Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist der Begriff des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG dahin auszulegen, dass ein zum menschlichen Verzehr bestimmtes und als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnetes Produkt ein Funktionsarzneimittel ist, wenn es Stoffe enthält, die bei Beachtung der auf der Verpackung aufgedruckten Verzehrempfehlung in der im Produkt enthaltenen niedrigen Dosierung gesundheitsgefährdend sind, ohne therapeutische Wirkungen erzielen zu können, die aber in hoher Dosierung therapeutisch wirksam sind?
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Verkehrsfähigkeit des von der Klägerin in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebrachten Produkts “Weihrauch H 15-Tabletten”. Jede Tablette enthält neben verschiedenen Hilfsstoffen 400 mg indischen Weihrauchextrakt. Nach der auf der Packung aufgedruckten Verzehrempfehlung ist täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit einzunehmen. Das Produkt wird in Indien hergestellt. In Österreich ist es als Lebensmittel im Verkehr. Von dort importiert es die Klägerin nach Deutschland.
Mit Bescheid vom 23. Januar 2002 untersagte der Beklagte der Klägerin gemäß § 69 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG), das Produkt weiterhin in Verkehr zu bringen. Zur Begründung führte er aus, es handele sich um ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel. Fertigpräparate aus Weihrauchextrakt seien in Indien als Arzneimittel zugelassen; dies präge auch die Verkehrsauffassung in Deutschland.
Die Klägerin hat gegen den Untersagungsbescheid Klage erhoben und vorgetragen, die Tabletten seien ein Lebensmittel in der besonderen Form des Nahrungsergänzungsmittels und kein Arzneimittel. Es handele sich nicht um ein Präsentationsarzneimittel, da es auf der Verpackung ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet werde und jeder Hinweis auf eine heilende oder Krankheiten vorbeugende Wirkung fehle. Für ein Funktionsarzneimittel fehle es bei der vorgeschriebenen Tagesdosis von 400 mg an einer pharmakologischen Wirkung. Sie habe durch zwei Gutachten nachgewiesen, dass von einer Tagesdosis von 400 mg keine solche Wirkung ausgehe. Entsprechend der traditionellen Verwendung von Weihrauchextrakt als Aroma und Gewürz dienten die Tabletten einem Ernährungszweck.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. Mai 2003 mit der Begründung abgewiesen, nach der Verkehrsauffassung habe das Produkt überwiegend die Zweckbestimmung eines Arzneimittels.
Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 3. Februar 2006 zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, das streitige Produkt unterfalle zwar der Definition des Lebensmittels und des Nahrungsergänzungsmittels. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass Weihrauchextrakt aus ernährungsspezifischer Sicht die Lebensmittel bekömmlicher mache und die Freisetzung von Verdauungssekreten vorbereite. Mindestens liege aber als physiologische Wirkung die Geschmackswirkung eines Aromastoffs vor. Gleichwohl sei das Produkt rechtlich nicht als Lebensmittel zu behandeln, weil nach Gemeinschaftsrecht Arzneimittel keine Lebensmittel seien. Die Tabletten erfüllten die Arzneimitteldefinition des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 6. November 2001 (ABl Nr. L 311 S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 2004 (ABl Nr. L 136 S. 34). Die Parteien seien zwar einig, dass kein Präsentationsarzneimittel vorliege. Es handele sich aber um ein Funktionsarzneimittel. Maßgebend sei insoweit, ob ein Produkt zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt sei und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben könne. Insoweit sei vorliegend die pharmakologische Wirkung des Produkts entscheidend. Diese könne sich sowohl in positiven als auch in negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zeigen.
