Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 24 B 00.1446) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt,
Tatbestand
Die auf Verfahrens- (I.) und Grundsatzrügen (II.) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
I.
Das klägerische Vorbringen erfüllt mit keiner der erhobenen Verfahrensrügen der fünf angeführten Fälle (1. bis 5.) die an eine solche Rüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu stellenden Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Einen Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sieht der Kläger darin, dass der Verwaltungsgerichtshof überzogene Anforderungen an die Voraussetzungen des berechtigten Interesses unter Verkennung der prozessualen Auswirkung des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayVSG gestellt habe. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei aus der behaupteten Tatsache, dass er von zwei Personen auf seine Mitgliedschaft in der Scientology Kirche angesprochen worden sei, auf ein besonderes Interesse an der Auskunft zu schließen. Er fühle sich durch die Beobachtung seitens des Landesamtes für Verfassungsschutz und den damit in der Öffentlichkeit entstandenen Eindruck, er sei ein potentieller Verfassungsfeind, beeinträchtigt. Die Anforderungen des Berufungsgerichts überzögen die an die Sachprüfung des Vorliegens eines besonderen Interesses zu stellenden Anforderungen und verkennten damit insbesondere die prozessuale Bedeutung dieser Vorschrift, denn sie berücksichtigten nicht hinreichend die zugunsten des Klägers bestehenden Grundrechtswirkungen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung), Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.
Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Hinter diesen Anforderungen bleibt das klägerische Vorbringen zurück. Die vom Kläger behaupteten ”überzogene(n) Anforderungen an die Sachprüfung bei der Prüfung des berechtigten Interesses” betreffen nicht Verfahrensrecht, sondern die Anwendung materiellen Rechts. Er wendet sich nämlich gegen denjenigen Teil in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, in dem es um die Auslegung des “besonderen Interesses an einer Auskunft über die zu ihrer Personen gespeicherten Daten” nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayVSG geht. Das Berufungsgericht hat dazu die Ansicht vertreten, dieses besondere Interesse müsse über das allgemeine berechtigte Interesse einer Person hinausgehen, grundsätzlich Kenntnis davon zu erlangen, welche Daten in welchen Dateien über sie gespeichert seien (Urteil S. 6). Der Kläger hat nicht dargelegt, welches Verfahrensrecht i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO damit verletzt sein könnte. Der letztlich allgemeine Hinweis darauf, dass die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und Art. 4 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auch prozessual durchsetzbar sein müssten, genügt der Darlegungspflicht nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.
2. Der Kläger sieht den verfahrensrechtlichen Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch als verletzt an, dass das Berufungsurteil von einem falschen, jedenfalls unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei. Es habe nämlich behauptet, es gehe dem Kläger nicht darum, die Identität der Informanten zu erfahren, und habe es deshalb abgelehnt, aus der behaupteten Tatsache über die beiden Personen, die vom Landesamt informiert worden seien, auf ein besonderes Interesse des Klägers an der Auskunft zu schließen. Der Kläger habe in der Ergänzung zu seinem ursprünglichen Auskunftsantrag im Schreiben vom 16. April 1999 geltend gemacht, sein besonderes Interesse an der Auskunft stütze er auch darauf, dass ihm an einer Berichtigung unrichtiger Daten liege und er wissen möchte, von wem die Daten, die über ihn gespeichert würden, stammten. Bereits mit seinem Antrag habe er Auskunft darüber verlangt, an wen die über ihn gespeicherten Informationen übermittelt würden und worden seien.
Die Rüge greift nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem angefochtenen Urteil in den Grenzen der Befugnis gehalten, “nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung” entscheiden zu dürfen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die “Freiheit”, die dieser sog. Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung von Tatsachen und Beweisergebnissen, d.h. auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände (Urteil vom 17. Januar 1980 – BVerwG 5 C 7.79 – Buchholz 431.1 Architekten Nr. 5 S. 16 ≪17≫). Sie ist nach der einen Seite hin begrenzt durch das jeweils anzuwendende Recht und dessen Auslegung. Alles, was (noch) Rechtsfindung ist, entzieht sich – eben deshalb – einer Deckung durch den Überzeugungsgrundsatz (vgl. dazu die Hinweise etwa in den Beschlüssen vom 11. Februar 1976 – BVerwG VI C 3.76 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 84 S. 8 ≪9≫ und vom 6. Februar 1978 – BVerwG 6 C 17.77 – Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 46 S. 3 ≪6≫). Nach der anderen Seite hin ergibt sich die Grenze daraus, dass der Überzeugungsgrundsatz nicht für eine Würdigung in Anspruch genommen werden kann, die im Vorgang der Überzeugungsbildung an einem Fehler leidet, z.B. an der Missachtung gesetzlicher Beweisregeln oder an der Berücksichtigung von Tatsachen, die sich weder auf ein Beweisergebnis noch sonst wie auf den Akteninhalt stützen lassen (Urteil vom 25. Mai 1984 – BVerwG 8 C 108.82 – Buchholz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35). Eine Verletzung dieser Rechtsgrundsätze ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich nicht unter Missachtung des Akteninhalts oder im Gegensatz dazu entschieden, sondern in offener Auseinandersetzung damit. Ein wesentlicher Teil der Urteilsgründe befasst sich gerade mit der Auslegung des klägerischen Begehrens und den darin festgestellten Veränderungen (Urteil S. 7 ff.). So steht die Feststellung im Urteil “zumal es ihm nicht darum geht, die Identität der Informanten zu erfahren” nicht isoliert, sondern im engen Zusammenhang einer Auslegung des klägerischen Begehrens und des daraus abzuleitenden besonderen Interesses i.S.v. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 BayVSG. Sie ist also Kern der richterlichen Überzeugungsbildung und nicht Ausdruck der Missachtung des Akteninhalts oder von gesetzlichen Beweisregeln.
3. Ein verfahrensrechtlicher Verstoß i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nach Ansicht des Klägers auch darin, dass das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht nachgekommen sei. Dem Gericht hätte sich aufgrund der vom Kläger wiederholt vorgetragenen Umstände zum Bekanntwerden der Daten aus Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz unter ausdrücklichem, schriftsätzlichem Beweisangebot des Klägers unter Benennung der Zeugen mit ladungsfähiger Anschrift – in den Schriftsätzen vom 17. November 1999 und 1. März 2001 – die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung aufdrängen müssen. Dies gelte umso mehr, als das Verwaltungsgericht diesen Vortrag des Klägers für glaubwürdig erachtet habe, unter anderem hieraus ein berechtigtes Auskunftsinteresse abgeleitet habe und dem Berufungsgericht durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2004 – BVerwG 20 F 6.03 – gerade ausdrücklich aufgegeben worden sei, zu entscheiden, ob das Verwaltungsgericht zu Recht ein besonderes Interesse an der Auskunftserteilung angenommen habe.
Ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ist dem Rügevorbringen nicht zu entnehmen. Auf die zum Beweis gestellten Tatsachen kam es nach der dem Urteil zu Grunde liegenden Rechtsauffassung nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich nicht entscheidend mit den Umständen zum Bekanntwerden der Daten aus den Quellen des Landesamtes für Verfassungsschutz befassen müssen, weil es auch in Anbetracht dieser Umstände das berechtigte Interesse an einem Auskunftsanspruch nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BayVSG verneint hat. Auf die Erhebung der vom Kläger vermissten Beweise kam es daher nicht an.
4. Der Kläger sieht weiterhin eine Verletzung des Verfahrensrechts i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darin, dass das Urteil auf Annahmen gestützt werde, die im offensichtlichen Widerspruch zum Inhalt der Akten stünden. Darin liege eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ihm würden Absichten unterstellt, die er so nicht geäußert habe und für die auch kein von dem Gericht festgestellter Anhaltspunkt bestehe. Weder aus seinen Schriftsätzen noch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung in der ersten Instanz sei zu entnehmen, dass sein “Interesse an der Auskunft” in Wirklichkeit darin bestehe, eine Einstellung der Beobachtung der Scientology Kirche durch den Verfassungsschutz zu erreichen. Diese Behauptung des Berufungsgerichts entbehre jeder Grundlage.
Auch insoweit handelt es sich nicht um eine entgegen dem Akteninhalt oder unter Verstoß gegen gesetzliche Beweisregeln festgestellte fehlerhafte Tatsache, sondern ausweislich der Urteilsgründe um eine Schlussfolgerung des Berufungsgerichts im Rahmen der Auslegung des vom Kläger mit der Klage verfolgten Begehrens. Nachdem das Berufungsgericht den Klägervortrag auf ein mögliches berechtigtes Auskunftsinteresse hin betrachtet und die gesetzlichen Voraussetzungen dafür verneint hat, unternimmt es an der entsprechenden Stelle (Urteil S. 8) einen Blick auf ein hinter der Klage stehendes “Fernziel” und sieht dieses darin, “die Beobachtung der Scientology Kirche und damit seiner eigenen Person durch den Verfassungsschutz als verfassungswidrig und als Verstoß gegen die Religionsfreiheit darzustellen, und zu erreichen, dass die Beobachtung der Scientology Kirche durch den Verfassungsschutz eingestellt und die über ihn gespeicherten Daten gelöscht werden”. Diese Ausführungen sind Tatsachenwürdigung und nicht Tatsachenfeststellung. Sie sind im Übrigen nicht zwingender Bestandteil der Urteilsbegründung, weil die Verneinung des berechtigten Interesses i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 2 BayVSG durch das Gericht sich bereits aus den davor liegenden Erwägungen ergibt.
5. Aufgrund der voranstehenden Ausführungen kommt es nicht mehr auf die ergänzende Erwägung der Beschwerde an, wonach den geltend gemachten Rechtsfehlern bei der Bestimmung des besonderen Interesses an der Auskunft i.S.d. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayVSG nicht entgegen gehalten werden könne, dass die Entscheidung deshalb nicht darauf beruhe, weil das Berufungsgericht auch bei unterstelltem besonderen Auskunftsinteresse die Berechtigung zur Auskunftsverweigerung festgestellt hätte. Die behaupteten Verfahrensfehler sind nämlich unter den vorangehenden vier Abschnitten (1. bis 4.) nicht festgestellt worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
1. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
“ob es mit dem aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzuleitenden Schutz des Einzelnen, der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist, wenn der Landesgesetzgeber einen Anspruch auf Auskunft über die beim Landesamt für Verfassungsschutz in Dateien oder Akten zu einer Person gespeicherten Informationen generell ohne Abwägung mit Geheimhaltungsinteressen der Sicherheitsbehörden ausschließt und nur in den Fällen der Behörde eine Ermessensentscheidung einräumt, in welchen die Person ein besonderes Interesse an einer Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten hat”,
würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich nicht stellen und kann daher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage nicht nur mit dem Fehlen eines berechtigten Auskunftsinteresses des Klägers, sondern darüber hinaus auch mit dem Vorliegen eines Auskunftsverbots nach § 11 Abs. 3 BayVSG begründet. Gegen diese selbstständig tragende weitere Begründung des angefochtenen Urteils hat der Kläger keine durchgreifenden Revisionszulassungsgründe vorgebracht. Sein Hinweis, das Berufungsgericht habe sich zur Begründung des Auskunftsverbots fälschlich auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 22. Januar 2004 – BVerwG 20 F 6.03 – bezogen, trifft nicht zu. Maßgeblich für die Annahme eines Auskunftsverbots durch das Berufungsgericht waren nicht die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 22. Januar 2004, sondern diejenigen des Fachsenats des Berufungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO im Beschluss vom 12. August 2002 – G 02.3 –. Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 22. Januar 2004 den Beschluss vom 12. August 2002 “in der Entscheidungsformel”, d.h. im Ergebnis bestätigt, trägt zwar wegen des abweichenden Begründungsansatzes des Bundesverwaltungsgerichts zur weiteren Begründung des vom Berufungsgericht angenommenen Auskunftsverbots nichts bei, ist aber in der Sache zutreffend. Wird – wie hier – die angefochtene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Nichtzulassungsbeschwerde nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26) nur dann Erfolg haben, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Daran fehlt es.
2. Aus demselben Grund kann die Revision auch nicht zur Klärung der vom Kläger aufgeworfenen weiteren Frage zugelassen werden,
“ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Verbindung mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG es gebietet, ein besonderes Interesse an der Auskunftserteilung für eine Person anzunehmen, bezüglich derer das Landesamt für Verfassungsschutz sie betreffende Daten an außenstehende Dritte weitergegeben hat.”
Darüber hinaus zeigt der Kläger insoweit eine seinen Fall übergreifende Bedeutung der Sache nicht auf. Sein Vorbringen, “undichte Stellen und das Hinausgelangen von Verfassungsschutz-Erkenntnissen an die Öffentlichkeit (seien) bundesweit verbreitet”, hat er nicht durch konkrete Hinweise untermauert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 GKG n.F. i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a.F.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen