Entscheidungsstichwort (Thema)
Verselbständigung von Dienststellen Voraussetzungen der – nach Personalvertretungsrecht. Befugnisse des Dienststellenleiters Personalvertretungsrechtlich relevante – keine Voraussetzung der Verselbständigung gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG. Räumlich weite Entfernung Begriff und Voraussetzungen der –
Leitsatz (amtlich)
Parallelsache zu BVerwG 6 P 12.89, Beschluß vom 29. Mai 1991
Normenkette
BPersVG § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1-3, § 12 Abs. 1, §§ 55, 82 Abs. 2-3; BetrVG §§ 1, 4
Verfahrensgang
Tenor
Der Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes – vom 17. Mai 1989 wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 6. Oktober 1988 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ficht als Dienststellenleiter die Wahl zum Personalrat einer Außenstelle seiner Behörde an, weil er der Meinung ist, daß die Voraussetzungen einer Verselbständigung der Außenstelle nicht vorgelegen hätten.
Der Antragsteller ist der Leiter des Wasser- und Schiffahrtsamtes in Tönning. Zu diesem Amt gehören zwei Außenbezirke. Der Außenbezirk Tönning besteht seinerseits aus fünf verschiedenen Außenstellen, zu denen die Außenstelle Büsum gehört. Außenstellen sind Anlaufstellen für das Kolonnenpersonal und stehen unter der Leitung eines Wasserbauwerkmeisters als Gruppenführer, der die geplanten Arbeiten zu organisieren und für die Durchführung zu sorgen hat.
Bei der Außenstelle Büsum sind elf wahlberechtigte Bedienstete beschäftigt. Die Entfernung zwischen Büsum und Tönning beträgt etwa 32 Straßenkilometer. Das führt zu Fahrtzeiten mit dem Pkw von 30 bis 45 Minuten je nach Verkehrslage.
Im Januar 1988 faßten die Beschäftigten der Außenstelle Büsum einstimmig einen Verselbständigungsbeschluß. Dies führte dazu, daß dort am 8. März 1988 ein Personalrat gewählt wurde.
Der Antragsteller hat diese Wahl beim Verwaltungsgericht angefochten mit der Begründung, die Voraussetzungen einer Verselbständigung der Außenstelle seien nicht gegeben. Es fehle sowohl an der räumlich weiten Entfernung als auch an personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnissen des Leiters der verselbständigten Nebenstelle.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag als unbegründet abgelehnt. Auf die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht den Beschluß des Verwaltungsgerichts geändert und die Wahl für ungültig erklärt.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im wesentlichen ausgeführt: Es spreche viel für die Ansicht des Verwaltungsgerichts, daß hier bei einer Entfernung von 32 Straßenkilometern und Fahrtzeiten mit dem Pkw von 30 bis 45 Minuten je nach Verkehrslage eine räumlich weite Entfernung im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG zu bejahen sei, zumal nicht alle Beschäftigten einen eigenen Pkw hätten, sich auf dessen Benutzung auch nicht verweisen zu lassen brauchten und die Anforderung eines Dienstwagens für die Herstellung eines Kontakts zwischen Personalrat und Beschäftigten der Außenstelle nicht immer möglich sein dürfte. Die Frage, ob eine räumlich weite Entfernung vorliege, könne jedoch letztendlich dahinstehen, weil es für eine Verselbständigung der Außenstelle Büsum an der weiteren notwendigen Voraussetzung fehle, nämlich der, daß dem Leiter der Nebenstelle personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse zustünden. Das sei hier unstreitig zu keinem Zeitpunkt der Fall. Auch der Beteiligte habe nicht behauptet, daß er mit dem den Arbeitseinsatz der 11 Mitarbeiter einteilenden Wasserbauwerkmeister als „Leiter” der Außenstelle irgendwelche personalvertretungsrechtlich relevanten Dinge zu verhandeln hätte.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sich der Beteiligte zu 1), der Personalrat der Außenstelle Büsum, gegen die einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 3 BPersVG durch das Oberverwaltungsgericht wendet. Er ist der Meinung, Wortlaut, Entstehungsgeschichte und systematische Stellung der Vorschrift böten hierfür keine Anhaltspunkte. Das gelte namentlich auch für den Zweck der Regelung. Mit der Möglichkeit der Verselbständigung solle den Belangen der Beschäftigten durch eine nahe Personalvertretung Rechnung getragen werden. Auf diese Weise solle es nämlich ermöglicht werden, in den von der (Haupt-)Dienststelle weit entfernten Dienstellenteilen den Kontakt der