Nach den dem Berufungsgericht vorliegenden Erkenntnissen aus der jüngeren Forschung greife Weihrauchextrakt in die Körperfunktionen durch pharmakologische Wirkungen ein und habe damit Auswirkungen auf die Gesundheit. Er beeinflusse Entzündungsprozesse. In einer Dosierung zwischen 800 und 1 600 mg pro Tag habe er eine antientzündliche Wirkung. Entzündungsprozesse im Körper könnten damit wirksam bekämpft werden. Einem niedrigdosierten Präparat wie dem hier streitigen Produkt komme die entsprechende Wirkung allerdings nicht zu. In niedriger Dosierung könne Weihrauchextrakt aber auch den umgekehrten Effekt haben, dass er Entzündungsprozesse fördere. Das “Umkippen” der Wirkung erkläre sich aus der chemischen Vielfalt von Weihrauchextrakt. Gerade für einen solchen Umkehreffekt lägen Forschungsergebnisse vor. Auch eine derartige negative Auswirkung müsse als pharmakologische Wirkung berücksichtigt werden. Diese solle im Hinblick auf das Ziel, den Gesundheitsschutz des Verbrauchers sicherzustellen, die ambivalenten Gesundheitswirkungen insgesamt erfassen. Insofern greife die Argumentation der Klägerin zu kurz, die negative Gesundheitsauswirkungen nur bei Überdosierung, nicht aber bei Unterdosierung in den Blick nehme. Ergäben Forschungsergebnisse wie beim Weihrauchextrakt ausnahmsweise eine negative Gesundheitsauswirkung bei Unterdosierung, so müsse sie zum Gesundheitsschutz auch rechtlich als pharmakologische Wirkung beachtet werden.
Für die Einstufung als Arzneimittel sei die pharmakologische Wirkung in erster Linie von Bedeutung. Die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zusätzlich zu berücksichtigenden Merkmale wie die Modalitäten des Gebrauchs, der Umfang der Verbreitung und die Bekanntheit bei den Verbrauchern seien vorliegend ohne Aussagekraft und daher für die Einstufung ohne Bedeutung.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren weiter. Dazu rügt sie in erster Linie die Verletzung formellen Rechts. Das angefochtene Urteil sei eine Überraschungsentscheidung. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sei das Problem der Gesundheitsgefährdung durch Unterdosierung nicht angesprochen worden. Auch materiellrechtlich habe das Berufungsgericht das streitige Produkt zu Unrecht als Arzneimittel angesehen. Es sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die bei hochdosierter Gabe von Weihrauchextrakt anzunehmende therapeutische Wirksamkeit hier nicht zur Bejahung der Arzneimitteleigenschaft führe, weil bei Beachtung der Verzehrempfehlung diese Dosis nicht erreicht werde. Allein aus einer bei niedriger Dosierung möglichen Gesundheitsgefährdung könne aber das Vorliegen eines Arzneimittels nicht hergeleitet werden, da sowohl das Gemeinschaftsrecht als auch das nationale Recht Regelungen über den Umgang mit gesundheitsschädlichen Lebensmitteln enthielten, deren Vorhandensein also voraussetzten.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das angefochtene Urteil ebenfalls für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Beantwortung der im Tenor dieses Beschlusses gestellten Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf die Abgrenzung der Humanarzneimittel von den Lebensmitteln, insbesondere von den Nahrungsergänzungsmitteln, ab. Die vom Berufungsgericht gegebene Antwort hat zwar in der Literatur verschiedentlich Zustimmung erfahren (vgl. Wagner, ZLR 2006, 213, 218 f; Preuß, ZLR 2007, 435, 450). Sie ist jedoch nicht unumstritten (vgl. Dettling, PharmR 2006, 58, 68 ff.) und begegnet auch aus der Sicht des Senats erheblichen Bedenken. Eine jeden Zweifel ausschließende Entscheidung ist unter diesen Umständen nicht möglich. Der Senat setzt daher das Verfahren aus und legt die Frage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.
1. Nach nationalem Recht ist Grundlage der ergangenen Verbotsverfügung § 69 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) in der Fassung vom 11. Dezember 1998 (BGBl I S. 3586). Nach dieser Vorschrift treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der ergangen Verfügung ist hiernach, dass es sich bei dem Produkt “Weihrauch H 15-Tabletten” um ein Arzneimittel handelt.
Im nationalen Recht wird das Arzneimittel definiert in § 2 Abs. 1 AMG. Ob diese Definition heute überhaupt noch rechtlich relevant ist, erscheint fraglich, weil Art. 2 Satz 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl Nr. L 31 S. 1) die Arzneimitteldefinition der Humanarzneimittelrichtlinie ausdrücklich in Bezug nimmt und damit unmittelbar verbindlich macht (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 40.05 – ZLR 2007 S. 368 Rn. 16). Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da die Definition des § 2 Abs. 1 AMG jedenfalls richtlinienkonform auszulegen ist und damit inhaltlich keine Abweichungen von der gemeinschaftsrechtlichen Definition aufweist (vgl. Beschluss vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 38.06 – ZLR 2007 S. 378 Rn. 20; BGH, Urteil vom 30. März 2006 – I ZR 24/03 – ZLR 2006 S. 411 Ls. 3). Dies rechtfertigt es, der Beurteilung unmittelbar die gemeinschaftsrechtliche Arzneimitteldefinition zugrunde zu legen.
2. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG enthält für den Begriff des Arzneimittels alternativ zwei Definitionen. Zum einen sind (a) Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Zum anderen sind (b) Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Der Senat geht davon aus, dass diese zweifache Definition die seit langem das Gemeinschaftsrecht kennzeichnende Unterscheidung zwischen den so genannten Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach Bezeichnung) und den Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach Funktion) aufnimmt. Danach betrifft die erste Alternative weiterhin das Präsentationsarzneimittel, während sich in der zweiten Definition das Funktionsarzneimittel wiederfindet (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 40.05 – a.a.O. Rn. 18 und vom 16. Mai 2007 – BVerwG 3 C 34.06 – NVwZ-RR 2007, 771 Rn. 21).
Das Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels hat das Berufungsgericht wegen der Bezeichnung des Produkts als Nahrungsergänzungsmittel und wegen des Fehlens jeden Hinweises auf eine therapeutische Zweckbestimmung verneint. Dies wird von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen und ist daher der Entscheidung zugrunde zu legen.
Problematisch erscheint dagegen, ob es sich bei “Weihrauch H 15-Tabletten” um ein Funktionsarzneimittel handelt. Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Es hat angenommen, das Präparat beeinflusse durch seine pharmakologische Wirkung die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers im Sinne einer Auswirkung auf die Gesundheit, weil es infolge seiner niedrigen Dosierung entzündungsfördernd wirken könne und daher gesundheitsgefährdend sei. Dagegen hat es dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass Weihrauchextrakt in höherer Dosierung, als sie das streitige Produkt bei Beachtung der Verzehrempfehlung enthält, therapeutische Wirkungen entfaltet.
Der Senat hat die hiernach auch im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage, ob ein Produkt als Funktionsarzneimittel angesehen werden kann wegen eines Bestandteils, der in bestimmter Dosierung physiologische Veränderungen hervorrufen kann, dessen Dosierung in dem zu beurteilenden Produkt aber dahinter zurückbleibt, bereits mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 – BVerwG 3 C 38.06 – dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt (Rs. C-140/07). Das hier zu beurteilende Präparat wirft zusätzlich die Frage auf, ob eine von einem solchen Produkt gerade wegen der niedrigen Dosierung ausgehende Gesundheitsgefährdung zur Qualifizierung als Arzneimittel führen kann.
Das Berufungsgericht macht seine bejahende Antwort auf diese Frage im Wesentlichen am Begriff der pharmakologischen Wirkung fest. Es stützt sich darauf, dass unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen sei, einschließlich des Untergebiets der Toxikologie. Aus der Sicht der Pharmakologie wirkten viele Pharmaka dosisabhängig entweder als Arzneimittel oder als Gift. Mit seiner pharmakologischen Wirkung umfasse das Funktionsarzneimittel deshalb nicht nur den Bereich einer positiven therapeutischen Beeinflussung der Körperfunktionen, sondern auch den Bereich einer negativen, schädlichen Beeinflussung. Diesen Ausführungen ist, was den Begriff der pharmakologischen Wirkung angeht, nicht zu widersprechen.
Gleichwohl vermag der Senat dem Berufungsgericht im Ergebnis nicht zu folgen. Probleme bereitet nämlich die Bejahung des übergreifenden Tatbestandsmerkmals, dass es sich um Stoffe oder Stoffzusammensetzungen handeln muss, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die menschlichen physiologischen Funktionen wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die Worte “um zu” legen die Annahme nahe, dass es sich um eine Anwendung handeln muss, die bewusst und gezielt den Gesundheitszustand verändert. Es liegt fern anzunehmen, dass damit auch Anwendungen gemeint sein könnten, die von vornherein nur negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.
In dieselbe Richtung weist die Überlegung, dass die Begriffe “wiederherstellen” und “korrigieren” die Erreichung des gesundheitlichen Normalzustandes zum Ausdruck bringen, mithin im Allgemeinen auf eine therapeutische Wirkung abstellen. Das legt es nahe, auch dem Begriff “beeinflussen” nur Maßnahmen zuzuordnen, die jedenfalls in erster Linie auf eine positive Veränderung der menschlichen physiologischen Funktionen abzielen.
Die Auffassung, dass allein die von einem zum menschlichen Verzehr bestimmten Produkt ausgehende Gesundheitsgefahr dieses zu einem Arzneimittel mache, übersieht nicht nur, dass das Gemeinschaftsrecht in Art. 14 Abs. 2 VO (EG) 178/2002 auch gesundheitsschädliche Erzeugnisse den Lebensmitteln zuordnet und ihnen lediglich die Verkehrsfähigkeit versagt. Sie würde auch zu nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führen. So müssten etwa Zigaretten wegen ihres unbestrittenen Risikopotentials als Arzneimittel eingestuft werden.
Die bislang vorliegende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bietet keine hinreichende Grundlage für eine zweifelsfreie Beantwortung der aufgeworfenen Frage. Zwar hat der Gerichtshof seit langem ausgesprochen, dass für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen –, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen sind (vgl. die Nachweise im Urteil vom 9. Juni 2005 – Rs. C-211/03 u.a., HLH und Orthica – Slg. 2005, I-5141, 5212 ff. Rn. 30 und 51). Die gesundheitlichen Risiken eines Produkts sind danach ein wesentlicher Faktor für die Einschätzung, ob es sich um ein Arzneimittel oder etwa ein Lebensmittel oder ein kosmetisches Mittel handelt. Dementsprechend hat der Gerichtshof in dem zitierten Urteil ausgesprochen, die Gesundheitsgefahr sei ein eigenständiger Faktor, den die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen der Einstufung dieses Erzeugnisses als Medikament “nach der Funktion” ebenfalls zu berücksichtigen hätten (a.a.O. Rn. 53). Auf dieser Grundlage hat er beispielsweise für die Einstufung von Vitaminpräparaten der Frage entscheidendes Gewicht beigemessen, ab welcher Dosierung die Unschädlichkeit der Aufnahme dieser Vitamine ungewiss werde oder welcher Art die mit ihrer Überschreitung verbundenen Risiken seien (vgl. Urteile vom 29. April 2004 – Rs. C-150/00, Kommission/Österreich – Slg. 2004 I-3887, 3914 Rn. 71 und – Rs. C-387/99, Kommission/Deutschland – Slg. 2004 I-3773, 3792 Rn. 60). Auch die übrige Rechtsprechung des Gerichtshofs weist darauf hin, dass die von einem Präparat ausgehenden Gesundheitsrisiken, so sie vorhanden sind, aufgrund des Schutzzwecks des Arzneimittelrechts von entscheidender Bedeutung sind (vgl. auch Urteil vom 16. April 1991 – Rs. C-112/89, Upjohn – Slg. 1991 I-1703, 1744 Rn. 31). Diese Rechtsprechung nimmt jedoch zum einen noch nicht die verstärkte Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes auch im Lebensmittelrecht in den Blick. Zum anderen behandelt sie nicht die Frage, ob allein die Gefahr einer Gesundheitsschädigung ein zur Einnahme durch Menschen bestimmtes Produkt zum Arzneimittel machen kann.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
PharmaR 2008, 254 |
LMuR 2008, 72 |