Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 09.08.2007; Aktenzeichen 25 B 05.1337) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).
Die Beschwerde wirft unter B I die Fragen auf,
– Rechtfertigt der Ausschluss aller Nutzungsarten, die gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig sind, die Qualifizierung des Wohngebiets als ein kompromisslos reines Wohngebiet und damit den Grundzug einer Planung, der die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB für jedwede Form gewerblicher Nutzungen ausschließt?
– Führt der Ausschluss von ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten nach § 3 Abs. 3 BauNVO in einem Bebauungsplan dazu, dass eine Befreiungsentscheidung nach § 31 Abs. 2 BauGB bereits dann die Grundzüge der Planung berührt, wenn eine solche Nutzungsart im Einzelfall gleichwohl zugelassen wird?
– Begründet die Begrenzung von Antennenanlagen in einem Bebauungsplan einen gestalterischen Grundzug der Planung dahingehend, dass er auch Mobilfunkanlagen auszuschließen vermag?
– Berührt es die Grundzüge der Planung, wenn in einem Wohngebiet, für das Nutzungsarten nach § 3 Abs. 3 BauNVO 1962/1968/1977 ausgeschlossen wurden, eine Mobilfunkanlage im Wege der Befreiung zugelassen wird?
Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil davon ausgeht, dass die Grundzüge der Planung im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht berührt werden und die Erteilung einer Befreiung daher nicht an dieser gesetzlichen Voraussetzung scheitert (Urteil Rn. 35 – 45). Soweit die Klägerin durch das angegriffene Urteil beschwert wird – nämlich soweit das Gericht die Beklagte verpflichtet, über den Antrag neu zu entscheiden, und damit eine weitergehende Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Befreiung ablehnt – beruht dieses nicht auf den angesprochenen Fragen. Selbst wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung vorlägen, könnte eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs der Klägerin zu keinem günstigeren Ergebnis verhelfen.
2. Die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungserfordernissen. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Die Beschwerde benennt zwar das Urteil des Senats vom 11. Mai 2000 – 4 C 14.98 – (Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 200 = BRS 63 Nr. 105). Sie legt aber in keiner Weise dar, dass das Normenkontrollgericht einen davon abweichenden Rechtsgrundsatz aufgestellt und damit dem Bundesverwaltungsgericht die Gefolgschaft versagt hätte; sie verkennt ferner, dass sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit der Auslegung von § 34 BauGB (Beeinträchtigung des Ortsbildes) befasst hat, während der Verwaltungsgerichtshof sich auf die Festsetzungen in einem Bebauungsplan (§ 30 BauGB) und die Voraussetzungen für Befreiungen von den Festsetzungen in einem Bebauungsplan (§ 31 BauGB) stützt.
3. Auch die unter III. aufgeworfenen Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.
3.1 Die Frage,
ob die planerischen Festsetzungen eines reinen Wohngebiets mit der Beschränkung auf exklusive Wohnnutzung ein gewichtiges öffentliches Interesse begründen, dass eine negative Ermessensentscheidung im Sine von § 31 Abs. 2 BauGB selbst dann rechtfertigen kann, wenn das Vorhaben wegen der faktischen Bebauung die Grundzüge der Planung nicht berührt,
lässt sich in grundsätzlicher Hinsicht ohne weiteres dahingehend beantworten, dass die gesetzliche Regelung in § 31 Abs. 2 BauGB die einzuhaltenden Voraussetzungen – die Grundzüge der Planung werden nicht berührt und es liegen entweder Gründe des Gemeinwohls vor (vgl. hierzu auch den Beschluss vom 5. Februar 2004 – 4 B 110.03 – BRS 67 Nr. 86) oder die Abweichung ist städtebaulich vertretbar – sowie die sich daran anschließende Ermessensentscheidung der Behörde deutlich voneinander unterscheidet. Daher kann eine Ermessensentscheidung auch dann ohne Rechtsfehler zu Ungunsten eines Antragstellers getroffen werden, wenn Grundzüge der Planung nicht berührt sind. Im Übrigen lässt sich die Frage, ob die mit der planerischen Festsetzung eines reinen Wohngebiets verfolgten Belange eine für den Antragsteller negative Ermessensentscheidung rechtfertigen, nicht in grundsätzlicher Weise ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls (vgl. vorliegend Rn. 63 des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs) beantworten.
3.2 Die Frage:
Kann die Versagung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB unter Hinweis auf ein Rückbaukonzept begründet werden, obschon zum Zeitpunkt der Versagung der Befreiung rechtskräftig nicht geklärt ist, ob das Rückbaukonzept ganz oder auch nur teilweise umsetzbar ist?
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Sie bezieht sich auf die Ausführungen in Rn. 64 und 65 des angegriffenen Urteils. Darin hebt das Berufungsgericht hervor, das Ziel, am Gebäude der Beigeladenen lediglich den status quo zu erhalten, sei kein die Ermessensentscheidung zu Ungunsten der Klägerin rechtfertigender, hinreichend gewichtiger Belang. Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass sie die beantragte Befreiung nur im Rahmen eines schlüssigen Rückbaukonzepts ablehnen könnte, das konkrete bauaufsichtliche Maßnahmen gegen den vorhandenen Antennen-Wildwuchs voraussetze. Die Frage, ob das von der Beklagten – fehlerhaft – nicht in den Blick genommene Rückbaukonzept umsetzbar sein wird, war für den Verwaltungsgerichtshof nicht entscheidungserheblich.
3.3 Die Frage,
ob bei Ausübung einer Ermessensentscheidung über einen Befreiungsantrag nach § 31 Abs. 2 BauGB eine negative Entscheidung über eine beantragte abweichende Nutzungsart auch dann möglich ist, wenn hinsichtlich dieser Nutzungsart in Ansehung einer vergleichbaren Anlage gleicher Nutzungsart bereits eine Befreiungsentscheidung ergangen ist,
lässt sich nicht in grundsätzlicher Weise unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls beantworten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Jannasch
Fundstellen