Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 13 A 09.1421) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – Flurbereinigungsgericht – vom 22. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
Das Flurbereinigungsgericht ist davon ausgegangen, dass im Rahmen der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung bei Vorliegen eines Flächennutzungsplans grundsätzlich dessen planerischen Aussagen die vorgesehene städtebauliche Entwicklung der Gemeinde entnommen werden kann. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum sog. Funktionsloswerden von Bauleitplänen (vgl. Urteil vom 15. März 1967 – BVerwG 4 C 205.65 – BVerwGE 26, 287 ≪293 ff.≫; stRspr) könne sich allerdings die Aussage eines Flächennutzungsplans abschwächen bis hin zum Verlust seiner Aussagekraft, wenn die tatsächliche bauliche oder planerische Entwicklung den Darstellungen des Flächennutzungsplans derart zuwiderlaufe, dass die Verwirklichung der ihnen zugrunde liegenden Planungsabsichten entscheidend beeinträchtigt sei. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Flächennutzungsplan der Fall. Dessen Darstellung sei durch eine abweichende und hinreichend konkrete Planungsabsicht der Beigeladen überholt, derzufolge die Planung eines gemeindlichen Festplatzes nicht mehr auf dem Flurstück 109, sondern (auch) auf dem Einlageflurstück 145/2 der Kläger verwirklicht werden solle. Daher sei dieses Flurstück nicht als landwirtschaftlich genutztes Grundstück, sondern gemäß den Wertermittlungsgrundsätzen der Beklagten (teilweise) als Gemeinbedarfsfläche mit der Wertziffer (WZ) 70 zu bewerten.
Rz. 3
1. Hieran anknüpfend hält die Beschwerde die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
“ob eine in einem Gemeinderatsbeschluss geäußerte Absicht, eine landwirtschaftliche Fläche im Gemeindegebiet in nicht definierter Zukunft auch für gemeindliche Zwecke nutzen zu wollen, bei der Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG zu berücksichtigen ist, obwohl ein rechtskräftiger Flächennutzungsplan besteht, dieser unbestritten rechtskräftig gültig ist und darin vom Gemeinderatsbeschluss abweichende Darstellungen enthalten sind, die tatsächliche städtebauliche Situation im betroffenen Gemeindegebiet im Vergleich zu der im Zeitpunkt der letzten Änderung des Flächennutzungsplans unverändert ist sowie dem Gemeinderatsbeschluss keinerlei Planungsaktivitäten folgen, vielmehr vor Ort alles unverändert ist und bleibt.”
Rz. 4
Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Es ist bereits zweifelhaft, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Möglichkeit des Funktionsloswerdens von Bauleitplänen, derzufolge es auf die “besonderen örtlichen Verhältnisse” im jeweiligen Einzelfall ankommt (vgl. Beschluss vom 1. April 1997 – BVerwG 4 B 11.97 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 328 S. 88), durch das Hinzufügen einer weiteren Revisionsentscheidung, die zu den tatsächlichen und rechtlichen Umständen des Streitfalls Stellung nimmt, eine weitere fallübergreifende Klärung erführe, die zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 22). Eine Zulassung der Revision kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde in der vorstehenden Fragestellung von tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Annahmen ausgeht, die nicht dem angefochtenen Urteil entsprechen.
Rz. 5
Die Annahme der Beschwerde, dass “die tatsächliche städtebauliche Situation” seit der letzten Änderung des Flächennutzungsplans unverändert sei, ist nur bedingt zutreffend, nämlich lediglich insoweit, als bis zum Zeitpunkt der Wertermittlung “vor Ort alles unverändert” geblieben ist. Nicht von den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts gedeckt ist aber die weitere Annahme der Beschwerde, dass “alles unverändert ist und bleibt.” Die Beschwerde übergeht nämlich den wesentlichen Umstand, dass dem Eigentümer des – im Flächennutzungsplan als “Fläche für den Gemeinbedarf” dargestellten – Flurstücks 109 eine Baugenehmigung für ein Wohngebäude erteilt worden ist (das ausweislich der Niederschrift über den vom Flurbereinigungsgericht durchgeführten Ortstermin inzwischen auch errichtet ist). Neben den ca. im Jahr 2002 ins Auge gefassten und im Gemeinderatsbeschluss vom 9. Mai 2005 zum Ausdruck gebrachten – von der Beschwerde als zu vage angesehenen – geänderten Planungsabsichten der Gemeinde hat das Flurbereinigungsgericht gerade in der mit dieser Baugenehmigung dokumentierten “konkreten Bebauungsabsicht des Grundstückseigentümers bezüglich Flurstück 109” den maßgeblichen “Grund für die geänderte Planung in Bezug auf den Festplatzstandort” gesehen. Damit sei bereits zum Zeitpunkt der Wertermittlung “erkennbar” gewesen, dass die ursprüngliche, im Flächennutzungsplan dargestellte Planung, den gemeindlichen Festplatz auf diesem Flurstück zu schaffen, “nicht mehr realisierbar sein würde” (UA Rn. 36).
Rz. 6
Entgegen der Fragestellung der Beschwerde ist das Flurbereinigungsgericht also nicht davon ausgegangen, dass der Flächennutzungsplan “unbestritten rechtskräftig gültig” sei. Der Sache nach geht es der Beschwerde mit der aufgeworfenen Frage vielmehr darum, ob die tatsächlichen Umstände des Streitfalls, die sich aus ihrer Sicht dadurch auszeichnen, dass die erwähnten Änderungen (erteilte Baugenehmigung, geänderte Planung für den Festplatz) sich bis zum Zeitpunkt der Wertermittlung vor Ort noch nicht in einem baulichen Vollzug niedergeschlagen hatten oder sonstwie umgesetzt worden waren, die Anwendung der – vom Flurbereinigungsgericht zutreffend wiedergegebenen – höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Funktionsloswerden von Bauleitplänen ausschließen. Das Aufzeigen einer (behaupteten) fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, ist indes nicht geeignet, eine Grundsatzrüge zu begründen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 14 m.w.N.).
Rz. 7
2. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die weitere von der Beschwerde formulierte Frage,
“ob bei der Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG Flächen, für die in einem rechtskräftigen Flächennutzungsplan Festsetzungen getroffen wurden, mit solchen Flächen gleich zu behandeln sind, für die im Flächennutzungsplan keine Aussagen getroffen wurden, die also als Flächen für die Landwirtschaft dargestellt sind, und die lediglich aufgrund einer in einem Gemeinderatsbeschluss geäußerten Absicht in nicht definierter Zukunft auch für gemeindliche Zwecke genutzt werden sollen,”
die der Sache nach die erste Frage lediglich mit leicht veränderter Akzentsetzung wiederholt, ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
Rz. 8
3. Die Frage schließlich,
“ob das Flurbereinigungsgericht bei seiner Entscheidung von dem von der Flurbereinigungsbehörde festgelegten unbeanstandeten Wertermittlungsrahmen abweichen darf und einen von der Flurbereinigungsbehörde als Verkehrswert gemäß § 29 FlurbG pauschal festgelegten Wert für Flächen, für die der Flächennutzungsplan besondere Festsetzungen enthält, auch für eine Bewertung eines landwirtschaftlichen Grundstücks nach § 28 FlurbG verwenden kann, wenn im Flurbereinigungsverfahren für landwirtschaftliche Grundstücke jeweils eine Einzelbewertung nach dem Nutzen gemäß § 28 Abs. 1 FlurbG durchgeführt wurde,”
bedarf ebenfalls nicht der Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren, weil auch sie an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbeigeht. Entgegen der Annahme der Beschwerde ist das Flurbereinigungsgericht nicht von dem von der Beklagten aufgestellten Wertermittlungsrahmen abgewichen. Das Gericht bewegt sich vielmehr innerhalb dieses von ihm eingehend dargestellten und nicht beanstandeten Rahmens (UA Rn. 26 ff.). Denn es hat, eben weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans für die Bewertung der in Rede stehenden Teilfläche des Flurstücks 145/2 keine Aussagekraft mehr beigemessen hat, diese Teilfläche mit der Wertziffer 70 bewertet, die im von der Beklagten aufgestellten Wertermittlungsrahmen für Gemeinbedarfsflächen vorgesehen ist (UA Rn. 28 a.E.). Mit dieser Wertziffer sei diese Teilfläche schon “aus Gründen der Gleichbehandlung” zu bewerten, weil die Beklagte das im Flächennutzungsplan als (vorgesehener) Festplatz gekennzeichnete Einlageflurstück 109 (ebenfalls) als Gemeinbedarfsfläche bewertet und damit zu erkennen gegeben habe, dass sie eine für diese Nutzung vorgesehene Fläche als eine solche Gemeinbedarfsfläche ansehe (UA Rn. 30). Eine Abweichung vom Wertermittlungsrahmen ist hiernach nicht zu erkennen; vielmehr stellt sich dieser Schritt als – nach den Ausführungen zu 1 – konsequente Anwendung der Maßstäbe der Beklagten dar, ohne dass sich daraus eine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage ergäbe.
Rz. 9
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen für nicht erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen