Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 19.01.2007; Aktenzeichen 8 BV 05.1963) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).
1.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf:
Kann Gegenstand einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung eine Angebotsplanung sein, die eine Vielzahl unterschiedlichster Vorhaben ermöglicht (vorhabenlose Angebotsplanung)?
In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage jedoch nicht stellen. Die Beschwerdebegründung verdeutlicht, dass sich der Kläger gegen die Planfeststellung von bebaubaren Flächen für Hochbauten wendet. Außerdem ist der vorliegende Planfeststellungsbeschluss für einen Sonderflughafen nach den – insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen – Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs durch mehrere Eigenschaften und Besonderheiten gekennzeichnet, denen in der aufgeworfenen Fragestellung nicht Rechnung getragen wird. So dient der Sonderflughafen einem besonderen Verkehrszweck und steht nur einem bestimmten Kreis von Nutzungsberechtigten offen (Urteilsabdruck S. 3, 22). Ferner besteht der Flughafen bereits seit Jahrzehnten und ist die für Hochbauten vorgesehene Fläche seit langem Gegenstand luftverkehrsrechtlicher Entscheidungen und damit der Bauleitplanung der Gemeinde entzogen. Nach dem insolvenzbedingten Wegfall der früheren Nutzerin (einem Unternehmen der Luftfahrtindustrie) soll die Gefahr abgewendet werden, dass die vorhandene Flughafeninfrastruktur nicht erhalten werden kann (Urteilsabdruck S. 13).
Ferner wäre die Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, da sie mit dem Hinweis auf “unterschiedlichste Vorhaben” (in der Beschwerdebegründung auch als “vorhabenlose Angebotsplanung” bezeichnet) einen Sachverhalt unterstellt, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, dass zumindest ein Teil der Investitionen für den Bau des Großraumflugzeugs Airbus A 380 und des militärischen Transportflugzeugs A 400 M sowie zur Einrichtung des Galileo-Satellitensystems am Standort des Sonderflughafens erfolgen werde und Erweiterungsabsichten weiterer am Flughafen tätiger Firmen bestünden (Urteilsabdruck S. 17). Damit kann von einer reinen Angebotsplanung, bei der die künftigen Nutzer noch völlig unbekannt sind, schon in tatsächlicher Hinsicht nicht gesprochen werden. Im Übrigen lassen sich die Bedenken, die der Senat gegenüber einer reinen “Vorratsplanung” und der Vorzeitigkeit einer planerischen Entscheidung bei der Regelung des Betriebs eines Flughafens mit den dadurch entstehenden Lärmauswirkungen geäußert hat (Urteil vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – BVerwGE 123, 261, 273 f.), nicht ohne Weiteres auf die Planung von Hochbauten auf dem Flughafengelände (§ 8 Abs. 4 LuftVG) übertragen, wenn von diesen keine Lärmbelastungen ausgehen.
Soweit in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, auf den betroffenen Flächen innerhalb der Flughafengrenzen könne auch ein Einkaufszentrum oder ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb errichtet werden, unterstellt sie einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Denn nach dem Roteintrag der Planfeststellungsbehörde (Urteilsabdruck S. 19) sind derartige Nutzungen nicht zugelassen.
Soweit die Beschwerde in der ergänzend gestellten Frage darauf abstellt, dass es sich vorliegend um einen (primär) privatnützigen Sonderflughafen handele, ist auf das Urteil des Senats vom 26. April 2007 – BVerwG 4 C 12.05 – NVwZ 2007, 1074; Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) zu verweisen. Danach unterscheidet das Luftverkehrsrecht nicht zwischen privat- und gemeinnützigen Vorhaben. Auch für die Planfeststellung eines nur privaten Verkehrszwecken dienenden Sonderflugplatzes gelten die allgemeinen Anforderungen der Planrechtfertigung und des Abwägungsgebots. Auf dieses Urteil hat bereits die Beigeladene in ihrer Erwiderung hingewiesen; weiteren Klärungsbedarf zeigt der Kläger nicht auf.
1.2 Auch die sinngemäß gestellte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen § 8 Abs. 4 LuftVG die Planfeststellung von Flächen für Hochbauten durch allgemeine Nutzungstypen (entsprechend der Regelungstechnik der BauNVO) ermöglicht, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Revision bemängelt in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der vorliegende Planfeststellungsbeschluss die zulässigen Nutzungen in allgemeiner Form einem Bebauungsplan vergleichbar regelt und noch keine konkreten Vorhaben festlegt.
Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.
Nach § 8 Abs. 4 LuftVG in der Fassung des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1993 kann auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände Gegenstand der Planfeststellung sein. Von einer derartigen Befugnis ist der Senat im Übrigen bereits in seinem Urteil vom 20. Juli 1990 – BVerwG 4 C 30.87 – (BVerwGE 85, 251, 256) ausgegangen (vgl. ferner Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 9 A 3.01 – BVerwGE 115, 158, 162). Voraussetzung hierfür ist zunächst eine sachgerechte Abgrenzung des Flughafengeländes. Diese hat sich an der jeweiligen Zweckbestimmung des Flughafens auszurichten und kann sich bei einem Sonderflughafen, der unter anderem der Produktion oder Wartung von Flugzeugen dient, anders darstellen, als bei einem Verkehrsflughafen. Ferner muss ein funktioneller und räumlicher Zusammenhang der Hochbauten mit dem Flughafenbetrieb bestehen (vgl. Beschluss vom 31. März 1992 – BVerwG 4 B 210.91 –, juris, sowie Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – BVerwGE 125, 116 Rn. 235).
Das LuftVG regelt jedoch nicht näher, wie detailliert die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände zu sein hat. Der Gesetzgeber geht ferner davon aus, dass die Planfeststellung nicht eine aufgrund des Baurechts erforderliche Baugenehmigung ersetzt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 LuftVG; vgl. auch Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 9 A 3.01 – BVerwGE 115, 158, 162). Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass die Planfeststellungsbehörde die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten noch nicht so konkret regelt, wie dies in einer Baugenehmigung geschieht, sondern allgemeine Festsetzungen trifft, wie sie einem Bebauungsplan entsprechen. Vorliegend hat die Planfeststellungsbehörde unter anderem die bebaubaren Flächen durch Baugrenzen ausgewiesen sowie die zulässigen Nutzungen ihrer Art nach näher umschrieben (u.a. Verwaltung und Betrieb des Flughafens; Entwicklung, Produktion, Instandhaltung, Aus- und Umrüstung sowie Vertrieb von Luftfahrzeugen bzw. Luft- und Raumfahrtkomponenten; Wartung von Luftfahrtgerät durch namentlich genannte Bundesministerien; Unterstellung von Luftfahrzeugen; Durchführung von luftfahrtaffinen Messen, Ausstellungen und Kongressen). Eine derartige Regelung überschreitet nicht die der Planfeststellungsbehörde vom Gesetz erteilte Befugnis, Regelungen über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Hochbauten auf dem Flughafengelände zu treffen. Für diese rechtliche Schlussfolgerung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
1. 3 Die von der Beschwerde zur Planrechtfertigung bei “privatnützigen” Sonderflughäfen gestellten Fragen bedürfen keiner weiteren grundsätzlichen Klärung, sondern sind jedenfalls durch das genannte Urteil vom 26. April 2007 – BVerwG 4 C 12.05 – (a.a.O.) geklärt.
1.4 Auch die Fragen
• Unter welchen Voraussetzungen sind bei der Änderungsplanfeststellung eines Sonderflughafens die privaten Belange erneut im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen?
• Kommt es bei der Änderungsplanfeststellung eines Sonderflughafens im Hinblick auf die privaten Belange auf eine Veränderung der luftseitigen technischen Kapazität an oder ist insofern eine Veränderung der luftseitigen technischen Kapazität unerheblich, da die allgemeine luftseitige Kapazität durch die luftrechtliche Genehmigung begrenzt wird?
• In welchem Verhältnis stehen luftrechtliche Genehmigung und Änderungsplanfeststellung zueinander in Bezug auf die nachbarlichen/privaten Rechte bei Sonderflughäfen?
rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Ausgangspunkt der Frage, ob – wie vorliegend – bauliche Änderungen der Rollwege und Genehmigungen für Hochbauten (ohne bauliche Veränderung der Start- und Landebahn) eine erneute Prüfung der Belange der Nachbarn auslösen, ist die Rechtslage, wie sie durch die vorangegangenen Genehmigungen und/oder Planfeststellungen gestaltet worden ist. Die Frage der Zumutbarkeit von Beeinträchtigungen der Flughafenanlieger wird nicht durch jede planfeststellungsbedürftige Änderung wieder neu aufgeworfen. Sie stellt sich jedenfalls dann nicht, wenn es sich um Beeinträchtigungen handelt, die von einer früheren luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 Abs. 1 LuftVG gedeckt sind und von einer späteren planfeststellungsbedürftigen Änderung des Flughafens nicht berührt werden (Urteil vom 15. September 1999 – BVerwG 11 A 22.98 – Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17 = NVwZ 2000, 681). Somit kommt es für die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen auf den Regelungsgehalt der jeweiligen früheren Genehmigungsentscheidung an, so dass eine fallübergreifende grundsätzliche Beantwortung nicht in Betracht kommt. Folgerichtig hat der Verwaltungsgerichtshof vorliegend maßgeblich auf die bestandskräftige luftrechtliche Genehmigung (in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 2. Dezember 2002) abgestellt und ihr die weiteren Einzelheiten entnommen. Dabei ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass beim vorliegenden Sonderflughafen der Kreis der berechtigten Benutzer des Sonderflughafens und damit mittelbar auch die Zahl der zulässigen Flugbewegungen von vornherein eingeschränkt sei. Daher komme es für die Bestimmung des genehmigten Betriebs und dessen mögliche Änderung nicht auf die so genannte technische oder luftseitige Kapazität an (Urteilsabdruck S. 22). Vielmehr leitet das Berufungsgericht das Ausmaß des zugelassenen Betriebs in erster Linie aus der eingeschränkten Benutzung ab und sieht insoweit keine, eine erneute abwägende Überprüfung gebietende, Veränderung durch die jetzt erfolgte Änderungsplanfeststellung.
1.5 Die Frage, wie sich bei Sonderflughäfen die Zumutbarkeitsgrenze im Sinne von § 9 Abs. 2 LuftVG von Lärm bei “offenen” Vorhaben, bestimmt, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Es ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung des jeweiligen Einzelfalls, wie der besonderen Situation eines privaten Zwecken dienenden Sonderflughafens sowie möglichen weiteren Besonderheiten im Einzelfall bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze Rechnung zu tragen ist (Urteil vom 26. April 2007 – BVerwG 4 C 12.05 – a.a.O., Rn. 68).
1.6 Die weiteren Fragen, ob ein Nachbar bei privatnützigen Sonderflughäfen auf passive Schallschutzmaßnahmen sowie auf Nutzungsentschädigungen für die Außenwohnbereiche verwiesen werden kann, sind ebenfalls durch das genannte Urteil vom 26. April 2007 – BVerwG 4 C 12.05 – (a.a.O. Rn. 65 und 66 ff.) geklärt, mit dem der Senat die Revision gegen das in der Beschwerdebegründung genannte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 2. Juni 2005 zurückgewiesen hat. Danach kann, wenn auch ein öffentliches Interesse am Ausbau eines privaten Verkehrszwecken dienenden Sonderlandeplatzes besteht – was der Verwaltungsgerichtshof hier bejaht hat (Urteilsabdruck S. 14) –, dieses sich in Verbindung mit den privaten Verkehrsinteressen des Flugplatzunternehmers im Wege der Abwägung gegen die Lärmschutzbelange der Anwohner durchsetzen, auch wenn passiver Schallschutz oder Entschädigung gewährt werden muss. Soweit in den ergänzend hierzu gestellten Fragen auf eine Angebotsplanung abgestellt wird, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
2. Auch die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
2.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beweisantrag zur Erhöhung der technischen luftseitigen Gesamtkapazität mit der Begründung abgelehnt, nach seiner Rechtsauffassung komme es auf die unter Beweis gestellte Frage nicht an, und dies näher dargelegt. Dies lässt keinen Verfahrensfehler erkennen. Dass das Gericht in seinen Hilfserwägungen dennoch auf diesen Sachverhalt eingegangen ist, steht dem nicht entgegen, denn hierauf beruht das Urteil nicht. Zu Fragen, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich ankommt, braucht ein Gericht keine Beweise zu erheben. Auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör und den Überzeugungsgrundsatz scheidet aus.
2.2 Auch soweit die Beschwerde die Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses durch den Verwaltungsgerichtshof (Urteilsabdruck S. 32) rügt, zeigt sie keinen Verfahrensfehler auf. Offenbar meint sie, die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Planfeststellungsbehörde hinsichtlich der Lärmbelange eine Abwägung vorgenommen habe, sei in so hohem Maße unvertretbar (aktenwidrig), dass dies einen Verfahrensfehler darstelle. Davon kann indessen keine Rede sein. Dies ergibt schon die von der Beschwerdebegründung selbst vorgenommene Gegenüberstellung der Texte. Denn die Schlussfolgerung einer Planfeststellungsbehörde, der Fluglärm müsse (aus näher dargelegten Gründen) nicht neu bewertet werden, zeigt gerade, dass sie sich mit dieser Problematik auseinander gesetzt und sie nicht etwa unbeachtet gelassen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen