Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 29.02.1996; Aktenzeichen 8 S 117/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 115 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für die Zulassung der Revision.
1. a) Die Beschwerde wirft als rechtsgrundsätzlich die Frage auf, ob sich eine Gemeinde schon bei Erlaß der Sanierungssatzung über die zukünftige Nutzung des Sanierungsgebietes im klaren sein müsse, oder diese Frage erst im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baugenehmigung (gemeint ist: der Genehmigung nach § 145 BauGB) Bedeutung gewinne. Darauf baut die weitere Frage auf, ob es für die Bestimmtheit einer Sanierungssatzung genüge, wenn sich die Ziele und Zwecke der Sanierung aus der Beschreibung in der Begründung zur Sanierungssatzung ergäben. Diese Fragestellungen rechtfertigen keine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Die erste Teilfrage geht von einem Sachverhalt aus, den das Berufungsgericht so nicht festgestellt hat; sie würde sich deshalb in einem Revisionsverfahren wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die – insoweit nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil – nicht stellen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Ziele und Zwecke der von der Beklagten beschlossenen Sanierung in der Satzungsbegründung beschrieben sind (Berufungsurteil S. 6, 7). Das verkennt auch die Beschwerde nicht, rügt aber die Begründung der Satzung als generalklauselartig. Abgesehen davon, daß die Beschwerde insoweit die Ausführungen der Beklagten zu den Mißständen als Ausgangspunkt städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen und den Sanierungszielen miteinander vermengt, wird in der Sache nur die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts im Einzelfall kritisiert. Darüber hinaus bedürfte es keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, da die aufgeworfene Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt ist. Nach dieser Rechtsprechung leidet die Sanierungssatzung nicht an einem Rechtsfehler, wenn die Sanierungsziele im Zeitpunkt des Satzungserlasses noch nicht konkretisiert sind (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1978 – BVerwG 4 C 48.76 –, NJW 1978, 2577; Urteil vom 15. Januar 1982 – BVerwG 4 C 94.79 –, NJW 1982, 278 = Buchholz 406.15 § 15 StBauFG Nr. 4 S. 10 ≪18≫; Urteil vom 6. Juli 1984 – BVerwG 4 C 14.81 –, NVwZ 1985, 184 ≪185≫; Beschluß vom 29. Juni 1987 – BVerwG 8 B 36.87 – n.v – S. 3; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 30. Oktober 1986 – 6 OVG A 32/85 – ZfBR 1987, 206 ≪207≫). Die Sanierungsziele erlangen indes bei anstehenden Genehmigungen nach § 145 BauGB Bedeutung; sie müssen sich im Hinblick auf den Versagungstatbestand des § 145 Abs. 2 BauGB im Laufe des Sanierungsverfahrens zunehmend verdichten und konkreter werden (BVerwG, Urteil vom 7. September 1984 – BVerwG 4 C 20.81 –, BVerwGE 70, 83 = DVBl 1985, 116 ≪117 f.≫). Nachdem die erste Teilfrage in diesem Sinne in der Rechtsprechung geklärt ist und eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht rechtfertigt, geht die sich daran anschließende zweite Frage ins Leere.
b) Auf die Frage, ob ein Versagungsgrund nach § 145 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 BauGB voraussetze, daß mit dem die Genehmigung(spflicht) auslösenden Vorgang die Aufnahme einer neuen oder die erhebliche Änderung einer schon vorhandenen Nutzung bezweckt werde, kommt es nicht an. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Genehmigung eines Kaufvertrages über ein verpachtetes Grundstück, dessen bisherige Nutzung unverändert fortgeführt werden soll, mit der Begründung versagt werden kann, daß diese Nutzung die Durchführung der Sanierung unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderlaufen würde (Berufungsurteil, S. 8). Es ist also zugunsten der Klägerin davon ausgegangen, daß die Fortsetzung einer mit dem Sanierungsziel unvereinbaren Nutzung allein die Versagung der sanierungsrechtlichen Genehmigung nicht rechtfertige. Eine Erschwerung für die Durchführung des Sanierungsverfahrens hat es vielmehr darin gesehen, daß sich durch den Verkauf des Grundstücks an Klägerin das Pachtverhältnis (und damit die sanierungswidrige Nutzung) verfestigen werde; denn weil die Klägerin die Ehefrau des Pächters sei, sei mit einer Fortsetzung des Pachtverhältnisses über den frühestmöglichen Kündigungstermin hinaus zu rechnen; auch müsse der Pächter bei vertragswidriger Nutzung des Pachtobjekts keine Auseinandersetzungen mit dem Eigentümer und gegebenfalls die Ausübung eines außerordentlichen Kündigungsrechts befürchten.
An diese Begründung knüpft die Beschwerde mit ihrer weiteren Frage an, ob für eine Versagung der Genehmigung auch die bloße Verfestigung eines Pachtverhältnisses durch Eigentumserwerb und Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag auf den Ehegatten des Pächters genüge. Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision jedoch nicht. Die in ihr enthaltene Frage, ob die Verfestigung eines Pachtverhältnisses die Durchführung der Sanierung wesentlich erschwert oder den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderläuft, hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Das Berufungsgericht hat hier auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, nach denen der Ehemann der Klägerin das von ihr gekaufte Grundstück in der Vergangenheit bordellartig genutzt habe und dies auch künftig zu tun beabsichtige, angenommen, daß der Grundstückserwerb die Durchführung der Sanierung im Sinne von § 145 Abs. 2 BauGB behindern werde. Diese Beurteilung ist nachvollziehbar; es leuchtet ohne weiteres ein, daß die mit den Sanierungszielen unvereinbare Grundstücksnutzung durch den Pächter erleichtert und verstärkt wird, wenn er als Ehemann der Grundstückserwerberin im wirtschaftlichen Sinne gleichsam selbst Eigentümer des Grundstücks wird. Aber selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, würden mit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage jedenfalls keine über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus bedeutsamen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen werden.
c) Auch mit ihrer als rechtsgrundsätzlich angesehenen Frage, ob eine Auflage, ein Grundstück von bestimmten Nutzungen freizuhalten, die nur durch Aufhebung eines Pachtverhältnisses erfüllt werden könne, nur im Wege des § 182 BauGB, oder auch über eine Nebenbestimmung nach § 145 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 BauGB durchgesetzt werden könne, muß die Beschwerde erfolglos bleiben. Diese Fragestellung geht von einem Sachverhalt aus, den das Berufungsgericht so nicht festgestellt hat; sie wäre deshalb für das erstrebte Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß das Gebäude Weberstraße 16 als Gaststätte mit Hotelbetrieb verpachtet ist (Berufungsurteil S. 9). Bei der Bestimmung des Vertragsinhalts handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 – BVerwG 8 C 54.85 –, NVwZ 1987, 601 ≪602≫); die sich daraus ergebende Bindung des Revisionsgerichts träte lediglich dann nicht ein, wenn die vom Tatsachengericht vorgenommene Auslegung gegen Beweiswürdigungsgrundsätze verstieße. Das ist weder von der Beschwerde vorgetragen noch sonst irgendwie ersichtlich, so daß sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde.
Gleiches gilt für die weitere Frage, ob die (zivil-)rechtliche Unmöglichkeit einer durch Nebenbestimmung ausgesprochenen Verpflichtung die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung oder erst deren Vollstreckbarkeit betrifft. Auch diese Fragestellung entfernt sich von der Grundlage der berufungsgerichtlichen Feststellungen, denen zufolge die vertragsgemäße Nutzung gerade nicht durch die streitgegenständliche Aufgabe betroffen wird (Berufungsurteil S. 9).
2. Die Beschwerde trägt vor, daß das Berufungsgericht von der im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. September 1984 – BVerwG 4 C 20.81 – (DVBl 1985, 116 ≪117≫) getroffenen Auslegung des § 15 Abs. 3 StBauFG abgewichen sei. Das Berufungsgericht habe auf das vom Senat geforderte Mindestmaß an Konkretisierung der Sanierungsziele verzichtet. Diese Rüge ist unbegründet, weil sich das Berufungsgericht in dem in der Beschwerde wiedergegebenen Urteilsauszug mit der Rechtmäßigkeit der Sanierungssatzung befaßt und – wie bereits oben ausgeführt – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats herausstellt, daß bei Satzungserlaß der Sanierungszweck und die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen noch nicht konkretisiert sein müssen. Demgegenüber betrifft der Rechtssatz aus dem Urteil des Senats vom 7. September 1984 – BVerwG 4 C 20.81 – (a.a.O.) die Rechtmäßigkeit der Versagung einer Sanierungsgenehmigung als Sanierungsinstrument auf der nachfolgenden Ebene im zweistufigen Ablaufprogramm des Sanierungsrechts. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist somit von vornherein ausgeschlossen.
3. Die Klägerin rügt eine Verletzung ihres Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, da das Berufungsgericht den schriftsätzlichen Vortrag im Berufungsverfahren, der Pächter habe sich von allen ihm bekannten Prostituierten Wohlverhaltenserklärungen geben lassen, mit keinem Wort würdige. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wird damit nicht aufgezeigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zunächst grundsätzlich anzunehmen, daß die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfGE 27, 248 ≪251 ff.≫; 54, 43 ≪46≫; 66, 211 ≪213≫). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann deshalb erst dann angenommen werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen, oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfGE 65, 293 ≪295≫). Allein aus dem Umstand, daß das Berufungsgericht sich mit dem genannten Sachvortrag nicht näher auseinandersetzt, kann nicht darauf geschlossen werden, das Berufungsgericht habe dieses Vorbringen bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet nicht, sich mit jedem Gesichtspunkt des Vorbringens der Klägerseite im einzelnen ausdrücklich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 47, 182 ≪187≫). § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verpflichtet das Gericht nur zur Angabe der für die richterliche Überzeugung leitenden Gründe. Zu Recht macht die Beklagte geltend, daß die Wohlverhaltenserklärungen für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich waren. Für eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Berufungsverfahren ist nichts ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Halama
Fundstellen
Haufe-Index 1724696 |
BRS 1997, 783 |
BRS 1998, 783 |