Entscheidungsstichwort (Thema)
Atomares Endlager. vernachlässigbare Wärmestrahlung. Planfeststellung. planerische oder gebundene Entscheidung. Standortsuche. Planungshoheit. kommunale Einrichtungen. Transportrisiko. Gebot der Schadensvorsorge. Raumordnung und Landesplanung. Trinkwasserversorgung. Zulässigkeit der Klage
Leitsatz (amtlich)
Die atomrechtliche Planfeststellung ist eine gebundene Entscheidung ohne planerischen Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde im Hinblick auf Alternativstandorte.
Normenkette
AtG § 4 Abs. 1-2, § 7 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1-3, 5, § 9a Abs. 3 S. 1, § 9b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 Sätze 1-2; StrlSchV § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 49 Abs. 1, § 117 Nrn. 16-17; VwGO § 42 Abs. 2, § 108 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 08.03.2006; Aktenzeichen 7 KS 145/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. Die Beigeladene zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die atomrechtliche Planfeststellung für die Errichtung und den Betrieb des Bergwerkes Konrad als Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmestrahlung.
Das Zentrum des Gemeindegebiets der Klägerin liegt ca. 6,5 km nordwestlich des für das Endlager vorgesehenen Grubenfeldes auf dem Gebiet der Stadt Salzgitter; der Ortsteil Broistedt liegt zum Teil innerhalb eines Umkreises von 5 km. Das Bergwerk dehnt sich unter Tage über eine Fläche von ca. 6 km(2) aus und wird durch sechs Stollen zwischen 800 m und 1 300 m aufgeschlossen. Die einzulagernden Abfallgebinde werden durch die Bahn und durch Lkw angeliefert. Nach Beendigung der Betriebsphase wird das Bergwerk in einen Zustand versetzt werden, der keiner weiteren Überwachung mehr bedarf. Die Klägerin sieht sich durch die Planfeststellung in ihrer Planungs-, Personal- und Finanzhoheit und als Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung betroffen. Insbesondere habe der Planfeststellungsbeschluss nicht die Transportrisiken, die Langzeitsicherheit und das Risiko terroristischer Anschläge bedacht.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Sie erweise sich bereits als unzulässig. Die Klägerin müsse substantiiert vortragen, aus welchen Gründen sie durch den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss in eigenen Rechten verletzt sei. Hieran fehle es. Die Klägerin könne sich im Zusammenhang mit befürchteten Luftimmissionen und einer Belastung der Fuhse mit Abwassern aus dem Endlager nicht zum Sachwalter der Interessen ihrer Bürger aufschwingen. Hinsichtlich einer Beeinträchtigung der Planungshoheit sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass durch das Vorhaben planerische Absichten der Klägerin berührt werden könnten. Dasselbe gelte auch für den Transport atomarer Abfälle zur Schachtanlage. Die Klägerin trage kein anderes Risiko als jede Gemeinde, über deren Gebiet atomarer Abfall angeliefert werde. Von der fehlenden Zulässigkeit abgesehen habe die Klage auch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin werde durch den Planfeststellungsbeschluss nicht in eigenen Rechten verletzt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde führt nicht zur Zulassung der Revision.
1. Unzulässigkeit der Klage
Die Beschwerde rügt eine Divergenz des angegriffenen Urteils zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1993 – BVerwG 4 C 15.92 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 156). Die Divergenz liegt nicht vor.
Eine die Revision eröffnende Abweichung setzt voraus, dass die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts widerspricht (stRspr, Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Die Beschwerde muss dabei die angeblich widersprechenden abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Schon hieran fehlt es. Zudem bezieht sich die von der Beschwerde benannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Klage einer Nachbargemeinde, die aus § 34 BauGB Abwehrrechte gegen die Erteilung eines Bauscheins für die Errichtung eines Baumarktes und eines Autoshops herleiten will unter Bezugnahme auf raumordnerische Zielvorgaben. Dass aus § 34 BauGB herzuleitende Kriterien für die Zulässigkeit der Klage einer Nachbargemeinde gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens sich nach anderen gesetzlichen Vorgaben bemessen als die Klage einer Nachbargemeinde gegen einen Planfeststellungsbeschluss, folgt schon aus der Unterschiedlichkeit der Rechtsregime. Darüber hinaus ist es insbesondere nicht Zweck einer Divergenzrevision, allgemeine, in vielen Rechtsgebieten ähnlich wiederkehrende Rechtsfragen zur Klagebefugnis eventuell Drittbetroffener zu klären. Allein die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in der Auslegung konkreter, identischer Gesetzesvorschriften ist mit ihr sicherzustellen (Beschluss vom 26. Juni 1995 – BVerwG 8 B 44.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2).
Der Beschwerde ist zuzugeben, dass das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf die Möglichkeit einer rechtserheblichen Beeinträchtigung des Selbstverwaltungsrechts der Klägerin durch den Planfeststellungsbeschluss (§ 42 Abs. 2 VwGO) die Schranken für die Zulässigkeit der Klage deutlich überhöht angesetzt und damit im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage bereits Teile der Begründetheitsprüfung vorweggenommen hat; dies gilt insbesondere für die Anforderungen des Erstgerichts an die Dichte der Darlegung einer Rechtsbeeinträchtigung, aber auch für dessen Prüfung der Beeinträchtigung der Planungshoheit selbst durch den Transport atomarer Abfälle bzw. durch die Einleitung von belastetem Abwasser des Endlagers in die Aue/Fuhse. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau- und Fachplanungsrecht geht demgegenüber davon aus, dass die Beachtlichkeit geltend gemachter Belange einer Gemeinde in aller Regel nicht die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels, sondern dessen Begründetheit betrifft (Beschluss vom 5. November 2002 – BVerwG 9 VR 14.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171; Urteil vom 7. Juni 2001 – BVerwG 4 CN 1.01 – BVerwGE 114, 301; Urteil vom 27. März 1992 – BVerwG 7 C 18.91 – Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48; Urteil vom 30. September 1993 – BVerwG 7 A 14.93 – Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23).
Ob sich mit einer zu Unrecht erfolgten Abweisung der Klage als unzulässig auch ein Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO verbindet (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1993 – BVerwG 4 B 206.92 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 188), kann dahinstehen. Denn hinsichtlich der zweiten, selbstständig tragenden Begründung des Urteils – die Klage sei unbegründet – greifen geltend gemachte Zulassungsgründe nicht durch (vgl. unten 2. – 7.).
2. Transportrisiken und Planungshoheit
Die Beschwerde hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Transportbewegungen zu der geplanten Anlage (oder von ihr weg) zum Prüfprogramm des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gehören und ob Auswirkungen während des Transportes deshalb der klagenden Nachbargemeinde Abwehrrechte vermitteln,
ob der Inhaber oder Betreiber eines Lagers für die Endlagerung radioaktiver Abfälle eine ihm zurechenbare Verantwortung für Immissionen trägt, die von transportierten Abfällen auf dem Weg zur und in einigen Fällen von der Anlage außerhalb des eigentlichen Betriebsgeländes ausgehen und wie weit diese Verantwortung räumlich reicht,
ob der Schutz der kommunalen Planungshoheit, soweit sie sich in der Aufstellung von Bauleitplänen äußert, endet, wenn die Bauleitpläne verwirklicht sind und
ob der Schutz der kommunalen Planungshoheit einer Gemeinde damit endet, dass ein Bebauungsplan durch die Erteilung von Baugenehmigungen vollzogen ist, oder ob sich eine Gemeinde auf aufgestellte Bauleitpläne als betätigte Form der Planungshoheit so lange berufen kann, wie diese Bebauungspläne ungeachtet dessen, in welchem räumlichen Umfang für das Plangebiet Baugenehmigungen erteilt worden sind, berufen kann (richtig wohl: fortbestehen).
Die erste Frage ist ohne weiteres zu verneinen; sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
Der Gesetzgeber hat die mit dem Transport von Kernbrennstoffen und radioaktiven Abfällen einhergehenden Gefahren von den jeweiligen atomrechtlichen Anlagengenehmigungen bzw. Planfeststellungen für ein Endlager abgekoppelt und die Bewältigung dieser Transportrisiken einem eigenen Verfahren zugewiesen. Dies rechtfertigt sich daraus, dass Zuwegungen zu einem Endlager wie jede (verkehrliche) Infrastruktur auf Dauer nicht unverändert bleiben werden; würden Fragen des Transportes radioaktiver Abfälle bereits im Planfeststellungsverfahren abzuarbeiten sein, hätte dies einen fortdauernden Anpassungsbedarf der Planung zur Folge. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass Transportrisiken sich nicht auf das Gebiet der Standortgemeinde des Endlagers oder einer sich anschließenden Nachbargemeinde, wo Verkehrsströme zusammenlaufen, beschränken. Die Risiken sind vielmehr für die gesamten, oft unterschiedlichen Transportwege auszuschließen. Die Beförderung von Kernbrennstoffen außerhalb des geschlossenen Geländes bedarf demzufolge nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Atomgesetz (AtG) i.d.F. vom 15. Juli 1985 (BGBl I S. 1565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. April 2002 (BGBl I S. 1351), und von sonstigen radioaktiven Stoffen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 20. Juli 2001 (BGBl I S. 1714) der Genehmigung. Die dabei in § 4 Abs. 2 AtG und in § 18 Abs. 1 StrlSchV enthaltenen Genehmigungsvoraussetzungen berücksichtigen auch (entgegenstehende) öffentliche Interessen an der Wahl der Art, der Zeit und des Weges der Beförderung, wodurch Belange der Klägerin, aber insbesondere auch Belange der Anlieger erfasst werden.
Damit ist auch die zweite Frage zu verneinen. Nicht der Betreiber des atomaren Endlagers, sondern die zuständige Genehmigungsbehörde trägt – neben dem jeweiligen Transportunternehmen – die Verantwortung für den Ausschluss von Gefahren durch den Transport radioaktiver Abfälle auf öffentlichen oder der Öffentlichkeit zugänglichen Verkehrswegen.
Die dritte und vierte als rechtsgrundsätzlich erachtete Frage würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Dabei ist von Folgendem auszugehen: Der Transport der radioaktiven Abfälle erfolgt im Gemeindegebiet der Klägerin über vorhandene Schienenwege und Straßen; dabei vermag die bloße Nutzung der Verkehrsanlagen im Rahmen ihrer Kapazität die Planungshoheit der Klägerin schon im Ansatz nicht zu verletzen. Was die Klägerin mit dem Hinweis auf die Bebauungspläne 07 Industriegebiet Broistedt und 08 Schacht Mathilde (Seite 4 ff. der Klagebegründung vom 22. März 2004) in Wahrheit einwendet, ist die mit dem Transport radioaktiver Abfälle einhergehende potentielle Betroffenheit anliegender Grundstücke bzw. deren Bewohner. Ständiger Rechtsprechung entspricht es jedoch (Beschluss vom 15. April 1999 – BVerwG 4 VR 18.98 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 151; Urteil vom 9. Februar 2005 – BVerwG 9 A 62.03 – Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 10 m.w.N.), dass eine Gemeinde unter Berufung auf ihre Planungshoheit sich nicht gleichsam zur Sachwalterin privater Interessen aufschwingen kann. Mangels Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten muss der Rechtmäßigkeitseinwand einer unzureichenden Vorsorge gegen Transportrisiken damit von vornherein außer Betracht bleiben. Sollte die Klägerin infolge der vorgesehenen Transporte radioaktiver Abfälle auf dem Schienenweg einen Umplanungsbedarf sehen, wird sie hieran durch das planfestgestellte Vorhaben nicht gehindert. Die Annahme der Beschwerde, dass die Planungshoheit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Abfälle durch den streitbefangenen Planfeststellungsbeschluss verletzt werden könnte, scheidet auch deshalb aus, weil dieser sich weder zur Errichtung noch zur Nutzung von Verkehrswegen verhält, auf denen eine Anlieferung erfolgt.
Auch die in diesem Zusammenhang erhobenen Divergenzrügen führen zu keiner Zulassung der Revision. Wiederum zeigt die Beschwerde nicht auf, welcher die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tragende abstrakte Rechtssatz einem ebensolchen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Zudem befasst sich die Entscheidung vom 1. Juli 1988 – BVerwG 4 C 49.86 – (BVerwGE 80, 7) mit dem Anspruch einer Gemeinde auf nachträgliche Schutzvorkehrungen gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 FStrG i.d.F. vom 1. Oktober 1974 (BGBl I S. 2413; nunmehr § 17 FStrG i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG), somit mit Rechtsfragen, die nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung sind. Dasselbe gilt für die weitere benannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 1976 – BVerwG 4 C 38.74 – (BVerwGE 51, 6), die einen Planergänzungsanspruch auf der Grundlage des § 17 Abs. 4 FStrG a.F. zum Gegenstand hat.
Das Oberverwaltungsgericht ist in diesem Zusammenhang auch nicht verfahrensfehlerhaft von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen. Das Gericht verstößt (UA S. 15 unten) nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz, wenn es darauf abstellt, dass die Klägerin im Zusammenhang mit dem Transport radioaktiver Abfälle kein anderes und höheres Risiko trägt als andere Gemeinden an irgendeinem Punkt der Transportstrecke. Das Vorgericht wollte “insoweit” zum Ausdruck bringen, dass bereits jeder einzelne Transportunfall und die damit befürchtete Freisetzung radioaktiver Strahlungen die von der Klägerin beschriebenen Folgen auslösen könnten. Dass das Gemeindegebiet der Klägerin infolge der Nähe des Endlagers zahlenmäßig in größerem Umfang von Transporten radioaktiver Abfälle auf dem Schienenweg betroffen ist, hat das Oberverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt.
3. Atomrechtliche Planfeststellung als gebundene Entscheidung
Die Beschwerde hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob für die Errichtung (und den Betrieb) von Anlagen zur Endlagerung atomarer Abfälle ein Standortsuchverfahren als Ausfluss der vom planerischen Abwägungsgebot geforderten Standortalternativenprüfung vorgesehen oder vorgeschrieben ist,
ob die atomrechtliche Planfeststellung eine gebundene Entscheidung ist, die zu erteilen ist, wenn die in § 7 Abs. 2 Nr. 1, 2, 5 AtG genannten Voraussetzungen erfüllt sind sowie wenn keine Versagungsgründe nach § 9 Abs. 4 Satz 2 AtG vorliegen oder ob es sich um eine Entscheidung (nachvollziehender) planerischer Abwägung handelt, so dass der Planfeststellungsbeschluss jedenfalls dann hätte abgelehnt werden müssen, wenn die von der Antragstellerin zur Debatte gestellte Lösung dem Abwägungsgebot widersprochen hätte und dabei Belange verletzt worden wären, deren Beachtung die Klägerin als Nachbargemeinde fordern konnte,
ob, weil das Prüfprogramm des § 9b Abs. 4 AtG auch planerische Elemente enthält und somit über die dort normierten strikten Rechtsvoraussetzungen hinaus noch Raum für eine Abwägung lässt, deshalb eine flächendeckende Standortsuche und eine Prüfung von Standortalternativen nach geltender Rechtslage materiell- oder verfahrensrechtliche Voraussetzung der Planfeststellung eines Endlagers ist und
ob Gegenstand des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens auch die Standortauswahl ist oder ob, so das Oberverwaltungsgericht, nicht die Standortauswahl, sondern die Eignungsprüfung nach vorheriger Standortfestlegung der Gegenstand des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ist.
Die ersten drei Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich anhand des Gesetzes beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Dass § 9b AtG der Planfeststellungsbehörde keine planerische Gestaltungsfreiheit eröffnet, folgt aus § 9b Abs. 4 AtG, der ein strikt einzuhaltendes Prüfprogramm enthält: Gemäß § 9b Abs. 4 Satz 1 AtG kann eine atomrechtliche Planfeststellung nur erfolgen, wenn die in § 7 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 AtG genannten Voraussetzungen erfüllt sind; sie ist zu versagen, wenn die Vorgaben des § 9b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 AtG nicht eingehalten werden können. Liegen derartige Versagungsgründe nicht vor, hat die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss zu erlassen, ohne dass noch Raum wäre für eine fachplanerische Abwägung des Vorhabens mit widerstreitenden privaten oder öffentlichen Interessen (wie es im Planfeststellungsbeschluss unter C.II.4 geschehen ist). In diesem Prüfprogramm ist für Erwägungen zu Standortalternativen kein Raum. Die atomrechtliche Planfeststellung ist nach ihrer gesetzlichen Ausprägung somit eine gebundene Entscheidung, für die das fachplanerische Abwägungsgebot mit all seinen Auswirkungen nicht gilt (ebenso zur bergrechtlichen Planfeststellung, Urteil vom 15. Dezember 2006 – BVerwG 7 C 1.06 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die letzte Frage ist somit im Sinne der angegriffenen Entscheidung zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Die Standortfestlegung ist Sache des nach § 9a Abs. 3 Satz 1 AtG verpflichteten Betreibers der Anlage, wobei dem im Regelfall eine (positive) bergrechtliche Erkundung zur Standortgeeignetheit vorausgeht (Urteil vom 9. März 1990 – BVerwG 7 C 23.89 – BVerwGE 85, 54 ≪58≫). Im atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist dann ohne Bindung an eine vorangegangene Betriebsplanzulassung über die Geeignetheit des vom Betreiber gewählten Standortes zu entscheiden, somit darüber, ob für das vorgesehene Endlager die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen aus der Ablagerung radioaktiver Abfälle entstehende Schäden getroffen ist. Fehlt es hieran, darf der atomrechtliche Planfeststellungsbeschluss für ein Endlager nicht erteilt werden (§ 9b Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG). Nach den Vorgaben des Atomgesetzes kann somit nicht ein fehlendes Verfahren zur Standortwahl, sondern allein die Nichtbeachtung drittschützender verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Anforderungen des Atomgesetzes eine Rechtsverletzung der Klägerin herbeiführen.
4. Anforderungen an den Betrieb des Endlagers
Die Beschwerde hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob der Gesichtspunkt der die Betroffenheiten möglichst mindernden Lokalisierung des Vorhabens bei einem Endlager, jedenfalls soweit es um das spezifisch atomrechtlich relevante Gefährdungspotential geht, nicht “die” (???) Rolle spiele, die ihr etwa bei anderen planfeststellungsbedürftigen Vorhaben hinsichtlich der dort relevanten potentiellen Betroffenheiten regelmäßig zukommt und
ob die Anforderungen, dass das Endlager so zu errichten und so zu betreiben sei, dass die radioaktiven Abfälle überhaupt nicht mit der Biosphäre in Berührung kommen und eine radioaktive Umgebungsbelastung aus der Endlagerung ausgeschlossen sei, in so gleichmäßiger und vergleichbarer Weise auch an jedem anderen Standort zu erfüllen wären, dass aus nachbarrechtlicher Sicht ein Anspruch auf eine vergleichende Standortsuche nicht begründbar sei.
Beide Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Bei er ersten Frage handelt es sich – entgegen der Beschwerde – wohl um eine in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähige Sachfrage; als Rechtsfrage verstanden würde sie sich mit ihrer vergleichenden Bezugnahme in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat seine in der Fragestellung wiederholte Aussage zudem unter der Prämisse getroffen, dass das Endlager so zu errichten und zu betreiben ist, dass radioaktive Abfälle überhaupt nicht mit der Biosphäre in Berührung kommen und eine radioaktive Umgebungsbelastung aus der Endlagerung ausgeschlossen ist. Mit diesem Verständnis ist die Frage auch vom Standpunkt der Klägerin aus nicht klärungsbedürftig.
Die zweite Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit geklärt, als ein wartungsfreier Verbleib eingelagerter radioaktiver Abfälle auf Dauer gefahrlos zu erfolgen hat und dies im Planfeststellungsverfahren nachzuweisen ist (Urteil vom 21. Mai 1997 – BVerwG 11 C 1.96 – Buchholz 451.171 § 9b AtG Nr. 1). Dies schließt an die Bestimmung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG an, wonach die Planfeststellung (§ 9b Abs. 4 AtG) nur erfolgen darf, wenn Vorsorge im weitesten Sinne vor schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Endlagers getroffen ist (Urteil vom 19. Dezember 1985 – BVerwG 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 ≪315≫). Soweit die Beschwerde dies einräumt, aber auf die in der Einlagerungsphase nicht zu vermeidenden radioaktiven Umweltbelastungen verweist, wendet die Klägerin Betroffenheiten (Dritter) ein, auf die sie sich in ihrer Eigenschaft als Trägerin der Planungshoheit nicht berufen kann. Dasselbe gilt für die in diesem Zusammenhang wiederholten Hinweise der Beschwerde auf die langfristige Rohstoffhöffigkeit der für das Endlager gewählten Formationen.
5. Schutz öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge
Die Beschwerde hält die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob der Schutz von Leben und Gesundheit der Bediensteten der Gemeinde und der Angehörigen gemeindlicher Einrichtungen im Übrigen zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG gehört oder nicht.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt und bedarf daher nicht der Zulassung der Revision.
Von einer Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit durch Vorhaben der Fachplanung ist auch dann auszugehen, wenn kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge hiervon erheblich betroffen sind (Urteil vom 7. Juni 2001 – BVerwG 4 CN 1.01 – BVerwGE 114, 301 ≪305≫, Urteil vom 26. Februar 1999 – BVerwG 4 A 47.96 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148). Die Klägerin wendet aber eine Verletzung ihrer Planungshoheit (als in diesem Zusammenhang allein beachtlicher gemeindlicher Belang) nicht ein. In Wahrheit führt die Klägerin mit dem Betrieb des atomaren Endlagers verbundene Belange der Nutzer und der Beschäftigten ihrer öffentlichen Einrichtungen ins Feld. Wollte man der Klägerin in Bezug auf ihre einfachrechtlich geschützte Eigentümerposition an ihren Einrichtungen diesen Einwand dennoch als wehrfähigen Belang zugestehen, müsste sie als Betreiberin von öffentlichen Einrichtungen der Daseinsvorsorge zur Begründung der Zulässigkeit der Klage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO substantiiert vortragen, dass Nutzer und Beschäftigte ihrer Einrichtungen im Betrieb des der Strahlenschutzverordnung unterfallenden Endlagers (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StrlSchV) einer Strahlenexposition ausgesetzt sind, die die Dosisgrenzwerte des § 47 StrlSchV im Normalbetrieb und des § 49 StrlSchV im Störfallbetrieb – jeweils i.V.m. den Übergangsregelungen des § 117 Abs. 16 und 17 StrlSchV – überschreitet (stRspr, Beschluss vom 5. August 1993 – BVerwG 7 B 112.93 – Buchholz 451.171 AtG Nr. 44 m.w.N.). Nur mit einem derartigen Szenarium wäre gegebenenfalls ein Eingriff in das Eigentum an Einrichtungen der Daseinsvorsorge verbunden. Hierfür fehlt aber jedes Vorbringen.
6. Raumordnung und Landesplanung
Die Beschwerde hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Ziele der Raumordnung und Landesplanung keine subjektiven Rechte einzelner Gemeinden begründen und
ob die Gemeinden die Einhaltung dieser Ziele durch eine Nachbargemeinde oder eine Genehmigungsbehörde grundsätzlich nicht beanspruchen können.
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Das Vorbringen der Beschwerde genügt insoweit bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn eine Grundsatzrüge muss insbesondere die klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht nur exakt benennen, sondern sie hat auch substantiiert darzulegen, warum diese Rechtsfrage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist. Hieran fehlt es, wenn die Beschwerde die Rechtsbetroffenheit der Klägerin nicht benennt und insbesondere jeglichen Hinweis schuldig bleibt, aus welchen (und an welcher Stelle) konkret niedergelegten Zielen der Raumordnung und Landesplanung subjektive Rechte hergeleitet werden sollen. Welche speziellen, auf das Hoheitsgebiet der Klägerin bezogenen Ziele der überörtlichen Planung durch das Raumordnungsprogramm Niedersachsen oder durch das regionale Raumordnungsprogramm eine konkrete Ausprägung erfahren haben und ob es sich dabei um über die “allgemeine Entwicklung” des Landes/der Region hinausgehende Ziele handelt, legt die Beschwerde ebenfalls nicht dar.
Das Oberverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang der Klägerin auch nicht das rechtliche Gehör versagt (§ 108 Abs. 2 VwGO). Es hat das Vorbringen der Klägerin zur Erschwernis eines künftigen Eisenerzabbaus zur Kenntnis genommen (UA S. 20); insbesondere hat es keinen im Zusammenhang mit Rechten der Klägerin stehenden, entscheidungserheblichen Sachvortrag übergangen.
Wollte die Beschwerde tatsächlich von einem Anspruch der Klägerin auf die Einhaltung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung durch andere Hoheitsträger ausgehen, müsste sie hierfür Rechtsgrundlagen benennen. Fehlt es hieran, kann damit auch keine rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage verbunden werden.
7. Trinkwasserversorgung
Die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil die Beschwerde wiederum keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Vorgericht einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat. Zudem besteht keine Divergenz zu dem von der Beschwerde bezeichneten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2005 – BVerwG 3 C 31.03 – (Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 140). Dieser zum Vermögens- und Zuordnungsrecht ergangenen Entscheidung liegt der Sachverhalt zugrunde, dass eine Gemeinde zwar ebenfalls nicht mehr unmittelbare Versorgerin der eigenen Bevölkerung mit Trinkwasser war, jedoch als “Versorger des unmittelbaren Versorgers” – nämlich als (Mit-)Betreiberin einer Einrichtung der Fernwasserversorgung – eine hoheitliche, im eigenen Wirkungskreis wurzelnde Aufgabe wahrgenommen hat. Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Klägerin aber ihre Aufgabe, die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen, dem Wasserbeschaffungsverband Peine – einer Körperschaft des öffentlichen Rechts – übertragen und nimmt in diesem Bereich keinerlei Aufgaben der Daseinsvorsorge mehr wahr. Sie kann damit durch das Vorhaben der Fachplanung – soweit dieses gegen das Vorhalten einer öffentlichen Einrichtung zur Trinkwasserversorgung stünde – auch nicht mehr in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen werden (Urteil vom 15. Juli 1987 – BVerwG 4 C 56.83 – BVerwGE 78, 40 ≪44≫).
8. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene zu 2 hat sich durch Antragstellung am Beschwerdeverfahren beteiligt und damit ein Kostenrisiko übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladene zu 1 hat demgegenüber im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt, eine Erstattung deren außergerichtlicher Kosten entspricht daher nicht der Billigkeit. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Ansatz des Streitwertes folgt aus Nr. 6.3 des Streitwertkatalogs vom 7./8. Juli 2004.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen