Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 06.06.2012; Aktenzeichen 19 A 1170/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Gegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
Rz. 2
1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die vorinstanzliche Auslegung des § 21 des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (RGBl S. 355) in der Fassung des § 9 des Reichsgesetzes vom 22. April 1871 (RGBl I S. 87, 89) und des Art. 2 des Reichsgesetzes vom 8. Januar 1873 (RGBl S. 51) – im Folgenden StAG 1870 – angreift. In der Beschwerdebegründung wird nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt bzw. bezeichnet. Die Beschwerde erschöpft sich darin, nach Art einer allgemeinen Sachrüge die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als rechtsfehlerhaft anzugreifen. Damit verkennt die Beschwerde den grundsätzlichen Unterschied zwischen der Begründung einer Revision und der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26). Soll eine Beschwerde materiell-rechtlich begründet werden, ist entweder der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VWGO) oder der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) darzulegen. Daran fehlt es. Auf die grundsätzliche Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen kann im Übrigen auch deswegen nicht geschlossen werden, weil Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verleihen (stRspr, vgl. Beschluss vom 5. Oktober 2009 – BVerwG 6 B 17.09 – Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4).
Rz. 3
2. Die von den Klägern erhobene Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet. Ein Verfahrensmangel liegt nicht darin, dass das Berufungsgericht im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, obwohl der Berufungsvortrag nach der ersten Anhörungsmitteilung ergänzt und mit Blick auf die angestrebte Vernehmung des Onkels des Klägers zu 1 ein förmlicher Beweisantrag gestellt wurde. Entgegen der Auffassung der Kläger hinderte dieser Beweisantrag das Oberverwaltungsgericht nicht, durch Beschluss nach § 130a VwGO zu entscheiden.
Rz. 4
Eine Entscheidung im Verfahren nach § 130a VwGO setzt eine Anhörung nach § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO voraus. Die Rüge einer Verletzung der Anhörungspflicht hat deshalb stets Erfolg, wenn eine Anhörung zu dem beabsichtigten vereinfachten Berufungsverfahren gänzlich unterblieben ist (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1993 – BVerwG 11 C 41.92 – zu § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Hat das Berufungsgericht hingegen – wie im vorliegenden Verfahren – eine (erste) Anhörung durchgeführt, so bedarf es bei neuem Vorbringen zwar in der Regel, aber nicht in allen Fällen einer erneuten (zweiten) Anhörung. Stellt der Betroffene einen Beweisantrag, der in der mündlichen Verhandlung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO beschieden werden müsste, so wird das Gericht seiner Pflicht der Gewährung rechtlichen Gehörs in der Regel nur dadurch gerecht, dass es ihn durch eine erneute Anhörungsmitteilung im Sinne des § 130a VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf das unverändert beabsichtigte vereinfachte Berufungsverfahren und damit darauf hinweist, dass es seinem Beweisantrag nicht nachgehen werde (vgl. Beschluss vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16 m.w.N.).
Rz. 5
Von der erneuten Anhörung kann jedoch das Berufungsgericht insbesondere dann verfahrensfehlerfrei absehen, wenn der Kläger bei seiner Anhörung lediglich früheren Vortrag wiederholt (Beschluss vom 18. Juni 1996 a.a.O.) oder einen unsubstantiierten Beweisantrag (Beweisermittlungsantrag) stellt, dessen Ablehnung auch in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung keines gesonderten Beschlusses nach § 86 Abs. 2 VwGO bedürfte (vgl. Beschlüsse vom 13. Januar 1983 – BVerwG 9 B 10527.82 – Buchholz 312 EntlG Nr. 30 und vom 19. April 1999 – BVerwG 8 B 150.98 – Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 37).
Rz. 6
So liegt der Fall hier. Der Kläger hat auf das Anhörungsschreiben des Oberverwaltungsgerichts im Wesentlichen nur seinen früheren Vortrag, dass sich seine sämtlichen Vorfahren registrieren ließen, und den diesbezüglichen bereits vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2011 abgelehnten Beweisantrag wiederholt. Er hat für die Tatsache, dass sein Urgroßvater “sich (er)innert(,) zehn Jahren nach Eintritt seiner Volljährigkeit beim deutschen Konsulat in Blumenau in die Matrikel hat eintragen lassen”, Zeugenbeweis durch Vernehmung seines in Brasilien lebenden Onkels angeboten. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass auch dieses Beweisangebot nur als Beweisanregung und nicht als hinreichend substantiierter Beweisantrag gewertet werden kann. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass das Tatsachengericht unsubstantiierten Beweisangeboten nicht nachgehen muss (stRspr, vgl. Beschluss vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266; ebenso etwa auch BFH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – VI B 118/04 – NJW 2007, 1615 ≪1616≫).
Rz. 7
Um die Erheblichkeit eines Beweisantrags beurteilen zu können, ist es unerlässlich, dass er konkrete Beweisbehauptungen enthält und zudem dargelegt wird, weshalb das benannte Beweismittel hierüber Erkenntnisse zu vermitteln vermag (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 2010 – BVerwG 5 B 22.10 – juris Rn. 12 und vom 4. Dezember 1998 – BVerwG 8 B 187.98 – Buchholz 310 § 6 VwGO Nr. 1). Dementsprechend bezieht sich die Pflicht zur Substantiierung eines Zeugenbeweisantrags (§ 98 VwGO, § 373 ZPO) zum einen auf das Beweisthema, also die Bestimmtheit der Beweistatsachen und deren Wahrheit, und zum anderen darauf, welche einzelnen Wahrnehmungen der angebotene Zeuge in Bezug auf das Beweisthema (also in Bezug auf die Beweistatsachen oder auf die zu deren Ermittlung dienenden Hilfstatsachen oder Indiztatsachen) selbst gemacht haben soll. Nur auf der Grundlage solcher Angaben kann das Gericht prüfen, ob die beantragte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beitragen kann und deshalb entweder im Rahmen der dem Gericht von Amts wegen obliegenden Aufklärungspflicht oder mangels Vorliegens eines prozessrechtlich zulässigen Ablehnungsgrundes durchzuführen ist (Beschlüsse vom 24. September 2012 – BVerwG 5 B 30.12 – juris Rn. 9, vom 29. Juni 2001 – BVerwG 1 B 131.00 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 63 und vom 28. Oktober 2002 – BVerwG 5 B 225.02 – BA S. 14 jeweils m.w.N.).
Rz. 8
Diesen Maßstäben wird das Beweisangebot des Klägers schon deswegen nicht gerecht, weil keine zeitlich konkrete Beweisbehauptung aufgestellt wird. In Bezug auf das zu bezeugende geschichtliche Ereignis – die Matrikeleintragung – wird kein historisch überprüfbares Datum, sondern nur der in § 21 StAG vorgeschriebene Zehn-Jahres-Zeitraum angegeben. Es genügt jedoch nicht, bei Bestimmung des Beweisthemas lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anerkennung eines bestimmten Rechtsstatus zu wiederholen (vgl. Beschluss vom 15. September 2011 – BVerwG 5 PKH 9.11 – juris Rn. 12). Ferner wird nicht erläutert, welche eigenen Wahrnehmungen der angebotene Zeuge in Bezug auf das Beweisthema gemacht haben kann. Da der Urgroßvater des Klägers im Jahr 1913 gestorben ist und die Matrikeleintragung zum Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit zwischen Oktober 1896 und September 1906 erfolgen musste, ist ohne nähere Erläuterung nicht ersichtlich, welche Wahrnehmungen der wesentlich später geborene Onkel des Klägers zum Beweisthema oder zu bestimmten Indiztatsachen gemacht haben kann. Dazu findet sich jedoch im hier maßgeblichen Antrag vom 5. Juni 2012 und in dem in Bezug genommenen Schriftsatz vom 5. Januar 2011 nichts. Daher liegt kein ausreichend substantiierter Beweisantrag vor, der das Oberverwaltungsgericht zu einer erneuten Anhörung verpflichtet hätte.
Rz. 9
Das Oberverwaltungsgericht war auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht verpflichtet, aufgrund der in dem Schriftsatz enthaltenen Beweisanregung den Onkel des Klägers als Zeugen zu vernehmen. Wie in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt wird, drängte sich auch nach den in der mündlichen Verhandlung vom 20. April 2011 vor dem Verwaltungsgericht Köln gemachten Angaben zum Wissenstand des Onkels dessen Vernehmung als Zeuge nicht auf. Soweit damals ausgeführt wurde, der Onkel habe mit seiner Mutter über Familienangelegenheiten gesprochen und über den Kontakt seiner Vorfahren mit dem deutschen Konsulat und dem deutschen Verband erfahren, lässt dies nicht auf konkretes Wissen über Ort und Zeit einer speziellen staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahrenshandlung schließen.
Rz. 10
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Unterschriften
Vormeier, Dr. Häußler, Dr. Fleuß
Fundstellen