Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 20.12.2006; Aktenzeichen 16b D 05.1634) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch beruht die angegriffene Entscheidung auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, § 69 BDG).
1. Der Beklagte meint, grundsätzlich klärungsbedürftig sei die “Frage nach der Zulässigkeit der Aberkennung des Ruhegehalts aufgrund eines Dienstvergehens vor Eintritt des Ruhestandes”. Diese Frage ist jedoch nicht klärungsbedürftig; sie ist vielmehr vom Gesetzgeber ebenso wie von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts eindeutig beantwortet worden.
Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG wird dem Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Diese eindeutige gesetzliche Regelung beruht auf der Erwägung, dass der Beamte, der eigentlich die schwerste Disziplinarmaßnahme verwirkt hat, aber nicht mehr aus dem Dienst entfernt werden kann, weil er inzwischen in den Ruhestand getreten ist, nicht besser gestellt werden darf als der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens aktive Beamte, der wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird und damit nicht nur den Anspruch auf Besoldung, sondern auch den Anspruch auf Versorgung verliert (stRspr, vgl. Urteile vom 26. Januar 1999 – BVerwG 1 D 34.97 – juris, vom 10. Oktober 2000 – BVerwG 1 D 46.98 – Buchholz 235 § 82 BDO Nr. 6 und vom 23. November 2006 – BVerwG 1 D 1.06 – Rn. 28, ZBR 2007, 94 ≪95≫; zuletzt Urteil vom 24. Mai 2007 – BVerwG 2 C 25.06 – Rn. 17, zur Veröffentlichung bestimmt). Dass dieser Gesichtspunkt auch verfassungsrechtlicher Nachprüfung standhält, hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (vgl. Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 22. November 2001 – 2 BvR 2138/00 – DÖD 2002, 97 = DVBl 2002, 406). Danach gebietet Art. 3 Abs 1 GG im Bereich des zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählenden Disziplinarrechts, dass ein Beamter, der nach Begehung einer schwerwiegenden Verfehlung in den Ruhestand tritt, grundsätzlich nicht bessergestellt wird als ein Beamter, der im aktiven Dienst verbleibt.
Aus § 77 BBG ergibt sich nichts anderes. Die dort in Absatz 2 aufgestellten verschärften Anforderungen an ein disziplinarisches Vorgehen gegen einen Ruhestandsbeamten betreffen lediglich Dienstvergehen, die er im Ruhestand begangen hat.
2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, die angegriffene Entscheidung weiche von verschiedenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und von einer Entscheidung des Berufungsgerichts ab.
Im Disziplinarrecht kann über § 132 Abs. 2 VwGO hinaus als Divergenz auch die Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts gerügt werden. Dies ergibt sich aus § 69 BDG, der für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auch auf § 127 BRRG verweist.
Der Zulassungsgrund der Divergenz zielt nicht darauf, die fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall zu korrigieren, sondern die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung zu wahren. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegt daher nur vor, wenn die angegriffene Entscheidung auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der entscheidungserheblich von einem ebensolchen Rechtssatz abweicht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 30. Juni 1988 – BVerwG 2 B 89.87 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 263; vom 21. Juli 1988 – BVerwG 1 B 44.88 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 265). In diesem Sinne ist auch der in § 127 Nr. 1 BRRG verwendete Begriff der Abweichung zu verstehen (Beschluss vom 11. August 1998 – BVerwG 2 B 74.98 – Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 58). Der Erfolg der Divergenzrüge setzt voraus, dass die Beschwerde einen solchen Rechtssatz in Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts oder eines Oberverwaltungsgerichts konkret aufzeigt, der in unmittelbarem Widerspruch zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts steht (vgl. Beschluss vom 6. November 1987 – BVerwG 6 B 23.87 – Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 20).
Die geltend gemachten Abweichungen erfüllen diese Voraussetzung nicht.
Grundsätzlich ist zu den einzelnen Abweichungsrügen zu bemerken, dass nur einander widersprechende Rechtssätze zur Zulassung der Revision führen können. Soweit dagegen ein Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht als Ergebnis der Würdigung des jeweils zu beurteilenden Sachverhalts eine andere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienst bzw. die ihr entsprechende Aberkennung des Ruhegehalts als angemessen angesehen hat, lässt sich mit der bloßen Abweichung bei der Festlegung der Maßnahme keine Divergenz begründen.
So liegt es in sämtlichen von der Beschwerde angeführten vermeintlichen Divergenzentscheidungen. Während dem Beklagten im hier zu entscheidenden Verfahren zur Last gelegt worden ist, er habe während seiner aktiven Dienstzeit in sechs Fällen von ihm eingezogene Nachnahmebeträge im Gesamtwert von 876,57 € gegenüber seiner Dienststelle verspätet abgerechnet und damit den strafrechtlichen Tatbestand der Untreue erfüllt, liegen den von der Beschwerde genannten Entscheidungen durchweg andere Sachverhalte zugrunde. Schon aus diesem Grunde lässt sich aus den jeweils abweichenden Maßnahmen kein Rückschluss auf ein grundsätzlich divergierendes Rechtsverständnis der hier anzuwendenden Norm des § 13 BDG herleiten.
Mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 12. Juli 2006 (VGH 16a D 05.2034) macht der Beklagte eine Divergenz zu einer früheren Entscheidung eines anderen Senats des Berufungsgerichts geltend, in welcher das Berufungsgericht über die disziplinarrechtlichen Konsequenzen eines in Hehlerei, Bedrohung und sexuellen Kontakten in den Diensträumen bestehenden Dienstvergehens zu entscheiden hatte. Hier scheitert die Rüge jedenfalls daran, dass auch in dem angeblich divergierenden Fall das Gericht vor der Festsetzung der Maßnahme alle be- und entlastenden Umstände, die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen sowie das Maß der Schuld bei seiner disziplinarischen Gesamtwürdigung berücksichtigt hatte. Als anzuwendenden Rechtssatz zitiert die Beschwerde lediglich den Satz, die Untragbarkeit müsse immer dann festgestellt werden, wenn der Täter durch seine Tat und die Umstände ihrer Begehung unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit in solchem Maße an Ansehen und Vertrauen eingebüßt habe, dass es nicht zu verantworten wäre, ihn weiter im öffentlichen Dienst zu belassen. Es ist nicht erkennbar, mit welchem Rechtssatz die angegriffene Entscheidung dem widersprochen haben sollte. Der bloße Umstand, dass das Berufungsgericht in dem einen Fall einen endgültigen Vertrauensverlust bejaht, in dem anderen verneint hat, stellt keine Divergenz dar. Mit seinen umfangreichen Ausführungen wendet sich der Beklagte in Wahrheit auch nur gegen die disziplinarrechtliche Würdigung des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts.
Dasselbe gilt von den vermeintlich divergierenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts – sämtlich des Disziplinarsenats –, denen andere Sachverhalte zugrunde lagen. Zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 1992 – BVerwG 1 D 11.91 – (NVwZ-RR 1993, 253) ist zu bemerken, dass auch nach dieser Entscheidung bei Vermögensdelikten im inneren Dienstbereich die Disziplinarmaßnahme nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu bemessen ist und dass solchen Delikten gegenüber Zugriffsdelikten nur in der Regel ein geringeres disziplinares Gewicht zukommt. Auch das angegriffene Urteil beruht auf Feststellungen, die den Beklagten und dessen besondere persönliche Verhältnisse betreffen. Selbst wenn das Berufungsgericht die von der Beschwerde angeführten Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts unrichtig angewandt oder außer Acht gelassen hätte, läge darin noch keine zur Zulassung der Revision führende Divergenz.
Eine Divergenz zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1994 – BVerwG 1 D 18.94 – (NVwZ 1995, 603), vom 16. März 1994 – BVerwG 1 D 17.93 – (NVwZ 1996, 184) und vom 28. Mai 1997 – BVerwG 1 D 74.96 – (NVwZ-RR 1998, 506) liegt nicht vor. Die genannten Entscheidungen befassen sich sämtlich mit der Frage, welche Bedeutung der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zukommt. Im Falle des Beklagten fehlt es bereits an einem entsprechenden Sachverhalt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, auf die sich das Berufungsgericht bezogen hat und die daher mangels durchgreifender Verfahrensrüge auch für den Senat bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG), steht fest, dass der Beklagte die zunächst einbehaltenen Beträge erst ausgeglichen hat, als seine Handlungsweise bereits Gegenstand betriebsinterner Ermittlungen war (UA S. 10). In einem solchen Fall kann von einer als Milderungsgrund berücksichtigungsfähigen Freiwilligkeit keine Rede sein. Hiervon abgesehen ist zwar in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens als Milderungsgrund anerkannt worden, doch kommt diesem Milderungsgrund – wie jedem anderen Milderungsgrund auch – keine absolute Wirkung etwa in der Weise zu, dass er die Verhängung der Höchstmaßnahme generell ausschließt. Vielmehr ist auch dieser wie auch jeder andere Milderungsgrund in die von § 13 Abs. 1 BDG geforderte umfassende Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände einzubeziehen und bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme angemessen zu berücksichtigen. Selbst ein durchgreifender Milderungsgrund kann daher durch im Einzelfall vorliegende Verschärfungsgründe ausgeglichen werden. Dem angegriffenen Beschluss des Berufungsgerichts ist kein Rechtssatz zu entnehmen, dass der Milderungsgrund der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens generell unbeachtlich ist.
Dasselbe gilt von dem Milderungsgrund der “negativen Lebensphase”, dessen Nichtberücksichtigung der Beklagte als Divergenz zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 1987 – BVerwG 1 D 24.87 – geltend macht. Ergänzend ist hierzu zu bemerken, dass die persönlichen Umstände des Beklagten, in denen er eine solche “negative Lebensphase” begründet sieht, erst nach den ihm maßgeblich zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen aufgetreten sind. Demgegenüber kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine “negative Lebensphase” dann mildernd berücksichtigt werden, wenn sich der Beamte zur Tatzeit in ihr befand. Dasselbe gilt von dem angeblich nachträglich entstandenen Milderungsgrund der unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die der Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 1989 – BVerwG 1 D 8.89 – (DokBer B 1990, 135) geltend macht.
Die angegriffene Entscheidung weicht auch nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 1 D 110.85 – (NVwZ 1988, 735) ab. In dieser Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls jegliche Disziplinarmaßnahme gegen den in jenem Verfahren angeschuldigten Ruhestandsbeamten für unangebracht gehalten. Der Entscheidung lässt sich nicht einmal sinngemäß der Rechtssatz entnehmen, die Aberkennung des Ruhegehalts sei mit generalpräventiven Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig liegt ihr ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts zugrunde, die Aberkennung des Ruhegehalts sei generell unzulässig. Dabei kann offenbleiben, ob hier der Gesichtspunkt der Generalprävention diese Maßnahme trägt oder ob nicht vielmehr der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) als generelle Rechtfertigung dieser Maßnahme heranzuziehen ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Gerichtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht erhoben.
Unterschriften
Albers, Dr. Müller, Groepper
Fundstellen