Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen A 1 S 666/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. November 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und mehrere Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage, ob die Grundsätze über die inländische Fluchtalternative auf die autonomen kurdischen Provinzen im Norden Irak anwendbar sind, wenn dort nach Maßgabe einer Stellungnahme des Deutschen Orient-Instituts eine erneute Gruppenverfolgung der Kurden durch den Irak nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (Beschwerdebegründung S. 5). Eine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage wirft die Beschwerde damit nicht auf. Ob in bestimmten Gebietsteilen eines Staates die Grundsätze über die inländische Fluchtalternative anwendbar sind, hängt in erster Linie von den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Staat ab und ist insoweit der Klärung der Tatsachengerichte vorbehalten. Die Anwendbarkeit der Grundsätze über die inländische Fluchtalternative auf das von den Kurden beherrschte Gebiet im Nordirak ist im Übrigen – abhängig von den jeweiligen Feststellungen des Tatsachengerichts im Einzelfall – in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 – BVerwG 9 C 17.98 – BVerwGE 108, 84; Urteil vom 5. Oktober 1999 – BVerwG 9 C 15.99 – BVerwGE 109, 353; Urteil vom 16. November 1999 – BVerwG 9 C 4.99 – BVerwGE 110, 74). Weitergehenden rechtlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf. Schließlich entspricht die Lageeinschätzung des Deutschen Orient-Instituts, die der gestellten Frage zugrunde liegt, nicht den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts; auch deshalb würde sich diese Frage nicht in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen.

Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde der Rechtssache ferner deshalb zu, weil das Berufungsgericht auf den Sachvortrag der Beigeladenen nicht eingegangen sei, sie fände im Falle einer Rückkehr in den Nordirak keine Existenzgrundlage und ihr Leben sei infolge der dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Zustände durch die kriegerischen Auseinandersetzungen der kurdischen Parteien gefährdet (Beschwerdebegründung S. 8). Eine Rechtsfrage, wie sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung voraussetzt, bezeichnet die Beschwerde auch damit nicht. Sollte mit diesem Vorbringen ein Verfahrensmangel in Form eines Gehörsverstoßes (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht sein, genügte das Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn die Beschwerde zeigt nicht auf, weshalb sich das Berufungsgericht hier ausdrücklich damit hätte auseinander setzen müssen, ob der Beigeladenen bei einer Rückkehr in den Nordirak andere unzumutbare Nachteile drohen, obwohl sie aus diesem Gebiet kommt (vgl. dazu BVerwGE 109, 353 ≪355 f.≫).

Soweit die Beschwerde schließlich im Rahmen der Grundsatzrüge beanstandet, dass das Berufungsgericht eine hinreichende Sicherheit der Beigeladenen im Nordirak auf einer ungenügenden Tatsachengrundlage angenommen habe, führt dies weder auf eine klärungsfähige Rechtsfrage, noch auf einen Verfahrensmangel. Der Sache nach beanstandet die Beschwerde damit einen Verstoß gegen materielles Recht, mit dem sie die Zulassung der Revision nicht begründen kann.

Nicht ausreichend dargelegt sind auch die Divergenzrügen. Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsurteil weiche von im Einzelnen genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Beschwerdebegründung S. 8) ab, weil es für die Beigeladene eine inländische Fluchtalternative im Nordirak bejahe, ohne verlässliche Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob sie dort vor erneuter Verfolgung und anderen existenzbedrohenden Gefahren hinreichend sicher sei. Damit zeigt sie keinen vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten abstrakten Rechtssatz auf, mit dem es von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen wäre. Der Sache nach wendet sie sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Die Zulassung der Revision wegen einer Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kann sie damit nicht erreichen. Entsprechendes gilt für die geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 1999 (BVerwG 9 C 15.99). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, die Annahme des Berufungsgerichts, der Beigeladenen drohe wegen ihrer Tätigkeit als Köchin für die ausländische Hilfsorganisation ICMC im Nordirak bei ihrer Rückkehr keine Gefährdung, zumal da auch die irakischen Agenten wegen einer starken Selbstgefährdung im Nordirak ihre Aktivitäten auf herausgehobene Tätigkeiten für westliche Hilfsorganisationen beschränkten, sei spekulativ, übersieht sie, dass das Berufungsgericht zum einen durchgreifende Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beigeladenen hatte (UA S. 7 ff.) und sich zum anderen im Hinblick auf die Selbstgefährdung der im Nordirak operierenden Agenten des Zentralirak auf eine Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an das Verwaltungsgericht Trier berufen konnte (UA S. 10).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI600484

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