Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 03.07.2008; Aktenzeichen 2 B 610/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 843,38 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Revisionsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde, die sich ausschließlich gegen die dem Beklagten vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist richtet, bleibt ohne Erfolg. Aufgrund des Darlegungserfordernisses gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist der Senat darauf beschränkt, über die Revisionszulassung ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung des Klägers zu entscheiden.
Rz. 2
a) Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumung ist – anders als die Ablehnung einer Wiedereinsetzung – unanfechtbar (§ 60 Abs. 5 VwGO). Eine derartige unanfechtbare Vorentscheidung kann vom Revisionsgericht, wenn sie allein im Streit steht, nicht inhaltlich überprüft werden und kann deshalb auch nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO sein (Beschlüsse vom 11. November 1987 – BVerwG 9 B 379.87 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 153 m.w.N. und vom 30. Januar 2001 – BVerwG 1 B 38.01 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 238). Dies folgt aus § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO. Hiernach unterliegen die dem Endurteil des Berufungsgerichts vorausgegangenen Entscheidungen dann nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. § 60 Abs. 5 VwGO besagt danach nicht nur, dass die Entscheidung über die Wiedereinsetzung unanfechtbar ist, sondern auch, dass die Gewährung von Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist für die im Instanzenzug übergeordneten Gerichte inhaltlich bindend ist und von diesen nicht mehr, auch nicht im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision, überprüft werden kann. Zwar ist im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung die Rüge eines Verfahrensmangels insoweit zulässig, als sie sich nicht unmittelbar gegen die Vorentscheidung richtet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend dem angefochtenen Urteil selbst anhaftet. Dies ist jedoch nicht schon dann gegeben, wenn – wie hier – allein die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung im Streit steht. Deren inhaltliche Prüfung durch das Revisionsgericht würde im Ergebnis eine Missachtung der in § 557 Abs. 2 (früher § 548) ZPO aus prozessökonomischen Gründen vorgeschriebenen Bindung des Revisionsgerichts an die unanfechtbare Vorentscheidung der Instanzgerichte hinauslaufen (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 11. November 1987 – BVerwG 9 B 379.87 – a.a.O. m.w.N.).
Rz. 3
b) Im Übrigen liegt der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auch nicht vor.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat ein Organisationsverschulden beim Beklagten verneint und hierzu folgende tragende Rechtssätze aufgestellt: Es stelle kein Organisationsverschulden dar, wenn mehrere Mitarbeiter mit der Bearbeitung einer Fristensache befasst seien. Eventuellen Fehlern sei hinreichend dadurch Rechnung getragen worden, dass die für das Fristenbuch verantwortliche Mitarbeiterin nach Eintragung der Frist die Eintragungsverfügung abgehakt habe und dies von der zweiten Mitarbeiterin kontrolliert worden sei. Es bestehe auch keine Verpflichtung des Referatsleiters, generell Empfangsbekenntnisse erst dann zu unterschreiben, wenn die Frist im Kalender notiert sei.
Rz. 5
Diese Rechtssätze stehen nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines der sonst in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte. Zwar wurde im Beschluss vom 3. Dezember 2002 – BVerwG 1 B 429.02 – (juris) als geeignete organisatorische Maßnahme verlangt, dass das Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines Urteils oder eines Berufungszulassungsbeschlusses vom Rechtsanwalt – oder wie hier Referatsleiter – erst dann unterzeichnet und zurückgesandt werden darf, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist. Jedoch ist dies nicht die einzige Möglichkeit, die Fristenwahrung sicherzustellen (vgl. Beschluss vom 29. Dezember 2003 – BVerwG 5 B 218.02 – juris). Sind nach der Büroorganisation Fristen unmittelbar nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses zu notieren, so darf der Rechtsanwalt oder der Referatsleiter bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses im Regelfall – also dann, wenn keine Besonderheiten vorliegen – davon ausgehen, dass die im Schriftstück genannten Fristen unmittelbar anschließend notiert werden. Besondere Einzelweisungen zur Fristennotierung sind nur dort erforderlich, wo die Notierung der Fristen nicht generell einer bestimmten Büroangestellten als Aufgabe zugewiesen ist, allgemeine Weisungen an das Personal reichen nicht (Beschlüsse vom 26. November 2004 – BVerwG 5 B 33.04 – juris, vom 29. November 2004 – BVerwG 5 B 105.04 – Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 255 und vom 19. April 2006 – BVerwG 10 B 83.05 – juris).
Rz. 6
Der Kläger führt aus, dass beim Beklagten eine Einzelanweisung gefehlt habe, die zuständige Mitarbeiterin sei im Urlaub gewesen, das Fristenbuch sei durch eine Vertretung geführt worden. Hierzu hat das Berufungsgericht aber keine Rechtssätze aufgestellt.
Rz. 7
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Groepper, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen