Verfahrensgang

VG Potsdam (Aktenzeichen 1 K 4067/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 932 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1). Verfahrensmängel werden teilweise nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Soweit Verfahrensmängel prozessordnungsgemäß geltend gemacht werden, kann die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf einem vorliegenden Verfahrensfehler beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫).

Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig die Frage,

ob in dem Fall, in dem seitens der zuständigen Behörden der ehemaligen DDR gegen Bürger Enteignungsmaßnahmen zu früheren Zeitpunkten in damals schon bekannte Vermögenswerte zielgerichtet vorgenommen worden sind, auch bezüglich solcher späteren Enteignungsmaßnahmen als zielgerichtete Maßnahmen anzusehen sind, wenn die weiteren Vermögenswerte erst späterhin überhaupt bekannt geworden sind bzw. diese Vermögenswerte erst nach Wirksamwerden der zunächst vorgenommenen Enteignungsmaßnahmen in das Eigentum des zu Enteignenden übergegangen sind.

Diese Frage ist unklar. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Beschwerde dem Darlegungsgebot genügt. Die Rechtssache hat nämlich auch dann keine grundsätzliche Bedeutung, wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie halte für klärungsbedürftig die Frage,

ob zu vermuten ist, dass eine Enteignungsmaßnahme gegen einen Bürger der DDR zielgerichtet war, wenn schon früher andere Vermögenswerte derselben Person zielgerichtet enteignet worden waren.

Diese Frage lässt sich ohne weiteres verneinen. Maßgebend ist allein, ob die Maßnahme, die zum Verlust eines streitbefangenen Vermögenswerts geführt hat, zielgerichtet war. Dies schließt nicht aus, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) auch berücksichtigt, wie sich früher staatliche Stellen gegenüber dem betroffenen Bürger verhalten hatten.

Wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie halte für klärungsbedürftig die Frage,

ob die Enteignung eines Anwartschaftsrechts voraussetzt, dass dessen Inhaber durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen aus seinem Eigentum verdrängt worden ist,

lässt sich diese Frage aufgrund der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres bejahen. Danach setzt eine Enteignung voraus, dass der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist (vgl. Urteil vom 2. März 2000 – BVerwG 7 C 13.99 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 11 S. 39 ≪41≫ m.w.N.). Dies gilt für die Enteignung von Vermögenswerten (vgl. § 2 Abs. 2 VermG) und nicht etwa nur für die Enteignung von Grundstücken. War also beispielsweise eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz allein auf die Enteignung des Grundstücks gerichtet, wurde neben dem Grundstück nicht auch ein Anwartschaftsrecht enteignet, das – ohne dass die staatliche Maßnahme darauf gerichtet war – infolge der Enteignung untergegangen ist. Davon geht das verwaltungsgerichtliche Urteil zutreffend aus.

2. a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Eine Aufklärungsrüge setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Der wiederholte Vortrag der Beschwerde, das Verwaltungsgericht hätte dies oder jenes noch aufklären müssen, genügt dem Darlegungsgebot in keiner Weise. Soweit die Beschwerde rügt, der Kläger zu 1 habe im Verhandlungstermin vorgetragen, dass die erforderliche preisrechtliche Genehmigung erteilt worden sei, das Gericht habe aber nicht gebeten, diese Genehmigung vorzulegen, kann das angefochtene Urteil jedenfalls nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zusätzlich mit der – sein Urteil selbständig tragenden – Begründung abgewiesen, es liege keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG vor. Für diese Begründung war aber die Frage, ob die erforderliche Genehmigung vorlag, nicht entscheidungserheblich.

b) Das Verwaltungsgericht hat auch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt. Auch geht das Verwaltungsgericht nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus. Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschlüsse vom 18. Februar 1972 – BVerwG 8 B 3.72 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 62 S. 27 ≪28≫ und vom 14. März 1988 – BVerwG 5 B 7.88 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 ≪32 f.≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Februar 1978 – BVerwG 1 B 13.78 – Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8 S. 10 und vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫).

Die Beschwerde macht geltend, das Verwaltungsgericht gehe von einem unzutreffenden Sachverhalt aus, weil es nicht berücksichtige, dass Frau Erika K. bereits im Jahre 1961 verstorben sei. Zum Beweis wird eine Sterbeurkunde vorgelegt. Eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes könnte aber nur vorliegen, wenn das Verwaltungsgericht von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen wäre. Dies würde voraussetzen, dass die Sterbeurkunde dem Verwaltungsgericht vorgelegen hat. Dies wird von der Beschwerde nicht behauptet. Auch wäre eine Beweiserhebung und Tatsachenfeststellung durch das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Beschwerdeverfahren unzulässig.

Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auch insoweit nicht verletzt, als es in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausführt, im Verlauf des Enteignungsverfahrens im Jahre 1984 sei nach Stand der Dinge die Tatsache eines Anwartschaftsrechts gar nicht bekannt gewesen und die eingetragene Auflassungsvormerkung sei bei der enteignenden Behörde nicht bekannt gewesen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde können tatsächliche Feststellungen nicht nur im Tatbestand, sondern auch in den Entscheidungsgründen eines Urteils getroffen werden. Die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen verstoßen auch nicht gegen Denkgesetze. Die Beschwerde trägt insoweit lediglich Umstände vor, die für eine andere Schlussfolgerung sprechen könnten. Dies genügt nicht.

c) Das Verwaltungsgericht hat schließlich den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt.

Die Beschwerde rügt insoweit zum einen, das Verwaltungsgericht habe Hinweise auf seines Erachtens entscheidungserhebliche Umstände erst in der mündlichen Verhandlung gegeben. Die Kläger waren jedoch bereits im erstinstanzlichen Verfahren – auch in der mündlichen Verhandlung – anwaltlich vertreten. Deshalb wäre es Sache ihres Prozessbevollmächtigten gewesen, sich insoweit rechtliches Gehör zu verschaffen. Beispielsweise hätte er beantragen können, seinen Vortrag vor Erlass eines Urteils ergänzen zu dürfen. Da er dies nicht getan hat, können sich die Kläger nunmehr nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen.

Soweit die Beschwerde rügt, das Verwaltungsgericht habe die Ausführungen des Klägers zu 1 im Rahmen einer persönlichen Erklärung im Verhandlungstermin nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, genügt sie nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es wird nicht vorgetragen, was der Kläger zu 1 ausgeführt haben soll. Dies lässt sich auch den Akten – insbesondere der Sitzungsniederschrift – nicht entnehmen.

Schließlich rügt die Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe den Klägern kein rechtliches Gehör zu der vom Gericht vertretenen Auffassung gewährt, im Verlauf des Enteignungsverfahrens im Jahre 1984 sei ein Anwartschaftsrecht nicht bekannt gewesen. Dies konnte die Kläger jedoch nicht überraschen. Der Beklagte hatte in der Klageerwiderung ausdrücklich bezweifelt, dass den handelnden Stellen der DDR die Existenz eines Anwartschaftsrechts bekannt gewesen sei. Es wäre Sache der Kläger gewesen, sich mit diesem Vortrag des Beklagten auseinander zu setzen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 13 und 14 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Müller, Krauß, Golze

 

Fundstellen

Dokument-Index HI643188

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