Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalrat. kein Mitbestimmungsrecht bei Dienststellenverlegung
Leitsatz (redaktionell)
Bei Verlegung wesentlicher Teile einer Dienststelle in neue, mit Klimaanlage ausgestattete Räume steht dem Personalrat kein Mitbestimmungsrecht nach PersVG NW § 72 Abs 3 Nr 16 (Gestaltung der Arbeitsplätze) zu.
Normenkette
PersVG NW § 73 Nrn. 1-2, § 69 Abs. 3, § 72 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 16, § 66 Abs. 4 S. 1, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 22.11.1976; Aktenzeichen CL 2/76) |
VG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.10.1975; Aktenzeichen 15 PVL 18/75) |
Tatbestand
Am 15. September 1975 wurde die Verkehrsabteilung der Staatsanwaltschaft D. mit 18 Beschäftigten, davon 6 des staatsanwaltschaftlichen Dienstes, vom Hauptgebäude der Behörde an der N.-Straße in der D. Innenstadt in den von der Justizverwaltung als Dienstgebäude angemieteten Bürohausneubau in D.-O., Sch.-Straße, verlegt. Die Entfernung zwischen beiden Gebäuden beträgt etwa 4 km. In die jetzt freien Diensträume an der N.-Straße sollen im Anschluß an einen Umbau anstelle der 18 Behördenangehörigen der Verkehrsabteilung 25 Beschäftigte von Vollstreckungsabteilungen einziehen.
Der Antragsteller hatte sich schon vor der Verlegung an den Beteiligten gewandt und die Auffassung vertreten, daß ihm bei der Auslagerung dieser Abteilung ein Mitbestimmungsrecht zustehe, da die Beschäftigten der Abteilung innerhalb der Dienststelle umgesetzt würden. Er sei außerdem zur Mitwirkung berechtigt, weil die Verkehrsabteilung ein wesentlicher Teil der Dienststelle sei, deren Verlegung seine Beteiligung erfordere. Der Beteiligte vertrat demgegenüber die Ansicht, unter Umsetzung innerhalb der Dienststelle könne nur die Übertragung von anderen Dienstgeschäften verstanden werden. Auch ein Mitwirkungsrecht des Antragstellers scheide aus. Dieses sei nicht einmal gegeben, wenn die Verlegung einer gesamten Dienststelle innerhalb der Stadt nach Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes erfolge. Erst recht müsse dies für Teile der Dienststelle gelten.
Der Antragsteller hat daraufhin ein Beschlußverfahren eingeleitet und die Feststellung begehrt, daß ihm bei der Verlegung der Abteilung ein Mitbestimmungsrecht, hilfsweise ein Mitwirkungsrecht zustehe. Er hat dazu vorgetragen: Mit der Verlegung seien erhebliche Eingriffe in die Arbeitsplatzgestaltung verbunden. In dem Dienstgebäude Sch.-Straße sei eine nur mangelhaft arbeitende Klimaanlage installiert, die sich nachteilig für die Beschäftigten auswirke. Der Umzug habe für die betroffenen Beamten und Angestellten auch höhere finanzielle Belastungen zur Folge, da der Anreiseweg zum neuen Dienstgebäude für viele länger sei.
Das Verwaltungsgericht hat den Hauptantrag und den Hilfsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluß des Verwaltungsgerichts geändert und festgestellt, daß dem Antragsteller bei der Verlegung der Verkehrsabteilung der Staatsanwaltschaft in das Gebäude Sch.-Straße im Hinblick auf die dort vorhandene Klimaanlage ein Mitbestimmungsrecht zugestanden hat.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Bauliche und technische Maßnahmen, die - wie eine Vollklimaanlage - von Einfluß auf die Arbeitsplatzumgebung seien, berührten die Gestaltung der Arbeitsplätze und unterlägen der Mitbestimmung. Der vorliegende Fall, in dem Beschäftigte aus einem Gebäude mit herkömmlicher Heizung und Belüftung in ein Dienstgebäude mit Vollklimaanlage verlegt würden, sei nicht anders zu beurteilen als der Fall der nachträglichen Ausstattung eines Dienstgebäudes mit einer Klimaanlage. Selbst wenn ein Mitbestimmungsrecht zu verneinen wäre, müßte die Verlegung nach § 73 Nr 2 des Landespersonalvertretungsgesetzes als mitwirkungsbedürftig angesehen werden.
