Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 28.11.2007; Aktenzeichen 12 BV 06.1714) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. November 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt J… beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) der Fragen zuzulassen,
“inwieweit Eltern ihre Kinder zwar nicht gegenüber ‘zivilen’ Gläubigern verpflichten, jedoch aufgrund des Förderungsantrags eine Verbindlichkeit gegenüber dem Staat verursachen dürfen, und inwieweit dann also die Staatskasse im Rahmen von Forderungen gegenüber volljährig Gewordenen schützenswerter sein soll als der privatrechtliche Gläubiger”, bzw.
“ob das BAföG in Bezug auf den Minderjährigenschutz den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die zur Einführung des § 1629a BGB geführt haben, gerecht wird.”
Es folgt unmittelbar aus dem Gesetz und wird auch von dem Kläger nicht mehr angegriffen, dass die in § 1629a BGB angeordneten Beschränkungen der Haftung Minderjähriger für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, auf die im öffentlichen Recht gründende Rückforderung gewährter Ausbildungsförderung (hier: sog. Schüler-BAföG) nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG nicht unmittelbar anzuwenden sind.
Es bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren, dass die von der Beschwerde für geboten gehaltene entsprechende Anwendung der Haftungsbeschränkungen des § 1629a BGB jedenfalls in dem vorliegenden Fall der Rückforderung von Leistungen der Ausbildungsförderung nicht in Betracht kommt und auch von Verfassung wegen nicht geboten ist. Das vorliegende Verfahren gibt dabei keinen Anlass zur umfassenden Klärung der Frage, ob oder unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Anwendung des Schutzgedankens des § 1629a BGB gegenüber öffentlich-rechtlich begründeten, durch Verwaltungsakt festzusetzenden Forderungen bzw. deren Vollstreckung in Betracht kommt (für Steuerschulden eines Minderjährigen, die auf Handlungen der Eltern oder auf Handlungen von Personen beruhen, die mit Einwilligung der Eltern für das Kind gesellschaftsrechtliche Vertretungsmacht ausüben, offengelassen durch BFH, Urteil vom 1. Juli 2003 – VIII R 45/01 – BFHE 203, 5). Es erfordert auch keine umfassende Auseinandersetzung mit den Grenzen, die das verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; s. dazu BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 1542/84 – BVerfGE 72, 155; zur deliktischen Minderjährigenhaftung s.a. BVerfG, Beschluss vom 13. August 1998 – 1 BvL 25/96 – NJW 1998, 3557) des minderjährigen Kindes bei Erreichen der Volljährigkeit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen setzt, die auf die Rückforderung solcher Leistungen zielen, die dem Kind aufgrund eines durch die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht gestellten Antrages bewilligt worden waren und zugeflossen sind. Entscheidungserheblich ist allein, ob für die Rückforderung von Leistungen der Ausbildungsförderung, die dem Auszubildenden als dem öffentlich-rechtlich Anspruchsberechtigten (§ 8 BAföG) unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden waren (hier nach § 24 BAföG), eine entsprechende Anwendung der Haftungsbeschränkung des § 1629a BGB einfachrechtlich möglich oder von Verfassungs wegen geboten ist. Dies ist, ohne dass es zur Klärung dieser Frage der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf, nicht der Fall.
Für eine entsprechende Anwendung fehlt es – ungeachtet der von dem Berufungsgericht aus normsystematischen Gründen verneinten Regelungslücke – zumindest für die in § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG spezialgesetzlich geregelte Rückabwicklung von Leistungen der Ausbildungsförderung in der Sache an einer mit § 1629a BGB vergleichbaren Sach- oder Interessenlage. Denn der Interessenausgleich zwischen dem Rückabwicklungsinteresse des Sozialleistungsträgers und den schutzwürdigen Interessen des Leistungsempfängers ist hier bereits Teil der Rückforderungsbestimmungen selbst. Eine Haftungsbeschränkung bei Eintritt der Volljährigkeit ist in den Fällen der Rückforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG um so weniger gerechtfertigt, als hier bereits die Leistungsgewährung unter Vorbehalt erfolgt ist. Diesen Zusammenhang verkennt die allein auf die wirtschaftliche Belastung bei Eintritt der Volljährigkeit abstellende Betrachtung des Klägers. Hinzu kommt, dass die Leistungen der Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet werden (§ 11 Abs. 1 BAföG) und damit einen Bedarf des Auszubildenden decken, der bei einer – als möglich unterstellten – entsprechenden Anwendung des § 1629a BGB der “Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse” i.S.d. § 1629a Abs. 2 BGB zuzuordnen wäre, so dass die Haftungsbeschränkung im Ergebnis nicht durchgriffe.
Eine Haftungsbeschränkung ist nach den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Mai 1986 (a.a.O.) zur Begrenzung der Haftung Minderjähriger im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG entfaltet hat, auch nicht von Verfassungs wegen angezeigt. Die Beschwerdebegründung führt nicht auf ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der entscheidungserheblichen Norm des Bundesrechts (zum Prüfungsmaßstab s. Beschlüsse vom 29. September 1998 – BVerwG 5 B 82.97 – NVwZ 1999, 669, vom 17. Januar 2003 – BVerwG 5 B 261.02 – NVwZ 2003, 866, vom 17. April 2003 – BVerwG 5 B 7.03 – Buchholz 436.61 § 5 SchwbG Nr. 2 und vom 8. Mai 2007 – BVerwG 5 B 8.07 –). Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass es das allgemeine Persönlichkeitsrecht unabhängig von dem Entstehungsgrund der Zahlungsverpflichtung und deren Höhe fordert, dass ein Minderjähriger bei Eintritt in die Volljährigkeit für während seiner Minderjährigkeit durch das Verhalten der Eltern begründete Verbindlichkeiten stets nur mit seinem bei Eintritt in die Volljährigkeit vorhandenen Vermögen haftet. Es begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass § 20 Abs. 1 Nr. 4 BAföG keine dem § 1629a BGB vergleichbare Haftungsbeschränkung enthält, er eine Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen auch von minderjährigen Auszubildenden zulässt und insoweit auch keine – vorrangige oder ergänzende – Haftung der Vertretungsberechtigten vorsieht. Dies gilt um so mehr, als der Gesamtbetrag, der bis zur Volljährigkeit an zurückzuzahlender Ausbildungsförderung auflaufen kann, auch bei Schülern, die Leistungen in voller Höhe des Bedarfs nach § 12 BAföG beziehen und diese vollständig zurückzuzahlen haben, regelmäßig nicht eine Größenordnung erreichen kann, die den Volljährigen den Raum nimmt, “ihr weiteres Leben selbst und ohne unzumutbare Belastungen zu gestalten, die sie nicht selbst zu verantworten haben” (BVerfG, Urteil vom 13. Mai 1986 a.a.O.).
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den oben genannten Gründen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
Unterschriften
Hund, Dr. Franke, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen