Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalvertretung. Weiterbeschäftigungsanspruch des Ersatzmitglieds. Weiterbeschäftigung eines Ersatzmitglieds des Personalrats nach der Berufsausbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Weiterbeschäftigungsschutz nach § 9 BPersVG gilt nicht unmittelbar für Verhinderungsvertreter. Eine entsprechende Anwendung des Gesetzes ist in Betracht zu ziehen für Sachverhalte, bei denen der Auszubildende im Rahmen eines andauernden Verhinderungsfalls über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum zur vertretungsweisen Mitwirkung im Personalrat herangezogen worden ist.

 

Normenkette

BPersVG §§ 9, 107

 

Verfahrensgang

VG Sigmaringen (Beschluss vom 13.10.1986; Aktenzeichen Pers. 1424/86)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 28.02.1990; Aktenzeichen 6 P 21.87)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Oktober 1986 – Pers. 1424/86 – geändert. Es wird festgestellt, daß ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten zu 1 nicht begründet worden ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller und die Beteiligte zu 1 schlossen am 6.9.1983 einen Berufsausbildungsvertrag über die Ausbildung der Beteiligten zu 1 für den Beruf einer Heilerziehungspflegerin. Nach dem Vertrag richtet sich das Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz vom 14.8.1969; das Ende der Ausbildungszeit ist in dem Vertrag auf den 30.9.1986 bestimmt. Die praktische Ausbildung der Beteiligten zu 1 geschah beim Behindertenheim R., dessen Träger der Antragsteller ist. Die Beteiligte zu 1 schloß die Ausbildung erfolgreich ab, wobei ihr das Zeugnis über die Abschlußprüfung am 30.9.1986 ausgehändigt wurde.

Die Beteiligte zu 1 kandidierte bei der Wahl zum Personalrat des Behindertenheims R. am 24.4.1985 für die Gruppe der Angestellten, wurde aber nicht gewählt. Sie erreichte in der Reihenfolge der nichtgewählten Beschäftigten der Vorschlagsliste der Gewerkschaft ÖTV die dritte Stelle.

Das Behindertenheim R. zählt im Durchschnitt 270 Beschäftigte. Der Personalrat des Behindertenheims R., der Beteiligte zu 2, hat sieben Mitglieder. Er hält in der Regel wöchentlich eine Sitzung ab. Die Beteiligte zu 1 nahm in der Zeit vor dem 30.9.1986 an 14 Sitzungen als Ersatzmitglied für jeweils verhinderte Mitglider teil, und zwar am 4.7.1985, 11.7.1985, 4.9.1985, 31.10.1985, 27.11.1985, 27.2.1986, 24.4.1986, 12.6.1986, 9.7.1986, 17.7.1986, 24.7.1986, 14.8.1986, 3.9.1986 und am 26.9.1986.

Unter den 27.3.1986 teilte das Behindertenheim R. der Beteiligten zu 1 mit, für sie sei nach Beendigung ihrer Ausbildung keine weitere Beschäftigung in der Einrichtung vorgesehen, unter den 1.7.1986 erklärte das Behindertenheim R. gegenüber der Beteiligten zu 1 diesbezüglich, § 9 BPersVG gelte nicht für Ersatzmitglieder einer Personalvertretung. Darauf beantragte die Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 9.7.1986 – beim Behindertenheim R. am 10.7.1986 eingegangen – unter Berufung auf § 9 Abs. 2 BPersVG, sie nach erfolgreicher Beendigung ihrer Berufsausbildung in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als Heilerziehungspflegerin weiter zu beschäftigen.

Unter dem 15.7.1986 erhob die Beteiligte zu 1 beim Arbeitsgericht gegen den Antragsteller Klage auf Weiterbeschäftigung. Nach Hinweis des Arbeitsgerichts auf einen vom Antragsteller anhängig zu machenden personalvertretungsrechtlichen Streit nahm sie am 6.8.1986 die Klage zurück.

Am 4.9.1986 hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht Sigmaringen – Fachkammer für Personalvertretungssachen – angerufen. Er hat beantragt festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1 nicht begründet worden ist. Die Beteiligte zu 1 habe keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung gemäß § 9 BPersVG. Sie sei nicht Mitglied des Personalrats. Sie habe lediglich in zeitlich unregelmäßigen Abständen als Verhinderungsvertreterin an Sitzungen des Beteiligten zu 2 teilgenommen. Dies reiche nicht aus, um auch nur den nachwirkenden Schutz gemäß § 9 Abs. 3 BPersVG in Anspruch nehmen zu können. Hierfür sei erforderlich, daß der Verhinderungsvertreter dem personalvertretungsrechtlichen Organ über einen längeren in sich geschlossenen Zeitraum angehört habe. Davon könne bei der Beteiligten zu 1 keine Rede sein. Rund 80 v.H. der Sitzungen des Beteiligten zu 2 in der maßgeblichen Zeit vor dem 10.7.1986 (Stellung des Weiterbeschäftigungsverlangens) hätten ohne ihre Mitwirkung stattgefunden. Abgesehen davon sei sie zumeist unter Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 2 LPVG zu den Sitzungen herangezogen worden. Was die 9 Sitzungen anlange, an denen sie in der Zeit vor dem 10.7.1986 teilgenommen habe, so sei ihr Einrücken nur bei den Sitzungen am 4.7.1985, 11.7.1985 und am 9.7.1986 gerechtfertigt gewesen.

Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie habe nicht nur zufällig an einzelnen Sitzungen des Beteiligten zu 2 teilgenommen, sondern über einen längeren Zeitabschnitt jeweils verhinderte Mitglieder vertreten. In jüngster Zeit habe sich i...

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