Der Beteiligte begehrt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung des Beschlusses der ersten Instanz.
Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Der Antragsteller tritt dem entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der angefochtene Beschluß kann keinen Bestand haben.
Zwar ist entgegen der Auffassung des Beteiligten ein Rechtsschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag anzuerkennen. Die Möglichkeit, daß die zur Entscheidung gestellten Fragen, wann eine Umsetzung oder Gestaltung der Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Verlegung einer Dienststelle oder Teilen von ihr gegeben ist und ob in diesem Fall ein Mitbestimmungsrecht oder Mitwirkungsrecht besteht, wieder akut werden können, ist nicht von der Hand zu weisen, auch wenn der Beteiligte jedenfalls zunächst keine weiteren Verlegungen plant.
Das Beschwerdegericht hat allerdings das vom Antragsteller aus § 72 Abs 1 Nr 4 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landespersonalvertretungsgesetz - LPVG -) vom 3. Dezember 1974 (GVNW S 1514) abgeleitete Mitbestimmungsrecht mit zutreffender Begründung verneint, weil die Verlegung der Verkehrsabteilung der Staatsanwaltschaft in das neue Dienstgebäude keine Umsetzung im Sinne dieser Vorschrift ist. Unter "Umsetzung" ist die Übertragung eines anderen Aufgabenbereichs innerhalb der Dienststelle zu verstehen. Schon an dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Falle, denn die Beschäftigten über dieselbe Tätigkeit wie bisher nur in anderen Räumen aus. Die Frage, ob die Verlegung der Verkehrsabteilung der Staatsanwaltschaft einen Wechsel des Dienstortes herbeigeführt hat, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Prüfung.
Der Senat kann jedoch dem Beschwerdegericht nicht darin folgen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 72 Abs 3 Nr 16 LPVG besteht. Diese Auffassung ist schon in ihrem Ausgangspunkt verfehlt. Das Beschwerdegericht meint, der Umzug von Beschäftigten aus einem Dienstgebäude mit herkömmlicher Heizung und Belüftung in ein Dienstgebäude mit Vollklimaanlage sei nicht anders zu beurteilen als der nachträgliche Einbau einer solchen Anlage. Die Gleichsetzung, die das Beschwerdegericht hier vornimmt, ist jedoch nicht möglich, weil § 72 Abs 3 Nr 16 LPVG eine die Gestaltung der Arbeitsplätze betreffende Maßnahme der Dienststelle voraussetzt die, wie sich aus § 66 Abs 2 Satz 1 LPVG ergibt, erst das Mitbestimmungsverfahren auslöst.
Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen Maßnahme der Dienststelle. Es liegt vielmehr ein Zustand vor, den die Dienststelle weder geschaffen noch beeinflußt hat. Der Beteiligte ist Mieter der Räume, in denen die Verkehrsabteilung untergebracht ist. Er hat keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Klimaanlage, sondern kann allenfalls im Einvernehmen mit dem Vermieter Vorrichtungen anbringen oder Änderungen vornehmen lassen, die die vom Antragsteller befürchteten Nachteile der Anlage für die Beschäftigten abwenden oder mildern können.
Das Ziel, das der Antragsteller verfolgt, ist jedoch nicht - jedenfalls nicht in diesem Verfahren -, Maßnahmen zu erreichen, wie sie in § 91 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vom 15. Januar 1972 (BGBl I S 13) zur Abwendung oder Milderung von Belastungen und Nachteilen vorgesehen sind und wie sie in Fällen der vorliegenden Art auch im Rahmen des § 72 Abs 3 Nr 16 LPVG in Betracht kommen können - insoweit kann der Antragsteller sein Antragsrecht nach § 66 Abs 4 Satz 1 LPVG ausüben -, sondern er will auf die Verlegung selbst einen mitbestimmenden Einfluß ausüben. Dem steht aber entgegen, daß die Verlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen nur der Mitwirkung des Antragstellers unterliegt, bei der im Fall einer Nichteinigung der Verwaltung die letzte Entscheidung zukommt (§ 69 Abs 3 LPVG).
Wird dem Antragsteller durch die Zuerkennung eines Mitbestimmungsrechts an einer bereits vorhandenen Klimaanlage im Streitfall die Herbeiführung einer verbindlichen Entscheidung der Einigungsstelle ermöglicht, die dazu führen kann, daß eine Verlegung unterbleibt - darauf läuft letztlich die vom Beschwerdegericht vertretene Auffassung hinaus -, so widerspricht das nicht nur dem Willen des Gesetzgebers, sondern ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil organisatorische Maßnahmen, die für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung von entscheidender Bedeutung sind, nicht nur die Belange der Beschäftigten, sondern auch und oft überwiegend das Allgemeininteresse berühren.
Entgegen der vom Beschwerdegericht nur hilfsweise geäußerten Auffassung ist auch der Hilfsantrag auf Feststellung eines Mitwirkungsrechts unbegründet.
Wie das Beschwerdegericht - insoweit zutreffend - dargelegt hat, ergibt sich aus § 73 Nr 1 LPVG kein Mitwirkungsrecht. Verwaltungsanordnungen im Sinne dieser Vorschrift sind, wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zu § 57 des Landespersonalvertretungsgesetzes vom 28. Mai 1958 (GVNW S 209) ausgeführt hat (Beschluß vom 5. Februar 1971 - BVerwG 7 P 14.70 - (Buchholz 238.37 § 57 PersVG NW Nr 2)), allgemeine Vorschriften; sie beziehen sich nicht auf die Regelung von Einzelfällen. Darum handelt es sich aber bei der Anordnung über die Verlegung der Verkehrsabteilung.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist auch kein Mitwirkungsrecht nach § 73 Nr 2 LPVG gegeben. Nach dieser Vorschrift ist die Verlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen an die Mitwirkung des Personalrats geknüpft. Dieser Tatbestand ist jedoch nicht gegeben. Das Merkmal der Verlegung erfaßt nur eine erhebliche Ortsveränderung. Das geht zwar aus der Vorschrift selbst nicht hervor, ergibt sich aber aus ihrem Zweck. Die Mitwirkung soll bei diesem Tatbestand sicherstellen, daß die Interessen der Beschäftigten, keinen unzumutbaren Erschwernissen ausgesetzt zu werden, in vertretbarem Umfang geschütz werden.
Wie das Beschwerdegericht selbst festgestellt hat, beträgt die Entfernung zwischen altem und neuem Dienstgebäude etwa 4 km. Von einer erheblichen Ortsveränderung kann in Anbetracht dessen, daß sich der Umzug innerhalb des Stadtgebietes abspielt, keine Rede sein. Die Verlegung einer Dienststelle innerhalb eines zusammenhängend bebauten und verkehrsmäßig erschlossenen Gebietes wird für einen Teil der Beschäftigten Vorteile, für den anderen Teil hingegen Nachteile mit sich bringen. Diese stets vorhandenen und nicht ausgleichbaren Erschwernisse müssen hingenommen werden. Daß es möglicherweise die von auswärts kommenden Beschäftigten schwerer trifft als die in der Stadt wohnenden, kann kein entscheidendes Gewicht haben.
Das Mitwirkungsrecht kann nicht von den jeweils sich ergebenden konkreten Auswirkungen abhängen, sondern muß nach allgemeinen Merkmalen bestimmt werden. Demgemäß kann von einer nicht unerheblichen Ortsveränderung nur dann gesprochen werden, wenn die Verlegung - abstrakt gesehen - für die meisten Beschäftigten einschneidende Änderungen mit sich bringt. Das ist dann der Fall, wenn eine Dienststelle oder wesentliche Teile von ihr in eine andere, entfernt liegende Gemeinde verlegt werden. Ob dies auch dann zutrifft, wenn eine Dienststelle innerhalb einer durch Gebietsreform vergrößerten Gemeinde in einen neuen Stadtteil oder Ortsteil verlegt wird, der mit der Stadt zwar rechtlich verbunden, aber noch nicht zusammengewachsen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Die von dem Beteiligten gerügte mangelnde Sachaufklärung ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, so daß es keines Eingehens darauf bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 543809 |
Buchholz 238.37 § 72 PersVG NW, Nr 3 (LT1) |
ZBR 1980, 160-161 (LT1) |
PersV 1981, 73-75 (LT1) |