebes die Elemente der handwerksmäßigen oder der industriellen Betriebsweise überwiegen.”
Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dass ein Revisionsverfahren zu weitergehenden Erkenntnissen führen könnte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Der Hinweis darauf, dass Unsicherheiten in der Bewertung von Großbäckereien bestehen könnten, betrifft allein die Anwendung der genannten Grundsätze und zeigt keine klärungsbedürftige Problematik des revisiblen Rechts auf.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 13 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen