Verfahrensgang

Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 13 L 6968/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2000 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK auch Schutz vor nicht-staatlichen Übergriffen gewährt”. Die Rechtsprechung des beschließenden Senats zu dieser Frage (Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265) sei aufgrund des Urteils des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 9.98 –, NVwZ 2000, 810 überprüfungsbedürftig.

Die Notwendigkeit einer solchen Überprüfung in einem Revisionsverfahren ist indessen nicht schlüssig dargetan. Wie die Beschwerde selbst vorträgt, ist in der genannten Entscheidung des 4. Senats ausgeführt, die Auslegung der EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei ungeachtet der auf die jeweiligen Verfahrensbeteiligten beschränkten Bindungswirkung des Art. 46 EMRK von den Gerichten der Konventionsstaaten „vorrangig zu beachten”, sofern dieser Auslegung eine „normative Leitfunktion” zukomme. Dies entspricht übrigens der Sache nach auch der Rechtsprechung des beschließenden Senats, nach der bei Auslegung der EMRK die Erkenntnisse der Konventionsorgane, vornehmlich des EGMR, „besonderes Gewicht” haben (Urteil vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – a.a.O. S. 270; ferner Urteil vom 24. Mai 2000 – BVerwG 9 C 34.99 – UA S. 8, zum Abdruck in BVerwGE vorgesehen). Weiter heißt es im Urteil des 4. Senats vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 9.98 – a.a.O. S. 812, das Gericht eines Konventionsstaates, das von einer Leitentscheidung des EGMR abweichen wolle, trage die Argumentationslast dafür, dass sein abweichender Standpunkt die entscheidend besseren Gründe für sich habe. Eben diese Befugnis hat das Urteil des beschließenden Senats vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – für sich in Anspruch genommen und ausführlich begründet, aufgrund welcher Erwägungen es dem Urteil des EGMR in Sachen Ahmed gegen Österreich vom 17. Dezember 1996 – 71/1995/577/663 –, sofern ihm die Auffassung zugrunde liegen sollte, dass Art. 3 EMRK kein staatliches oder quasistaatliches Handeln voraussetzt, nicht folgen könne. Dasselbe gilt für die beiden anderen in der Beschwerdebegründung angeführten – die Abschiebung mehrfach verurteilter Drogenstraftäter betreffenden – Entscheidungen des EGMR (Urteil vom 29. April 1997 – 11/1996/630/813 – ≪H.L.R. gegen Frankreich≫ und Urteil vom 2. Mai 1997 – 146/1996/767/964 – ≪D. gegen Vereinigtes Königreich≫), mit denen sich der Senat in seinem Urteil vom 2. September 1997 – BVerwG 9 C 40.96 – BVerwGE 105, 187 befasst hat. Sonstige Gründe, die Anlass zu einer Überprüfung der Senatsrechtsprechung geben könnten, trägt die Beschwerde nicht vor.

Abgesehen davon legt die Beschwerde bereits nicht dar, dass es in dem erstrebten Revisionsverfahren überhaupt zu einer Entscheidung über Fragen des § 53 Abs. 4 i.V.m. Art. 3 EMRK kommen könnte. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger nach einer Rückkehr in den Kosovo im Sinne des Art. 3 EMRK der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden könnten, und zwar weder von staatlicher noch – was von der Beschwerde der Sache nach offenbar unterstellt wird – von nicht-staatlicher Seite. Vielmehr geht die Berufungsentscheidung (BA S. 4/5), ohne dass insoweit Verfahrensrügen erhoben worden wären, im Zusammenhang mit der Prüfung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG von der Feststellung aus, die Kläger hätten selbst lediglich geltend gemacht, sie empfänden eine Rückkehr in den Kosovo „angesichts der Länge ihres hiesigen Aufenthalts als besondere Härte”.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Richter, Beck

 

Fundstellen

Dokument-Index HI567239

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