Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 9 B 98.35737) |
Tenor
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Juli 2001 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Beschwerde hat mit der Rüge eines Verfahrensmangels Erfolg. Die Kläger beanstanden zu Recht, dass das Berufungsgericht durch die Nichtbescheidung eines Beweisantrags ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache nach § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Nachdem das Berufungsgericht die Beteiligten nach § 130 a i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO erneut darauf hingewiesen hatte, dass es weiterhin beabsichtige, in der Sache ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 21. Juni 2001 unter Bezugnahme auf einen entsprechenden Pressebericht u.a. darauf hingewiesen, dass im April 2001 in Äthiopien bei Unruhen eine größere Anzahl von Personen getötet und viele verletzt worden seien. Deshalb müsse der Sachverhalt hinsichtlich der gegenwärtigen politischen Verfolgungssituation weiter geklärt werden. Erkenntnisse hierzu lägen dem Berufungsgericht ausweislich des Stands der mitgeteilten Erkenntnismittelliste nicht vor. Deshalb werde die Einholung eines Gutachtens von amnesty international zur derzeitigen Verfolgungssituation heimkehrender AAPO-Mitglieder beantragt.
Diesen neuen Beweisantrag hätte das Berufungsgericht – was von der Beschwerde allerdings nicht gerügt wird – entweder zum Gegenstand einer erneuten Anhörungsmitteilung nach § 130 a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO machen müssen oder es hätte in dem angefochtenen Beschluss darlegen müssen, weshalb es ausnahmsweise ohne einen solchen Hinweis im vereinfachten Berufungsverfahren entscheiden durfte (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 14. April 2000 – BVerwG 9 B 92.00 – AuAS 2000, 123; Beschluss vom 7. Juni 1999 – BVerwG 9 B 242.99 – InfAuslR 1999, 475; Beschluss vom 18. Juni 1996 – BVerwG 9 B 140.96 – Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16). Dies ist nicht geschehen. Unabhängig hiervon hätte das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss jedenfalls darlegen müssen, aus welchen prozessrechtlichen Gründen es dem Beweisantrag nicht nachzugehen brauchte (auch insoweit stRspr; Beschluss vom 14. April 2000, a.a.O.; Beschluss vom 19. April 1999 – BVerwG 8 B 150.98 – NVwZ-RR 1999, 537 = Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 37). Auch dieser Verpflichtung ist das Berufungsgericht nicht nachgekommen.
In dem angefochtenen Beschluss wird der Beweisantrag aus dem Schriftsatz der Kläger vom 21. Juni 2001 im Gegenteil überhaupt nicht erwähnt. Dieser Beweisantrag war auch nicht etwa völlig unsubstantiiert (zu den herabgesetzten Anforderungen an die Substantiierung eines Antrags auf Sachverständigenbeweis vgl. Beschluss vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – InfAuslR 2000, 412 = Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60) oder nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des Berufungsgerichts offensichtlich entscheidungsunerheblich, wie die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss zu der Lage in Äthiopien nach den „massiven Polizeieinsätzen am 17. und 18. April dieses Jahres” (BA S. 14) belegen. Die vom Berufungsgericht hierzu vorgenommene Sachverhaltswürdigung kann auch nicht dahin verstanden werden, dass es wegen eigener Sachkunde die Einholung des beantragten Sachverständigenbeweises für entbehrlich hielt. Dies ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Presseberichte, auf die sich das Berufungsgericht bei seiner Bewertung der aktuellen Verhältnisse in Äthiopien beruft, von ihm nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Denn sie waren nicht in das Verfahren eingeführt worden (vgl. Beschluss vom 17. Juni 1999 – BVerwG 9 B 275.99 –; Beschluss vom 14. Juli 1999 – BVerwG 9 B 3.99 – jeweils unveröffentlicht). Auch dies verstößt gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Im Übrigen lässt der angefochtene Beschluss auch sonst nichts dafür erkennen, dass das Berufungsgericht dem Beweisbegehren der Kläger eigene Sachkunde entgegenhalten und damit das ihm gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO bei der Entscheidung über die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zustehende tatrichterliche Ermessen (vgl. hierzu Beschluss vom 27. März 2000, a.a.O.) ausüben wollte.
Der angefochtene Beschluss beruht auf dem Verfahrensmangel, denn es verletzt den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht in dem ohne mündliche Verhandlung nach § 130 a VwGO ergangenen Beschluss nicht zu erkennen gibt, dass es den Beweisantrag der Kläger zur Kenntnis genommen und auf seine Rechtserheblichkeit geprüft hat (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO – vgl. dazu Beschluss vom 19. April 1999, a.a.O.). Einer Entscheidung über die weiteren Verfahrensrügen bedarf es danach nicht. Sie wären allerdings – jedenfalls was die unterbliebene Vernehmung des im Schriftsatz der Kläger vom 10. August 2000 benannten Zeugen betrifft – wohl erfolglos geblieben.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger
Fundstellen