Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 21.11.2002; Aktenzeichen 6 A 1785/95) |
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Berechtigung hinsichtlich eines früheren Erholungsheimes in … sowie ihres Anspruchs auf Auskehr des Erlöses aus der investiven Veräußerung dieses Anwesens. Das Verwaltungsgericht hat ihrer Klage stattgegeben, weil der Vermögenswert Gegenstand einer schädigenden Maßnahme nach § 1 Abs. 1 Buchst. a des Vermögensgesetzes – VermG – gewesen und die Anwendung des Vermögensgesetzes nicht nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es sind weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel erkennbar (1.), noch weicht das Urteil des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab (2.). Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (3.).
1. Die Beigeladene zu 1 rügt eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO sowie des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht: Diese habe keine weiteren Ermittlungen dazu angestellt, ob die Klägerin sich im Jahre 1948 vollständig und endgültig aus ihrem Eigentum habe verdrängt sehen müssen; vielmehr habe es aus der Bezeichnung der Grundbucheintragung der Vermögensverwaltung des FDGB als „irrtümlich” aktenwidrig und ohne weitere Sachverhaltsklärung geschlossen, ein Zugriff auf das Eigentum der Klägerin sei nicht beabsichtigt gewesen. Die Rügen greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass
- die betreffende Grundbucheintragung mangels eines belegbaren enteignenden Zugriffsakts der Besatzungsmacht unrichtig gewesen sei,
- dementsprechend das Grundbuch im Jahre 1950 berichtigt worden sei,
- selbst die Vermögensverwaltung des FDGB ausweislich eines Schreibens an das Amtsgericht … vom 19. April 1950 davon ausgegangen sei, dass über das Vermögen seitens der zuständigen Regierungsstellen noch nicht entschieden worden sei und
- sich die gleiche Auffassung aus dem Schreiben der Landesregierung Mecklenburg, Ministerium des Innern – Amt zum Schutze des Volkseigentums – an die Vermögensverwaltung des FDGB GmbH vom 10. Juni 1950 ergebe.
Angesichts dieser Feststellungen ist nicht erkennbar, was das Verwaltungsgericht noch hätte ermitteln sollen. Dass konkrete Anhaltspunkte für weitere, für eine vollständige und endgültige Eigentumsentziehung sprechende Umstände vorgelegen haben, denen nachzugehen das Verwaltungsgericht Anlass gehabt hätte, trägt die Beigeladene zu 1 nicht vor. Ihr Hinweis auf die seinerzeit fehlende Verfügungsbefugnis der Klägerin besagt nichts über die Endgültigkeit der getroffenen Maßnahmen. Im Übrigen erschöpft sich das Vorbringen der Beigeladenen zu 1 an dieser Stelle darin, die festgestellten Tatsachen anders zu würdigen als das Verwaltungsgericht; ein Sachaufklärungsmangel lässt sich damit nicht begründen.
Ebenso wenig verfahrensfehlerhaft sind die Folgerungen, die das Verwaltungsgericht daraus zieht, dass im Grundbuch die Löschung der FDGB-Vermögensverwaltung als Eigentümerin mit der Irrtümlichkeit dieser Eintragung begründet worden ist. Abgesehen davon, dass die Auslegung dieses Grundbuchvermerks der Anwendung materiellen Rechts zuzurechnen ist und die angebliche Fehlerhaftigkeit dieser Auslegung daher selbst durch ihre Qualifizierung als aktenwidrig nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann, ist nicht nachvollziehbar, warum die Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts mangelhaft sein sollen. Das Vorbringen der Beigeladenen zu 1 geht daran vorbei, dass die Klägerin nach der Löschung der FDGB-Vermögensverwaltung zunächst wieder als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden ist. Dies lässt sich schwerlich anders deuten, als dass selbst nach Auffassung der Behörden ein wirksamer Eigentumszugriff bis dahin nicht stattgefunden hatte.
2. Gleichfalls zu Unrecht rügt die Beigeladene zu 1 eine Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Urteil des beschließenden Senats vom 2. August 2001 – BVerwG 7 C 26.00 – (Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 18). Die Divergenz sieht sie darin, dass nach dem faktischen Enteignungsbegriff des Senats eine Enteignung keine bestimmte Form voraussetze, sondern immer dann anzunehmen sei, wenn der frühere Eigentümer durch hierauf gerichtete staatliche Maßnahmen vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden sei, während das Verwaltungsgericht sinngemäß die Rechtssätze aufgestellt habe, dass eine solche Schädigung nur vorliege, wenn eine Änderung der dinglichen Rechtslage eingetreten sei, und dass eine Grundbuchumschreibung auf einen Dritten keine Schädigung im Sinne des Vermögensgesetzes sei.
Die Abweichung besteht nicht. Das Verwaltungsgericht geht bei seinen Ausführungen ausdrücklich (S. 14 der Urteilsgründe) vom faktischen Enteignungsbegriff des Bundesverwaltungsgerichts aus und weist zunächst darauf hin, dass allein eine Grundbucheintragung keinen enteignenden Zugriff begründen würde. Dies steht nicht im Widerspruch zu der herangezogenen höchstrichterlichen Rechtsprechung; denn die Eigentumsumschreibung im Grundbuch kann zwar ein erhebliches Indiz für die tatsächliche Verdrängung aus der Eigentümerposition sein, kommt dieser aber nicht gleich. Den weiteren, dem angegriffenen Urteil entnommenen Rechtssatz, eine Enteignung im Sinne des Vermögensgesetzes liege nur vor, wenn eine Änderung der dinglichen Rechtslage eingetreten sei, hat das Verwaltungsgericht so nicht aufgestellt. Es hat nur darauf hingewiesen, dass das Grundbuch mangels eines belegbaren enteignenden Zugriffsakts durch die Besatzungsmacht unrichtig gewesen sei. Die unterbliebene Schädigung hat es auf das Fehlen dieses Zugriffsakts zurückgeführt und damit untermauert, dass auch die Beteiligten seinerzeit davon ausgegangen seien, dass über das Vermögen noch nicht entschieden worden sei.
3. Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die von der Beigeladenen zu 1 als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage,
ob auch dann eine Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG vorliegt, wenn dem Eigentümer zwar während der Besatzungszeit die Verfügungsbefugnis über den Vermögensgegenstand endgültig entzogen wird, die Zuordnung durch die Besatzungsmacht in Volkseigentum der DDR aber erst nach Gründung der DDR erfolgt,
wäre so in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten; denn sie setzt mit der endgültigen Entziehung der Verfügungsbefugnis über den Vermögensgegenstand während der Besatzungszeit eine Tatsache voraus, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Sailer, Gödel, Kley
Fundstellen