Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung von Amts wegen. Wiedereinsetzungsantrag, Beginn des Fristlaufs
Leitsatz (amtlich)
Zum Beginn des Fristlaufs für einen Wiedereinsetzungsantrag sowie zur Wiedereinsetzung ohne Antrag von Amts wegen.
Normenkette
VwGO § 60 Abs. 1, 2 Sätze 1, 4, § 133 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
VG Berlin (Entscheidung vom 17.11.1999; Aktenzeichen 15 A 35.98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. November 1999 wird verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 VZOG i.V.m. §§ 132 ff. VwGO statthafte Beschwerde ist unzulässig.
1. Die am 17. Februar 2000 gefertigte und am gleichen Tag (per Fax) beim Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerdebegründung erfüllt nicht die Voraussetzungen der Fristvorschrift des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dies räumt der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 28. Februar 2000, mit welchem er Wiedereinsetzung begehrt, mit Blick auf die Zustellung des angefochtenen Urteils am 15. Dezember 1999 auch ohne weiteres ein.
2. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ergibt der von ihm dargelegte Geschehensablauf auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist im Sinne des § 60 VwGO.
a) Dabei kann dahinstehen, ob der im Schriftsatz vom 28. Februar 2000 geschilderte Verlauf mit der seinen Kern bildenden Behauptung, der Klägerbevollmächtigte selbst habe die Fristberechnung vorgenommen und auf dem angefochtenen Urteil vermerkt, aber die – ansonsten zuverlässige – Rechtsanwaltsgehilfin habe sich hierüber hinweggesetzt und gewissermaßen eigenmächtig eine andere Frist berechnet, schlüssig auf fehlendes entscheidungserhebliches Verschulden des Bevollmächtigten führt (vgl. allgemein zur Sorgfaltspflicht des Bevollmächtigten bei der Notierung von Rechtsmittelbegründungsfristen: BVerwG, Beschluß vom 7. März 1995 – BVerwG 9 C 390.94 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 194 m.w.N.; vgl. auch Beschluß vom 30. Juli 1997 – BVerwG 11 B 23.97 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 212 zu den erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen, damit eine Frist korrekt eingetragen wird):
b) Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO (zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses) gestellt worden.
Der Antrag vom 28. Februar 2000 ist – ausweislich eines gerichtlichen Eingangsstempels – am 6. März 2000 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Zwei-Wochen-Frist bereits seit mehreren Tagen abgelaufen. Denn sie hat spätestens am 17. Februar 2000 zu laufen begonnen. Zumindest an diesem Tage nämlich hätte der Klägerbevollmächtigte anhand der ihm vorgelegten Anwaltsakte erkennen können und müssen, daß die Begründungsfrist bereits abgelaufen war; zu dieser Einsicht hätten ihn ohne weiteres die Kenntnisse zum einen vom Datum des Schriftsatzfertigungstages sowie andererseits des Urteilszustellungszeitpunkts führen müssen. Nicht unverschuldet ist daher der Wiedereinsetzungsantrag zu spät gestellt worden (vgl. auch BGH, Beschluß vom 6. Juli 1994 – VIII ZB 12/94 – NJW 1994, 2831 f. m.w.N.).
c) Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten verhindert auch der Umstand, daß der Kläger im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO die versäumte Rechtshandlung (Beschwerdebegründung) innerhalb der Antragsfrist nachgeholt hat, nicht die nach § 173 VwGO i.V.m. § 574 ZPO auszusprechende Verwerfung der Beschwerde. Obgleich damit die Möglichkeit eröffnet ist, daß im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO die begehrte Wiedereinsetzung auch ohne Antrag erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1973 – BVerwG IV C 3.73 – DÖV 1973, 647 m.w.N.), gewährt der beschließende Senat diese Wiedereinsetzung nicht.
Dabei muß er nicht abschließend die Frage beurteilen – zu deren Bejahung im Anschluß an das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 – NJW 1989, 2708 f.) er freilich neigt –, ob die Wiedereinsetzung ohne Antrag in solchen Fällen wegen der Formulierung der Vorschrift als „Kann-Bestimmung” im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht (oder eine Verpflichtung zur Wiedereinsetzung von Amts wegen besteht). Sofern nämlich eine solche Verpflichtung des Gerichts anzunehmen sein könnte, kommt sie vor dem Hintergrund des Wortlauts der Vorschrift sowie ihres erkennbaren Zwecks – es soll bloße Förmelei und insbesodere vermieden werden, daß ein innerhalb der Antragsfrist bereits erkennbar berechtigter Wiedereinsetzungsanspruch nur mangels förmlichen Antrags versagt wird – zur Überzeugung des Senats allenfalls dann in Betracht, wenn innerhalb der Antragsfrist die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen erkennbar (gemacht worden) sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1998 – LwZR 3/98 – BGHR ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2, Wiedereinsetzung ohne Antrag 1 m.w.N.). Dies kann beispielsweise dann zutreffen, wenn offen zutage liegende Umstände – etwa ein Poststempel auf einem einen Schriftsatz enthaltenden Umschlag – eine Fristversäumung als unverschuldet erkennen lassen. Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Erst aufgrund der Darlegungen im am 6. März 2000 eingegangenen Schriftsatz vom 28. Februar 2000 und damit nach Ablauf der Antragsfrist konnte zunächst das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der von ihm zu treffenden Entscheidung über Abhilfe bzw. Nichtabhilfe der Beschwerde der Frage der Wiedereinsetzung auch nur nähertreten; zuvor deuteten alle Umstände eindeutig auf eine schuldhaft versäumte Beschwerdebegründungsfrist. Dies rechtfertigt die Versagung der Wiedereinsetzung von Amts wegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 sowie § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Brunn
Fundstellen
Haufe-Index 566083 |
NJW 2000, 1967 |
NVwZ 2000, 913 |
SGb 2000, 551 |
BayVBl. 2001, 29 |