Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigungsverlangen, – eines Ersatzmitgliedes des Personalrats. Ersatzmitglied des Personalrats, Weiterbeschäftigungsverlangen eines –
Leitsatz (amtlich)
Ein Weiterbeschäftigungsverlangen eines Ersatzmitgliedes des Personalrats ist in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG gerechtfertigt, wenn zeitlich getrennte Vertretungstätigkeiten in einer so großen Zahl von Einzelfällen ausgeübt worden sind, daß sie in ihrer Gesamtheit einer über einen längeren, in sich geschlossenen Zeitraum bestehenden Ersatzmitgliedschaft im Personalrat gleichkommen, und wenn sich eine mißbräuchliche Begünstigung ausschließen läßt (Fortentwicklung der Rspr. des Senats – vgl. BVerwGE 74, 280).
Normenkette
BPersVG § 9 Abs. 3, § 107 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 2. Juni 1987 wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Sigmaringen – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 13. Oktober 1986 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern, der Antragsteller, und die Beteiligte zu 1) schlössen am 6. September 1983 einen Berufsausbildungsvertrag. Nach dessen § 3 Satz 1 richtete sich das Berufsausbildungsverhältnis für den Beruf einer Heilerziehungspflegerin nach dem Berufsbildungsgesetz. Die praktische Ausbildung erfolgte beim Behindertenheim R. Ihre Ausbildung schloß die Beteiligte zu 1) bis zum vertragsgemäßen Ende der Ausbildungszeit am 30. September 1986 erfolgreich ab.
Im April 1985 kandidierte die Beteiligte zu 1) bei der Wahl zum Personalrat beim Behindertenheim R., dem Beteiligten zu 2), wurde aber nicht gewählt. Als „Ersatzmitglied” nahm sie jedoch in der Zeit von Juli 1985 bis September 1986 an insgesamt vierzehn der regelmäßig wöchentlich abgehaltenen Sitzungen des Personalrats teil.
Im März 1986 teilte das Behindertenheim R. der Beteiligten zu 1) mit, daß für sie nach Ausbildungsende eine weitere Beschäftigung nicht vorgesehen sei. Später wurde auch eine Anwendung des § 9 BPersVG abgelehnt. Gleichwohl verlangte die Beteiligte zu 1) am 10. Juli 1986, sie im Anschluß an die Ausbildung gemäß dieser Vorschrift in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit weiterzubeschäftigen.
Der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht angerufen und beantragt festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1) nicht begründet worden ist. Die Betätigung der Beteiligten zu 1) in zeitlich unregelmäßigen Abständen als Verhinderungsvertreterin reiche nicht aus, um auch nur den nachwirkenden Schutz gemäß § 9 Abs. 3 BPersVG in Anspruch nehmen zu können. Abgesehen davon sei ihr Einrücken nur bei drei von neun Sitzungen vor dem 10. Juli 1986 gerechtfertigt gewesen.
Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie habe nicht nur zufällig an einzelnen Sitzungen des Beteiligten zu 2) teilgenommen, sondern über einen längeren Zeitabschnitt jeweils verhinderte Mitglieder vertreten. Von den fünf zeitgleich ausgebildeten Heilerziehungspflegern sei allein sie nicht auf einen Dauerarbeitsplatz übernommen worden, obwohl sie mit einem Notendurchschnitt von 1,8 das beste Prüfungsergebnis erzielt habe. Die Nichtübernahme müsse deshalb im Zusammenhang mit ihrem aktiven Einsatz für die Interessen der Beschäftigten gesehen werden. Wegen dieses Einsatzes im Rahmen ihrer Vertretungstätigkeit seien ihr von der Heimleitung auch Vorhaltungen gemacht worden.
Der Beteiligte zu 2) hat ebenfalls beantragt, den Antrag abzulehnen. Er hat vorgetragen, die Heranziehung der Beteiligten zu 1) als Verhinderungsvertreterin sei aus verschiedenen Gründen – wie Urlaub, dienstliche Unabkömmlichkeit, Freizeitausgleich wegen Wochenendarbeit, überstunden und dergleichen, Krankheit eines Mitglieds des Personalrats – erforderlich gewesen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Es hat ausgeführt: Der Schutzzweck des § 9 BPersVG erstrecke sich auch auf Auszubildende, die lediglich für vorübergehend verhinderte Mitglieder des Personalrats einrückten, sofern die Mitwirkung nicht nur von unbedeutendem Gewicht sei. Das erfordere der Schutzzweck des § 9 BPersVG. Die Mitwirkung der Beteiligten zu 1) an der Arbeit des Beteiligten zu 2) habe wesentliches Gewicht gehabt. Sie habe seit Juli 1985 an rund 20 % der Sitzungen teilgenommen. Mit seinem Vorbringen, die Beteiligte zu 1) sei wiederholt unter Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 LPVG BW zu Sitzungen herangezogen worden, könne der Antragsteller nicht durchdringen.
Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und sich dabei auch darauf berufen, die Beteiligte zu 1) könne schon deshalb nicht den Weiterbeschäftigungsschutz des § 9 BPersVG beanspruchen, weil sie nicht in einem „Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz” gestanden habe.
Die Beschwerde hatte Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Feststellungsbegehren des Antragstellers stattgegeben. In seinem Beschluß hat er offengelassen, ob die Beteiligte zu 1) in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz gestanden hat. Der Weiterbeschäftigungsschutz gemäß § 9 BPersVG stehe ihr schon deshalb nicht zu, weil der Gesetzgeber diesen an den Status des Mitgliedes einer Personalvertretung oder einer Jugendvertretung gebunden habe. Eine entsprechende Anwendung auf Verhinderungsvertreter komme nur in Betracht, wenn diese bei andauernden Verhinderungsfällen über einen längeren, zusammenhängenden Zeitraum, der einen beträchtlichen Teil der regelmäßig vierjährigen Amtszeit umfasse, als Ersatzmitglieder mitgewirkt hätten. Eine weitergehende Ausdehnung des Schutzes nach § 9 BPersVG sei abzulehnen, weil sie die Gefahr einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Personalhoheit bzw. Abschlußfreiheit des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers sowie einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Einstellungschancen der übrigen Auszubildenden in sich berge. Die genannten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Beteiligte zu 1) habe von Fall zu Fall aus den unterschiedlichsten Gründen jeweils einen der drei gewählten Beschäftigten der Vorschlagsliste vertreten. Bei dieser Sachlage komme es nicht darauf an, ob die Beteiligte zu 1) jeweils zu Recht als Verhinderungsvertreterin herangezogen worden sei.
Hiergegen richten sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1) und 2). Zu deren Begründung wird vorgetragen: Die Beteiligte zu 1) habe im Monat Juli 1986 besonders häufig, nämlich dreimal, an Sitzungen des Personalrats teilgenommen; sie sei somit zu diesem Zeitpunkt, als sie auch das Übernahmeverlangen gestellt habe, Mitglied des Personalrats gewesen, teilweise auch in der Zeit zuvor und in der Zeit danach. Auch wenn, mit Ausnahme des Monats Juli 1986, im übrigen ein zeitlich geschlossener, länger andauernder Zeitraum sich nicht ergebe, habe sie bei einer zeitlich so bedeutsamen Personalratstätigkeit auch nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Kriterien Anspruch auf nachgehenden Schutz durch Weiterbeschäftigung. Der Vorwurf einer Manipulation sei im vorliegenden Falle nicht erhoben worden, den Umständen nach auch nicht zu begründen. Generelle Hinweise auf Mißbrauchsmöglichkeiten hingegen dürften die Auslegung einer Rechtsvorschrift (hier des § 9 BPersVG) nicht beeinflussen. Ihnen sei im Einzelfall über das Rechtsinstitut des Rechtsmißbrauchs zu begegnen.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen sinngemäß,
den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Juni 1987 aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Oktober 1986 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluß. Der von den Beteiligten angesprochenen Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts tritt er entgegen. Diese ließe sich zu sehr vom Blick auf den Ausnahmefall leiten, daß es nämlich bereits bei einem einmaligen Vertretungsfall zu einer erheblichen Konfliktsituation kommen könne. Eine solche Rechtsanwendung müsse außerdem insofern zu Schwierigkeiten führen, als sie zu der Prüfung nötige, ob im Einzelfall ein Verhinderungsfall wirklich vorgelegen habe. Auch der Gefahr eines Mißbrauchs werde sie nicht hinreichend gerecht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) sind begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Die Beteiligte zu 1) erfüllt die persönlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BPersVG, der gemäß § 107 Satz 2 BPersVG im Landesbereich entsprechend gilt. Die Art des von ihr abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisses und ihre Betätigung als „Ersatzmitglied” des Personalrates lassen eine Anwendung des § 9 BPersVG zu. Danach war die Beteiligte zu 1) in entsprechender Anwendung der Absätze 2 und 3 berechtigt, den Schutz des § 9 BPersVG in Anspruch zu nehmen. Aufgrund ihres dahingehenden Verlangens ist zwischen ihr und dem Antragsteller ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zustande gekommen.
Nach der maßgeblichen, beim Ausbildungsende gültigen und bis zum Änderungsgesetz vom 13. Juli 1988 (BGBl. I S. 1037) fortgeltenden Fassung gilt § 9 Abs. 1 BPersVG für die in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz stehenden Beschäftigten (Auszubildenden), die Mitglieder einer Personalvertretung oder einer Jugendvertretung sind. Die Ausbildung der Beteiligten zu 1) richtete sich zwar nicht unmittelbar nach diesem Gesetz, sondern nach der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über die Schulen für Erzieher – Fachrichtung Jugend- und Heimerziehung –, Heilerziehungspflege, Arbeitserziehung und Heilerziehungshilfe vom 20. Januar 1981, GBl. BW S. 50. Das hindert jedoch eine Anwendung des § 9 BPersVG nicht. Die Vorschrift ist vielmehr auf das Ausbildungsverhältnis der Beteiligten zu 1) entsprechend anzuwenden. Denn die konkrete Ausbildung entsprach vertragsgemäß weitestgehend einer Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz. Entgegen dem durch § 6 der genannten Verordnung vermittelten Eindruck überwog die schulische Ausbildung nicht. Den dahingehenden tatsächlichen Einlassungen der Beteiligten zu 1) hat der Antragsteller nicht widersprochen. Für die Richtigkeit der Behauptungen spricht aber vor allem der Berufsausbildungsvertrag, über § 6 der genannten Verordnung hinausgehend sah er in seinem § 2 eine dreijährige Berufsausbildung vor, wobei die regelmäßige tägliche Arbeitszeit sich nach den jeweiligen Regelungen für die Arbeitszeit der übrigen beim Behindertenheim in der Heilerziehungspflege beschäftigten Mitarbeiter richtete. Dieser Umstand nötigt dazu, bei der Frage der Anwendbarkeit des § 9 Abs. 1 BPersVG in erster Linie auf den Inhalt des Ausbildungsvertrages abzustimmen. Der Vertrag aber regelt in § 3 Satz 1 ausdrücklich und folgerichtig, daß sich das Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz richtet (vgl. im übrigen auch § 7 des Vertrages). Diese von den Vorinstanzen nicht im einzelnen gewürdigten Tatsachen kann der Senat seiner Entscheidung unbedenklich zugrunde legen, weil der Beschluß des Beschwerdegerichts umfassend auf den Akteninhalt Bezug nimmt.
Da somit § 9 BPersVG nach der Art ihres Ausbildungsverhältnisses zur Anwendung kommt, konnte die Beteiligte zu 1) den in dieser Vorschrift geregelten nachwirkenden Schutz in Anspruch nehmen. Das ergibt sich allerdings nicht schon im Wege einer unmittelbaren Anwendung der Absätze 2 und 3 des § 9 BPersVG.
Nach § 9 Abs. 2 BPersVG gilt, wenn ein in Abs. 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber seine Weiterbeschäftigung verlangt, zwischen dem Auszubildenden und dem Arbeitgeber im Anschluß an das erfolgreiche Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) und 2) sind nach den bindenden Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen dieses Absatzes nicht gegeben. Die Beteiligte zu 1) war zum Zeitpunkt ihres Verlangens nach Weiterbeschäftigung, der nach der Rechtsprechung des Senats maßgeblich ist (vgl. BVerwGE 74, 280, 284), nicht – auch nicht vorübergehend – Mitglied einer Personalvertretung im Sinne der Vorschrift. Davon ist auszugehen, auch wenn das Schreiben mit dem Weiterbeschäftigungsverlangen vom 9. Juli 1986 datierte und am 10. Juli 1986 beim Behindertenheim R. einkam. Zwar hat die Beteiligte zu 1) u.a. an den Personalratssitzungen am 9., 17. und 24. Juli 1986 teilgenommen. Sie war jedoch nur „Ersatzmitglied” und hat lediglich „von Fall zu Fall aus den unterschiedlichsten Gründen jeweils einen der drei gewählten Beschäftigten der Vorschlagsliste vertreten”. Wie der Senat bereits entschieden hat, wird ein Beschäftigter „Ersatzmitglied” des Personalrats erst in dem Zeitpunkt, zu dem er für ein gewähltes Mitglied in den Personalrat eintritt, und bleibt dies nur so lange, wie das gewählte Personalratsmitglied, das er ersetzt, nicht imstande ist, sein Personalratsamt wieder selbst auszuüben. Mit dem Ende seiner so zu verstehenden Ersatzmitgliedschaft verliert der Betreffende auch die Stellung eines Ersatzmitgliedes des Personalrats wieder. Er tritt in den Stand eines auf einer Wahlvorschlagsliste aufgeführten, aber nicht gewählten Beschäftigten zurück (BVerwGE 74, 280 ≪281≫; Beschluß des Senats vom 25. Juni 1986 – BVerwG 6 P 28.84 – ≪DÖV 1986, 973≫). Hiernach ist unter Berücksichtigung der Feststellungen des Beschwerdegerichts davon auszugehen, daß die Beteiligte zu 1) zu keinem Zeitpunkt, also auch nicht zu demjenigen ihres Weiterbeschäftigungsverlangens, über einen zusammenhängenden Zeitraum Ersatzmitglied des Personalrats war. Die Ersatzmitgliedschaft erstreckte sich damit allein auf die Zeiten der tatsächlichen Teilnahme an Sitzungen des Personalrats.
Auch eine unmittelbare Anwendung des § 9 Abs. 3 BPersVG scheidet hier aus. Nach dieser Vorschrift gelten die Absätze 1 und 2 auch dann, wenn das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Personalvertretung oder der Jugendvertretung erfolgreich endet. Der Senat hat eine unmittelbare Anwendung des § 9 Abs. 3 BPersVG abgelehnt, wenn die betroffenen Beschäftigten bzw. Auszubildenden nur einige wenige Male in rechtlich erheblichem zeitlichen Abstand als Verhinderungsvertreter – und damit Ersatzmitglied – an Sitzungen des personalvertretungsrechtlichen Organs teilgenommen haben, für das sie erfolglos kandidierten. Sie erfüllen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 BPersVG schon deswegen nicht, weil sie keine „Amtszeit” im Sinne der Vorschrift in dem Organ verbracht haben. Bereits seinem Wortlaut nach bezeichnet dieser Begriff die Wahrnehmung des Amtes eines Mitglieds des Personalrats oder der Jugendvertretung für einen gewissen, vom Senat bisher nicht näher eingegrenzten zusammenhängenden Zeitraum, der jedenfalls die Dauer einzelner, zeitlich getrennter Tage überschreiten muß (BVerwGE 74, 280 ≪284≫; Beschluß des Senats vom 25. Juni 1986 – BVerwG 6 P 28.84 – ≪a.a.O., 974≫). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
Hingegen rechtfertigt der vom Beschwerdegericht festgestellte Sachverhalt nach Sinn und Zweck der Gesamtregelung des § 9 BPersVG eine entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 2 und 3 BPersVG. Schutzzweck der Regelung des § 9 BPersVG in ihrer Gesamtheit ist es zunächst, Auszubildende vor Personalmaßnahmen zu bewahren, die sie an der Ausübung ihres Personalrats- oder Jugendvertreteramtes hindern oder ihre Unabhängigkeit in diesem Amt beeinträchtigen können (BVerwGE 74, 280 ≪282≫; Beschluß des Senats vom 25. Juni 1986 – BVerwG 6 P 28.84 – ≪a.a.O.≫). Dieser Schutz setzt schon gegenüber Vorwirkungen auch nur denkbarer oder subjektiv für möglich gehaltener Benachteiligungen ein. Namentlich in der Regelung des nachwirkenden Schutzes in Abs. 3 der Vorschrift kommt das weitergehende und in erster Linie angestrebte Anliegen zum Ausdruck, daß die Auszubildenden ihr Amt ohne Furcht vor späteren Nachteilen für ihre zukünftige berufliche Entwicklung ausüben können sollen (vgl. BT-Drucks. 7/1373, III., zu § 8 i.V.m. BT-Drucks. 7/1170; ferner Schwedes BABl. 1974, 9 ≪10≫; Scheuring PersV 1987, 89 ≪91≫). Daß der amtierende Personalrat über § 9 Abs. 1 und 2 BPersVG auch vor dauernden oder vorübergehenden Änderungen seiner Zusammensetzung geschützt wird, ist lediglich eine mittelbare Folge des mit der Vorschrift insgesamt bezweckten Schutzes (vgl. Beschluß des Senats vom 27. September 1984 – BVerwG 6 P 38.83 – ≪NJW 1985, 2842≫). Dies gilt sinngemäß auch für den vom Beschwerdegericht zu sehr in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkt der Kontinuität der Amtsführung der einzelnen Mitglieder der Personal- oder Jugendvertretung. Sie wird ebenfalls nur mittelbar geschützt, und zwar durch den Schutz der Unabhängigkeit der Amtsführung, der sich – schon bei der Entscheidung zur Kandidatur einsetzend – auch bereits auf die Entscheidungsfreiheit erstreckt, die Wahl anzunehmen und die Mitgliedschaft im Vertretungsorgan bis zum Ende der Amtszeit beizubehalten. Dieser Sichtweise entsprechen gesetzessystematische Parallelen. So genießt z.B. bei der Niederlegung des Amtes die Entscheidungsfreiheit des gewählten Mitgliedes Vorrang vor Kontinuitätsaspekten; eine Amtsniederlegung (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG) kann nämlich jederzeit und ohne sachlichen Grund erfolgen (vgl. BVerwGE 16, 230 ≪234≫). Auch die schon genannten Gesetzesmaterialien zu § 9 BPersVG enthalten keinerlei Hinweis auf Kontinuitätsgesichtspunkte.
Die genannten primären Schutzzwecke werden andererseits durch § 9 BPersVG nicht schrankenlos gewährleistet. Zunächst darf die Vorschrift nicht so angewandt werden, daß der angestrebte besondere Schutz vor Benachteiligung in eine Begünstigung umschlägt. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Mitglieder des Personalrats – sowie alle Personen, die Aufgaben nach dem Gesetz wahrnehmen – in ihrer beruflichen Entwicklung weder benachteiligt noch durch diese Tätigkeit begünstigt werden (BT-Drucks. 7/1373, III., zu § 8). Die Vorschrift stellt sich also in beiden Richtungen als eine spezielle Ausformung der in § 8 BPersVG enthaltenen und durch Art. 33 Abs. 2 GG geprägten Verbote der Benachteiligung bzw. der Begünstigung dar. Diese Ambivalenz, namentlich die Auswirkungen auf die Einstellungschancen etwa konkurrierender Auszubildender, die nicht in personalvertretungsrechtlichen Organen tätig sind, sowie der mit einer Weiterbeschäftigung nach § 9 BPersVG verbundene tiefe Eingriff in die Personalhoheit des Dienstherrn bzw. in die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers nötigen zu einer strikten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung setzt demgemäß einen entsprechend gewichtigen Anlaß für den weitreichenden Schutz des betroffenen Beschäftigten bzw. Auszubildenden schon vor einer auch nur für möglich gehaltenen Benachteiligung voraus. Sinn und Zweck der Gesamtregelung des § 9 BPersVG gebieten es daher nach der genannten Rechtsprechung des Senats, dem ausgeschiedenen Mitglied eines personalvertretungsrechtlichen Organs den weitreichenden Schutz dieser Vorschriften zwar immer, aber auch nur dann zuteil werden zu lassen, wenn es dem Organ über einen längeren, in sich geschlossenen Zeitraum angehört hat (BVerwGE 74, 280 ≪284≫).
Diese auch am Wortlaut der Vorschrift ausgerichteten Auslegungsgrundsätze gelten so ausschließlich jedoch nur bei der unmittelbaren Anwendung des § 9 BPersVG. Daneben ist eine entsprechende Anwendung der Vorschrift jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich die Vertretungstätigkeit in anderer Weise als ein vergleichbar gewichtiger Anlaß für den weitreichenden Schutz des betroffenen Beschäftigten bzw. Auszubildenden schon vor einer nur für möglich gehaltenen Benachteiligung darstellt und sich eine mißbräuchliche Begünstigung ausschließen läßt. Davon wiederum ist in aller Regel jedenfalls dann auszugehen, wenn zeitlich getrennte Vertretungstätigkeiten in einer so großen Zahl von Einzelfällen ausgeübt worden sind, daß sie in ihrer Gesamtheit einer über einen längeren, in sich geschlossenen Zeitraum bestehenden Ersatzmitgliedschaft in einer Personal- oder Jugendvertretung gleichkommen.
Auf den vorliegenden Fall angewandt rechtfertigt diese Auslegung eine entsprechende Anwendung des § 9 BPersVG. Die Beteiligte zu 1) hat an den Sitzungen des Personalrats insgesamt vierzehnmal (also an etwa 20 % der Sitzungen) als Vertreterin eines gewählten Mitglieds teilgenommen. Dies entspricht, da der Personalrat nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts etwa wöchentlich tagte, einem zusammenhängenden Zeitraum von etwa vierzehn Wochen, mithin einem längeren Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Senats. Diese Vertretungstätigkeit ist vollen Umfangs zu berücksichtigen. Auch Tätigkeiten, die nach dem Weiterbeschäftigungsverlangen ausgeübt werden, dürfen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Gesamtregelung des § 9 BPersVG wie auch aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht unberücksichtigt bleiben.
Es würde dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 LPVG BW) widersprechen, wenn Ersatzmitglieder im Hinblick auf die angestrebte Weiterbeschäftigung gezielt mit Vertretungen im Personalrat, insbesondere nach Stellung des Antrags gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG beauftragt würden. In diesen Fällen des Mißbrauchs wäre dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten (§ 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG). Auch wenn die Beteiligte zu 1) nach der Mitteilung des Antragstellers vom 27. März 1986, für sie sei keine weitere Beschäftigung vorgesehen, achtmal und nach dem Weiterbeschäftigungsverlangen fünfmal zur Vertretung im Personalrat herangezogen wurde, sind hier Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Begünstigung der Beteiligten zu 1) gleichwohl nicht erkennbar. Zwar ist zwischen dem Antragsteller und den Beteiligten umstritten, ob die Beteiligte zu 1) zu Recht als Vertreterin herangezogen worden ist. Der Antragsteller hat insoweit geltend gemacht, daß die von dem Beteiligten zu 2) angeführten wiederkehrenden Umstände, die insbesondere in der nichtkontinuierlichen Teilnahme von Personalratsmitgliedern und anderen Ersatzmitgliedern begründet waren – welche sich darauf beriefen, daß sie „dienstplanmäßig frei” hätten bzw. Freizeitausgleich in Anspruch nähmen oder aber „dienstlich unabkömmlich” seien –, keine Verhinderungsfälle im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 BPersVG darstellten. Maßgebend ist jedoch, daß der Beteiligte zu 2) die jeweiligen Personalratsmitglieder für verhindert angesehen hat und sich diese selbst auch als verhindert angesehen haben. Der Antragsteller kann sich demgegenüber nicht auf seine entgegenstehende Rechtsauffassung berufen, weil er es in der Hand gehabt hätte, bei den ihm bekanntgewordenen, sich häufenden und über eine längere Zeit immer wieder auftretenden Vertretungsfällen, in denen Auszubildende als Ersatzmitglieder hinzugezogen wurden, rechtzeitig auf eine seiner Ansicht nach zutreffende Handhabung des § 31 Abs. 1 Satz 2 BPersVG hinzuwirken. So hätte er die Weisung erteilen können, daß Freizeitausgleich für Personalratsmitglieder und zur Vertretung berufener Ersatzmitglieder nicht an Tagen erteilt werden dürfe, an denen Personalratssitzungen stattfinden; ebenso hätte er anordnen können, daß wegen des Vorrangs der Teilnahme an einer Personalratssitzung ein Personalratsmitglied sich aus Anlaß seiner allgemeinen dienstlichen Tätigkeiten nur im Benehmen mit der Dienststelle oder seinem unmittelbaren Dienstvorgesetzten für verhindert erklären dürfe. Zumindest hätte er aus gegebener Veranlassung seinen Rechtsstandpunkt darlegen und erläutern können. Jedenfalls geht es nicht an, daß der Dienststellenleiter zunächst eine Praxis mit dem Vorteil eines reibungslosen Dienstablaufes hinnimmt, und erst später, wenn es im Streit um das Weiterbeschäftigungsverlangen darauf ankommt, rechtliche Bedenken gegen diese Praxis geltend macht. Vielmehr muß der Dienststellenleiter bei etwaigen Zweifeln eine baldige Klärung herbeiführen. Dazu ist er auch in der Lage. Er kann nämlich jederzeit und fortlaufend Auskünfte darüber verlangen, welche Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder an den Personalratss itzungen teilgenommen haben; ebenso kann er bei Vertretungsfällen auch Angaben zum Grund der Verhinderung verlangen. Die Berechtigung dazu ergibt sich unmittelbar aus dem Direktionsrecht des Dienstellenleiters, der für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Dienststelle verantwortlich ist.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO i.V.m. § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Nettesheim, Dr. Seibert, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen