Verfahrensgang
Truppendienstgericht Nord (Entscheidung vom 18.05.2021; Aktenzeichen TDG N 6 VL 8/16) |
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Tatbestand
Rz. 1
1. Mit der am 30. Juni 2021 eingelegten Berufung wendet sich die Wehrdisziplinaranwaltschaft gegen das ihr am 9. Juni 2021 zugestellte Urteil des Truppendienstgerichts vom 18. Mai 2021. Mit ihm wurde das Verfahren gegen den 19... geborenen Stabsunteroffizier der Reserve erneut eingestellt, nachdem der Senat die erste Verfahrenseinstellung mit Beschluss vom 29. Januar 2019 aufgehoben hatte.
Rz. 2
2. Der frühere Soldat hat mit Schreiben vom 25. März 2019 seinen Verzicht auf seinen Dienstgrad als Stabsunteroffizier der Reserve erklärt und - erneut - seine Entlassung aus dem Reservistenverhältnis beantragt. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (Bundesamt) hat darauf mit Schreiben vom 24. September 2020 reagiert und dazu mit E-Mail vom 6. Oktober 2021 erläuternd ausgeführt.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Der Senat übt das ihm gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 83 Abs. 3 Satz 1 WDO zustehende Ermessen dahingehend aus, das Verfahren auszusetzen.
Rz. 4
1. Die Entscheidung, ob der frühere Soldat bereits durch Verwaltungsakt seinen (Reserve-)Dienstgrad verliert, ist für das berufungsgerichtliche Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung im Sinne des § 83 Abs. 3 Satz 1 WDO. Denn dem ebenfalls auf die Aberkennung des Dienstgrades gerichteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wäre die Grundlage entzogen, wenn der frühere Soldat seinen Dienstgrad bereits durch Verwaltungsakt verlieren würde.
Rz. 5
Eine verbindliche Entscheidung des Bundes dazu liegt nicht vor. Das Schreiben des Bundesamts vom 24. September 2020 weist nicht die Merkmale eines Verwaltungsaktes nach § 35 Satz 1 VwVfG auf, durch den diese Frage bereits bestandskräftig entschieden worden wäre. Es enthält zum einen keine Rechtsbehelfsbelehrung, was indiziell dagegen streitet, dass mit ihm dem früheren Soldaten gegenüber eine Regelung getroffen werden sollte, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung gerichtet ist; zum anderen spricht auch der Inhalt des Schreibens dagegen. Sein Inhalt sollen danach nur "Erläuterungen" zum Verständnis des § 26 Satz 1 SG sein; zudem wird im Konjunktiv formuliert, ungeachtet dessen würde einer Verzichtserklärung "auch nicht zugestimmt werden können". Die dem Gericht übermittelte Stellungnahme des Bundesamts vom 6. Oktober 2021 lässt zudem erkennen, dass es sich selbst nicht sicher ist, einen Ablehnungsbescheid erlassen zu haben. Es formuliert ergebnisoffen, das Schreiben wäre in Bestandskraft erwachsen, "sollte" von einem Ablehnungsbescheid "ausgegangen" werden.
Rz. 6
Dass § 26 Satz 1 SG nicht von vornherein einer Entlassung durch Verwaltungsakt auf Antrag des (früheren) Soldaten entgegenstehen könnte, hat der Senat bereits im Beschluss vom 29. Januar 2019 - 2 WDB 1.18 - (Buchholz 449 § 23 SG Nr. 1 Rn. 17 m.w.N.) dargelegt.
Rz. 7
2. Der Senat übt sein Ermessen zugunsten einer Aussetzung aus. Zwar weist das Verfahren eine beträchtliche Überlänge auf; es ist jedoch für den früheren Soldaten wirtschaftlich und beruflich ohne jegliche Relevanz. Vor diesem Hintergrund nimmt der Senat eine weitere Verlängerung des Verfahrens angesichts der gleichzeitig bestehenden Gefahr in Kauf, gerichtliche Ressourcen zur Durchführung eines lediglich symbolhaften Verfahrens zu binden und dadurch die Erledigung von Disziplinarverfahren zu verzögern, die für die betreffenden Soldaten von teilweiser existenzieller Bedeutung sind.
Fundstellen
Haufe-Index 15615883 |
NZWehrr 2022, 126 |