Beschäftigten zu ihrer Vertretung sowie das Zusammenwirken von Personalvertretung, Dienststelle und Beschäftigten zu intensivieren. Dies diene letztlich einer verbesserten personalvertretungsrechtlichen Betreuung. Zur Verwirklichung dieses Zweckes sei es nicht zwingend erforderlich, daß dem Leiter der Teileinheit irgendwelche personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse zustünden. Namentlich könne aus einer fehlenden Kompetenz in Beteiligungsangelegenheiten nicht ohne weiteres auf eine völlige Funktionslosigkeit des Personalrats der Teileinheit geschlossen werden, über das ihm eingeräumte Äußerungsrecht könne der Personalrat einer verselbständigten Teileinheit regelmäßig eine intensivierte Artikulation der Interessen der von ihm vertretenen Beschäftigten bewirken. Ob dies insgesamt zu einer Verbesserung der personalvertretungsrechtlichen Betreuung führe, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab, sei keine Frage der Rechtmäßigkeit, sondern der Zweckmäßigkeit der Verselbständigung. Hierüber zu befinden, habe der Gesetzgeber den Beschäftigten der Teileinheit überlassen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes – vom 17. Mai 1989 aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 6. Oktober 1988 zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren. Er neigt der Auffassung zu, daß Voraussetzung für einen wirksamen Verselbständigungsbeschluß gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse des Dienststellenleiters sind. In diesem Falle könne zwischen dem Leiter der Teildienststelle und dem zu wählenden Personalrat der notwendige Dialog geführt werden. Der damit verbundene Nachteil, daß die Regelungskompetenz des Leiters der Dienststelle durch die Hauptdienststelle abgeändert werden könne, müsse personalvertretungsrechtlich hingenommen werden, weil anerkanntermaßen die Personalverfassung der Dienststellenverfassung folge und nicht umgekehrt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht die Personalratswahl vom 8. März 1988 zum Personalrat der Außenstelle Büsum für ungültig erklärt. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verselbständigung gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG, die Grundlage der angefochtenen Wahl war, waren entgegen der Meinung des Beschwerdegerichts erfüllt.
Nach dieser Bestimmung gelten Nebenstellen und Teile einer Dienststelle, die räumlich weit von dieser entfernt liegen, als selbständige Dienststellen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt. Gemäß § 12 Abs. 1 BPersVG werden dann in diesen Dienststellen Personalräte gebildet, wenn darin wenigstens fünf Wahlberechtigte beschäftigt sind.
Die Möglichkeit der Verselbständigung ist nicht – wie das Oberverwaltungsgericht meint – davon abhängig, daß neben den ausdrücklich gesetzlich aufgeführten Bedingungen als weitere „ungeschriebene” Voraussetzung hinzutreten muß, daß der Leiter der Nebenstelle irgendwelche personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse hat. Für diese weitergehende Auslegung bieten weder der Wortlaut des § 6 Abs. 3 BPersVG noch Sinn und Zweck des Bundespersonalvertretungsgesetzes Anhaltspunkte. Dies ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen Grundsätzen dieses Gesetzes.
§ 6 Abs. 3 BPersVG nennt nur zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Nebenstellen oder Teile einer Dienststelle als selbständige Dienststellen „gelten”. Dies sind deren räumlich weite Entfernung von der Hauptdienststelle und der Verselbständigungsbeschluß der Beschäftigten. Ein Minimum an personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnissen wird nicht gefordert. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb diese weitere Voraussetzung – wäre sie vom Gesetzgeber gewollt gewesen – nicht in den Gesetzestext aufgenommen worden ist. Dadurch, daß in § 6 Abs. 3 BPersVG das Wort „gelten” verwendet wird, wird ersichtlich, daß an Nebenstellen oder Teile einer Dienststelle, die durch Beschluß der Beschäftigten verselbständigt werden sollen, nicht die strengen organisatorischen Maßstäbe angelegt werden, die sonst gemäß § 6 Abs. 1 BPersVG für die Personalratsfähigkeit von Dienststellen zu beachten sind (vgl. zu den notwendigen Anforderungen an die Selbständigkeit einer Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne: Beschluß vom 18. Januar 1990 – BVerwG 6 P 8.88 – Buchholz 251.0 § 9 BaWüPersVG Nr. 5).
Auch aus der Entstehungsgeschichte des Bundespersonalvertretungsgesetzes kann nicht der Wille des Gesetzgebers hergeleitet werden, den Eintritt der Fiktion in § 6 Abs. 3 BPersVG mit Mindestanforderungen an die Kompetenz des jeweiligen Leiters einer Nebenstelle oder eines Dienststellenteils zu verknüpfen. In der Begründung der Regierungsvorlage zum Personalvertretungsgesetz vom 4. Juli 1952 (BT-Drucks. 1/3552, S. 16) findet sich lediglich ein Hinweis auf die örtliche Trennung zwischen Hauptdienststelle und Nebendienststelle, die eine Verselbständigung „zweckmäßig” machen könne. Ob diese Zweckmäßigkeit von weiteren Voraussetzungen abhängen sollte, blieb unerwähnt. Der Regierungsentwurf (§ 7 Abs. 2) sah nur insoweit eine Zweckmäßigkeitsprüfung durch die oberste Dienstbehörde vor, als bei dieser die eigentliche Entscheidung über die Verselbständigung liegen sollte, die der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen sollte (§ 74). Dem ist jedoch der Unterausschuß Personalvertretung nicht gefolgt. Er hat den Vorschlag der Regierungsvorlage gestrichen und sich für eine Alleinentscheidung der Beschäftigten über die Verselbständigung entschieden, deren Zulässigkeit ausschließlich vom Vorliegen einer weiten räumlichen Entfernung abhängig gemacht wurde (BT-Drucks. 2/1189, S. 3). Diesem Vorschlag entspricht das dann in Kraft getretene Gesetz, das in seinem § 7 bereits die auch in § 6 Abs. 2 und 3 des Bundespersonalvertretungsgesetzes von 1974 übernommene Aufteilung enthält. Damit hat bereits das Personalvertretungsgesetz von 1954 zwischen Dienststellen unterschieden, die wegen ihrer organisatorischen Selbständigkeit als personalratsfähige Dienststellen einzuordnen sind und den Dienststellenteilen und Nebenstellen, die wegen ihrer räumlichen Entfernung zur Hauptdienststelle auf den Beschluß der Beschäftigten hin wie personalratsfähige Dienststellen zu behandeln sind. Eine Kontrolle der Zweckmäßigkeit oder Effektivität der Arbeit des dort gewählten Personalrats ist somit erkennbar nicht beabsichtigt gewesen.
Auch Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 BPersVG sprechen gegen die einengende Auslegung des Oberverwaltungsgerichts. Mit dieser Vorschrift sollen die Fälle erfaßt werden, in denen zwar keine den Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 2 BPersVG genügende Dienststelle vorhanden ist, aber eine Nebenstelle oder ein Dienststellenteil räumlich weit von der Hauptdienststelle liegt und die Beschäftigten die Verselbständigung wünschen. Bei räumlich entfernt liegenden Nebenstellen ist die Kommunikation der Beschäftigten untereinander und der Kontakt zur Hauptdienststelle und zum Personalrat, der seinen Sitz bei der Hauptdienststelle hat, erheblich erschwert. Mit der Verselbständigung auf Wunsch der Beschäftigten sollen diese Mängel verringert werden. Durch die danach geschaffene räumliche Nähe zwischen Personalrat und Beschäftigten sollen nicht nur die Kontaktmöglichkeiten untereinander verbessert werden, sondern es soll auch eine gute und ausreichende Betreuung der Beschäftigten gewährleistet werden (vgl. Fischer/Göres in Fürst, GKÖD V, K § 6 Rz. 13; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, § 6 Rdnr. 22).
Entgegen der Meinung des Oberverwaltungsgerichts wird durch die Verselbständigung von Nebenstellen und Teilen einer Dienststelle nicht die „Auffangfunktion” des Gesamtpersonalrats beseitigt. Der Gesamtpersonalrat ist gemäß § 55 BPersVG dort zu bilden, wo es Dienststellen gibt, die sich gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigt haben. Er ist in allen Angelegenheiten zu beteiligen, in denen der Leiter der verselbständigten Dienststelle nicht zur Entscheidung befugt ist, weil diese der Leiter der Hauptdienststelle zu treffen hat. Damit kommt dem Gesamtpersonalrat eine Auffangfunktion zu. Diese ist aber in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung nicht von vornherein auf ein bestimmtes Maß festgelegt, weil sie von den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten und Zuständigkeiten des Leiters der Nebendienststellen abhängt. Sie muß sich deshalb flexibel nach der jeweiligen Zuständigkeit des Personalrats der verselbständigten Dienststelle ausrichten, dessen Kompetenzen wiederum – bestimmt durch das Partnerschaftsprinzip – allein von den Befugnissen des Leiters dieser Nebenstelle abhängen (vgl. Beschlüsse vom 14. April 1961 – BVerwG 7 P 4.60 – BVerwGE 12, 194 und vom 15. August 1983 – BVerwG 6 P 18.81 – BVerwGE 67, 353). Je mehr Zuständigkeiten beim Leiter der verselbständigten Dienststelle und damit bei dem dortigen Personalrat liegen, um so weniger Kompetenzen hat der Gesamtpersonalrat und umgekehrt, ohne daß diese von Fall zu Fall unterschiedlichen Befugnisse Einfluß auf die rechtliche Stellung und Notwendigkeit des Personalrats hätten. Außerdem verbleiben dem örtlichen Personalrat – unabhängig von den jeweiligen Befugnissen des Dienststellenleiters – im Vorfeld der Beteiligung wichtige Aufgaben, z.B. Besprechungen der örtlichen Besonderheiten, Kontrolle der Gestaltung der Arbeitsplätze usw. Die Auffangfunktion des Gesamtpersonalrats wird deshalb durch die Verselbständigung einer Nebenstelle mit geringen personalvertretungsrechtlich relevanten Zuständigkeiten nicht aufgehoben.
Auch in den Landespersonalvertretungsgesetzen finden sich keine Regelungen, die die Zulässigkeit der Verselbständigung einer Nebenstelle von einem Minimum an personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnissen der Nebenstellenleiter oder von einer garantierten Mindestzuständigkeit des Personalrats abhängig machen.
Die weitgehend anders strukturierte Vorschrift des § 4 BetrVG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lassen sich entgegen der Meinung des Oberverwaltungsgerichts gleichfalls nicht für die weitergehende Auslegung des § 6 Abs. 3 BPersVG heranziehen. Eine in ihrer Systematik dem § 6 Abs. 3 BPersVG entsprechende Regelung enthält das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Gemäß § 4 BetrVG gelten Betriebsteile als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 (fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer) erfüllen und räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Soweit Nebenbetriebe die Voraussetzungen des § 1 nicht erfüllen, sind sie dem Hauptbetrieb zuzuordnen. Die Möglichkeit eines Verselbständigungsbeschlusses der Beschäftigten sieht das Betriebsverfassungsgesetz nicht vor.
Zu Unrecht meint das Oberverwaltungsgericht, ohne das Vorhandensein personalvertretungsrechtlich relevanter Befugnisse des Leiters der Dienststelle werde der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Leiter und ihm zugeordneter Personalvertretung (§ 2 Abs. 1 BPersVG) aufgegeben. Wie bereits oben dargelegt wurde, werden die beschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten des Personalrats der verselbständigten Dienststelle – entsprechend den eingeschränkten Kompetenzen des Leiters – durch den Einsatz des Gesamtpersonalrats ausgeglichen. Damit wird auch die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalrat nicht eingeschränkt, weil – verteilt auf örtlichen Personalrat und Gesamtpersonalrat – insgesamt die Mitwirkungsmöglichkeiten der Personalvertretung nicht beschnitten werden. Die Erfüllung der Pflichten und die Wahrnehmung der Rechte eines Personalrats zum direkten und ungehinderten Kontakt mit den Beschäftigten werden andererseits durch die größere räumliche Nähe des Personalrats der verselbständigten Nebenstelle zu deren Beschäftigten erleichtert. Die gesetzlich nicht im einzelnen festgelegten Aufgaben, engen Kontakt zu den Beschäftigten zu halten, verbleiben der Personalvertretung auch bei verringerten Zuständigkeiten des Dienststellenleiters. Die vor Ort in der unmittelbaren Nähe zu den Beschäftigten gewonnenen Erkenntnisse können bei der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung des Personalrats der verselbständigten Dienststelle durch den Gesamtpersonalrat (§ 82 Abs. 3 BPersVG) eingebracht werden. Durch die räumliche Nähe zwischen Personalrat und Beschäftigten wird in der Regel auch das Verhältnis der Beschäftigten untereinander und das zwischen ihnen und der Dienststelle positiv beeinflußt, auch wenn der Personalrat nur begrenzte Befugnisse hat. Dadurch können mögliche Streitpunkte schneller und unkomplizierter bereinigt werden als im Kontakt zur „entfernten” Hauptdienststelle.
Die Zulässigkeit der Verselbständigung kann auch deshalb nicht von personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnissen des Leiters abhängig gemacht werden, weil dies Auswirkungen der jeweiligen Verwaltungsorganisation sind, die wegen der in § 6 Abs. 3 BPersVG enthaltenen Fiktion nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verselbständigung sein soll.
Die gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigte Dienststelle wird personalvertretungsrechtlich wie eine Dienststelle mit originärer Selbständigkeit behandelt. Dies bedeutet, daß die Auswirkungen der Verselbständigung sich nicht darin erschöpfen, daß dort ein Personalrat gewählt werden kann. Vielmehr setzt dies voraus, daß die Bedingungen erfüllt sein müssen, die für die Tätigkeit eines Personalrats in einer Dienststelle unabdingbar sind. Beispielsweise müssen in der Dienststelle mindestens fünf Wahlberechtigte beschäftigt sein (§ 12 Abs. 1 BPersVG). In diesen Kleindienststellen, die nicht die gesetzlich geforderte Anzahl wahlberechtigter Beschäftigter haben, schließt die geringe Zahl wahlberechtigter und/oder wahlfähiger Beschäftigter eine Personalratswahl praktisch aus; die eigenständige und umfassende Wahrnehmung der Aufgaben einer Personalvertretung ist hier sinnvoll nicht möglich (Beschluß vom 14. Juli 1987 – BVerwG 6 P 9.86 – BVerwGE 78, 34). Das Personalvertretungsrecht beruht des weiteren auf der Partnerschaft von Personalrat und Dienststelle, die gemäß § 7 BPersVG von dem Dienststellenleiter repräsentiert wird. Die Wahl eines Personalrats für eine Dienststelle ohne Dienststellenleiter als Verhandlungspartner des Personalrats widerspräche der gesetzgeberischen Vorstellung (Beschluß vom 22. Juni 1962 – BVerwG 7 P 9.61 – BVerwGE 14, 287). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind diese Mindestbedingungen personalvertretungsrechtlicher Tätigkeit bei der Außenstelle Büsum jedoch erfüllt. Abgesehen davon, daß die Abgrenzung dessen, was unter einem Minimum personalvertretungsrechtlich relevanter Befugnisse zu verstehen ist, schwierig ist, sprechen somit keine Gesichtspunkte dafür, diese als „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal” in § 6 Abs. 3 BPersVG einzubeziehen.
Nach den weiteren tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts steht auch fest, daß die Außenstelle Büsum räumlich weit von der Hauptdienststelle, dem Wasser- und Schifffahrtsamt Tönning, entfernt ist.
Der Begriff der räumlich weiten Entfernung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach objektiven Maßstäben auszufüllen ist und der uneingeschränkten richterlichen Nachprüfung unterliegt (Beschlüsse vom 17. Dezember 1957 – BVerwG 7 P 3.57 – BVerwGE 6, 60 und vom 14. Juli 1987 – BVerwG 6 P 9.86 – a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in ständiger Rechtsprechung bekräftigt, daß es bei der Bewertung, ob eine Dienststelle räumlich weit entfernt ist, nicht allein auf die reine Kilometerentfernung ankommt, sondern darauf, ob es angesichts der Entfernung und der bestehenden Verkehrsverhältnisse gewährleistet ist, daß sich der Personalrat tatsächlich mit den personellen Angelegenheiten der von ihm zu betreuenden Beschäftigten genügend zu befassen vermag (Beschlüsse vom 17. Dezember 1957 – BVerwG 7 P 3.57 – a.a.O., vom 15. Oktober 1975 – BVerwG 7 P 18.75 – PersV 1976, 421, vom 11. Juli 1977 – BVerwG 7 P 31.77 – Dok.Ber. B 1977, 295 und vom 14. Juli 1987 – BVerwG 6 P 9.86 – a.a.O.).
Ob eine räumlich weite Entfernung gegeben ist, die es nicht mehr gewährleistet, daß der Personalrat sich genügend mit den personellen Angelegenheiten der von ihm zu betreuenden Beschäftigten befassen kann, wird in der Regel von mehreren für die Einzelbeurteilung maßgebenden Aspekten abhängen. Hierbei sind im Einzelfall die zwischen der Dienststelle und Nebenstelle bestehenden Verkehrsverbindungen, die Verkehrsdichte, die verkehrsmäßige Selbständigkeit der Beschäftigten und der Personalratsmitglieder ebenso zu berücksichtigen wie der benötigte Zeitaufwand. Es spricht eine allgemeine Vermutung dafür, daß die Entfernung zwischen zwei Dienststellen räumlich weit ist, wenn sie sich in verschiedenen, mehr als 20 km von einander entfernten Dienstorten befinden und nicht besondere Umstände dafür vorliegen, die eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Fischer/Göres in Fürst, GKÖD V, K § 6 Rz 16). Bei dieser Entfernung ist außerhalb von Ballungsgebieten im allgemeinen der notwendige Kontakt zwischen Personalrat und Beschäftigten nicht in dem gebotenen Umfang möglich, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor, die eine Ausnahme rechtfertigen. Beispielsweise können die besonderen Verkehrsverhältnisse eine Überschreitung oder Unterschreitung dieser Grenze begründen, je nachdem ob sie im Einzelfall besonders günstig oder besonders schlecht sind.
Das Oberverwaltungsgericht hat es zwar letztlich offengelassen, ob die Außenstelle in Büsum räumlich weit von dem Wasser- und Schiffahrtsamt in Tönning entfernt ist. Gleichwohl bedarf es keiner Zurückverweisung zwecks weiterer Sachaufklärung. Aufgrund der von den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen steht nämlich fest, daß die beiden Dienststellen räumlich weit voneinander entfernt liegen. Sie befinden sich in verschiedenen Orten. Sie sind 32 Straßenkilometer voneinander entfernt. Es sind auch keine anderen Umstände vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, welche rechtfertigen könnten, eine Ausnahme von der allgemeinen Vermutung anzunehmen, die besagt, daß oberhalb der Grenze von 20 km Dienststellen räumlich weit voneinander entfernt sind. Die Verkehrsverhältnisse sind nicht sonderlich günstig. So ist das Verwaltungsgericht für den Fall einer Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Übereinstimmung mit einer früheren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und dem Vorbringen der Beteiligten bei 79 Bahnkilometern von etwa zweieinhalb Stunden Fahrzeit ausgegangen. Auch die Fahrtzeiten mit dem Pkw würden nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts zwischen 30 und 45 Minuten betragen. Nicht alle Beschäftigten besitzen außerdem einen Pkw. Die allenfalls verbleibende Möglichkeit der Benutzung von Dienstwagen ist hier aber nach den Umständen des Einzelfalles ebenfalls nicht in Betracht zu ziehen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar die Frage, ob Dienstwagen für die Beschäftigten und die Personalratsmitglieder zur Verfügung stehen, nicht eindeutig geklärt. Es hat lediglich in Zweifel gezogen, ob „die Anforderung eines Dienstwagens für die Herstellung eines Kontaktes zwischen Personalrat und Beschäftigten der Außenstelle (…) immer möglich sein dürfte”. Auch diese Tatsachenfrage bedarf jedoch keiner weiteren Klärung. Der Dienststellenleiter kann sich nur dann darauf berufen, die „räumlich weite Entfernung” sei nicht gegeben, weil die Benutzung von Dienstwagen möglich sei, wenn er vor dem Verselbständigungsbeschluß eine verbindliche Regelung der Dienstwagenbenutzung für die gesamte Dauer der Wahlperiode getroffen hat, die es dem Personalrat und den Beschäftigten ermöglicht, in zumutbarer Weise die notwendigen Fahrten zwischen Nebenstelle und Hauptdienststelle durchzuführen. Andernfalls stünde es im Belieben des jeweiligen Dienststellenleiters, durch eine unverbindliche Zusage bzw. durch deren Widerruf den Verselbständigungsbeschluß in Frage zu stellen. Das Interesse der Rechtssicherheit, aber auch der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit, erfordern deshalb eine verbindliche Festlegung in dem dargestellten Sinne. Für eine derartig bindende und eindeutige Regelung liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Dr. Niehues, Nettesheim, Ernst, Albers, Dr. Vogelgesang
Fundstellen