Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18.08.2016; Aktenzeichen OVG 80 D 7.12) |
VG Berlin (Urteil vom 28.08.2012; Aktenzeichen 80 K 2.12 OL) |
Gründe
Rz. 1
1. Der 1972 geborene Beklagte ist Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst des Klägers.
Rz. 2
Im Mai 2008 verurteilte das Landgericht... den Beklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Körperverletzung in sechs weiteren Fällen unter Einbeziehung eines früheren Strafurteils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts war es in der seit April 2003 bestehenden Beziehung des Beklagten aufgrund seiner starken Eifersucht und seines großen Misstrauens zu zahlreichen Übergriffen auf seine Partnerin gekommen. Diese habe lange Zeit keine Strafanzeige gegen den Beklagten erstattet, weil sie gehofft habe, dass er sich bessern werde, und weil sie befürchtet habe, dass ihr - anders als dem Beklagten als Polizisten - nicht geglaubt werde. Der Beklagte und seine Partnerin hätten sich mehrfach getrennt, aber ihre Beziehung jeweils wieder fortgesetzt. An einem Abend im Januar 2005 habe der Beklagte seine Partnerin vergewaltigt. Nach diesem Vorfall habe sich die Partnerin des Beklagten von diesem getrennt. Nach ungefähr zwei Wochen seien sie aber wieder ein Paar gewesen, bevor es im Folgemonat zur endgültigen Trennung gekommen sei.
Rz. 3
Auf die Revision des Beklagten hob der Bundesgerichtshof im Dezember 2008 das landgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf, weil der Beweisantrag des Beklagten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass er zur Tatzeit vermindert schuldfähig gewesen sei, rechtsfehlerhaft abgelehnt worden sei. Nach Einholung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens verurteilte das Landgericht im Oktober 2009 den Beklagten auf der Grundlage des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs sowie der rechtlichen Würdigung und der tatsächlichen Feststellungen des Urteils vom Mai 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Rz. 4
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch Disziplinarurteil vom August 2012 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie schon zuvor das Verwaltungsgericht - die Voraussetzungen für eine Lösung von den als bindend angenommenen tatsächlichen Feststellungen in den Strafurteilen verneint. Dies gelte auch für den Vorwurf der Vergewaltigung und die insoweit erhobene Rüge der verfahrensfehlerhaften Beweiswürdigung wegen der Nichterfüllung der wissenschaftlichen Anforderungen an Glaubhaftigkeitsgutachten bei der Würdigung der Aussage der früheren Partnerin des Beklagten; diese Anforderungen beanspruchten keine Geltung bei der gerichtlichen Beweiswürdigung einer Zeugenaussage. Die Bindungswirkung der Strafurteile erstrecke sich auch darauf, dass der Beklagte die ihm angelasteten Taten begangen und dabei vorsätzlich und schuldhaft gehandelt habe. Selbst auf der Grundlage der Bewertung des behandelnden Arztes bestehe kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit, weil die pathologische Eifersucht auch nach Einschätzung dieses Arztes ausschließlich zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit bei aufrecht erhaltener Einsichtsfähigkeit führe. Das Dienstvergehen des Beklagten erfordere unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit sei auf der Grundlage der gutachterlichen Einschätzung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die auch nicht durch den behandelnden Arzt als Zeugen erschüttert worden sei, nicht anzunehmen.
Rz. 5
2. Die Beschwerde hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 6
a) Dies gilt zunächst für die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft keine eigenen Feststellungen zur Schuld des Beklagten getroffen, sondern sich auf die Bindungswirkung der Strafurteile zurückgezogen. Diese Rüge ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens rechtsschutzfreundlich dahingehend auszulegen, dass geltend gemacht wird, das Oberverwaltungsgericht hätte sich von den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Strafurteile zur Tatbegehung lösen müssen, weil diese nicht haltbar seien. Damit wird im vorliegenden Fall ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt.
Rz. 7
Nach § 23 Abs. 1 des Disziplinargesetzes des Landes Berlin vom 29. Juni 2004 (GVBl. 2004 S. 263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70) - im Folgenden: DiszG BE - sind die tatsächlichen Feststellungen u.a. eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im sachgleichen behördlichen Disziplinarverfahren bindend. Soweit diese Bindungswirkung reicht, entfällt die Verpflichtung - und Befugnis - der Disziplinarbehörde nach §§ 24 ff. DiszG BE, die erforderlichen Beweise zu erheben. Entsprechendes gilt nach § 41 DiszG BE i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 BDG für das gerichtliche Disziplinarverfahren. Nach § 41 DiszG BE i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Abs.1 BDG (für das Berufungsverfahren), hat das Disziplinargericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind.
Rz. 8
Die Bindungswirkung soll verhindern, dass zu ein- und demselben Sachverhalt unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung primär den Strafgerichten zu überlassen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass tatsächliche Feststellungen, die ein Gericht auf der Grundlage eines Strafprozesses mit seinen besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen trifft, eine erhöhte Gewähr der Richtigkeit bieten. Daher haben die Verwaltungsgerichte die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ihrer Entscheidung ungeprüft zugrunde zu legen, soweit die Bindungswirkung reicht. Sie sind insoweit weder berechtigt noch verpflichtet, eigene Feststellungen zu treffen. Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen offenkundig unrichtig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 13; Beschluss vom 25. Februar 2016 - 2 B 1.15 - juris Rn. 8).
Rz. 9
Somit ist es rechtsfehlerfrei, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte die ihm angelasteten Taten begangen hat, auf die Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils abgestellt hat. Dass das Berufungsgericht im Ergebnis diese Feststellungen nicht als offensichtlich unrichtig, sondern als zutreffend beurteilt hat, obliegt seiner Beweiswürdigung. Die Beschwerde hält das Ergebnis dieser Beweiswürdigung für fehlerhaft, zeigt aber keinen Verfahrensfehler bei der Beweiswürdigung auf. Soweit die Beschwerde anführt, die Beweiswürdigung im Strafurteil genüge nicht den Anforderungen des Bundesgerichtshofs für aussagepsychologische Begutachtungen, verkennt sie, dass das insoweit herangezogene Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 - (BGHSt 45, 164 ≪167 ff.≫ = juris Rn. 11 ff.) solche Anforderungen eben nur für aussagepsychologische Begutachtungen - also für Sachverständigengutachten - formuliert, sie aber nicht auf die gerichtliche Beweiswürdigung von Zeugenaussagen erstreckt. Für die gerichtliche Beweiswürdigung in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht, gelten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringere Anforderungen. Das Tatgericht muss sich bewusst sein, dass die Aussage des einzigen Belastungszeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 5 StR 316/12 - NStZ 2013, 57 ≪58≫ = juris Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98 - BGHSt 44, 256 ≪257≫ = juris Rn. 18). Die von der Beschwerde angeführten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Zeugenaussage der früheren Partnerin des Beklagten zeigen jedenfalls keine offenkundige Unrichtigkeit der hierauf beruhenden tatsächlichen strafgerichtlichen Feststellungen auf. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht nicht von den Feststellungen des Strafgerichts gelöst hat.
Rz. 10
Im Übrigen hat das Berufungsgericht ergänzend zu der von ihm angenommenen Bindungswirkung ausgeführt, dass selbst auf der Grundlage der Bewertung des den Beklagten behandelnden Arztes kein greifbarer Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit bestehe, weil die pathologische Eifersucht auch nach Einschätzung dieses Arztes ausschließlich zu einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit bei aufrecht erhaltener Einsichtsfähigkeit führe.
Rz. 11
b) Es ist auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Bemessungsentscheidung den Milderungsgrund einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht angenommen hat. Insbesondere ist es kein Aufklärungsmangel, dass das Berufungsgericht sich auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützt und den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt hat. Zwar sind die Disziplinargerichte auch nach einem rechtskräftigen Strafurteil verpflichtet, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich einer etwaigen verminderten Schuldfähigkeit zu treffen, denn die Bindungswirkung des Strafurteils erstreckt sich nicht auf die Tatsachen, die der Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit entgegenstehen oder diese stützen (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 29; Beschluss vom 9. Februar 2016 - 2 B 84.14 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 41 Rn. 20). Im vorliegenden Fall ist die Amtsaufklärungspflicht des Disziplinargerichts jedoch nicht verletzt.
Rz. 12
Gemäß § 41 DiszG BE i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Demnach hat es grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und - im vorliegenden Fall nur relevant - für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind. Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 41 DiszG BE i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für die Berufungsinstanz.
Rz. 13
Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat erheblich gemindert war, darf das Tatsachengericht im Rahmen seiner Bemessungsentscheidung diesen Aspekt nicht offen lassen oder zugunsten des Betroffenen unterstellen und sogleich auf die Einsehbarkeit der betreffenden Pflicht abstellen. Vielmehr muss es die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2014 - 2 B 23.14 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 111 Rn. 5 m.w.N.). Dabei kann auch das Vorliegen einer krankhaften Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit unterhalb der Schwelle einer seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB für die Gesamtwürdigung von Bedeutung sein (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 21 und vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - juris Rn. 10).
Rz. 14
Hat der Beamte zum Tatzeitpunkt an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten oder kann eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden und ist die Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten erheblich, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Bei einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit kann die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 29 ff.; Beschluss vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - juris Rn. 7).
Rz. 15
Die Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist zwar eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 30). Als Vorfrage muss indes geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer Krankheit gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich geminderte Schuldfähigkeit vorliegen (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 20 und vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - juris Rn. 7).
Rz. 16
Hierzu bedarf es in der Regel besonderer ärztlicher Sachkunde. Für die in Rede stehenden medizinischen Fachfragen gibt es keine eigene, nicht durch entsprechende medizinische Sachverständigengutachten vermittelte Sachkunde des Richters (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - BVerwGE 147, 244 Rn. 11 und Beschluss vom 28. Februar 2017 - 2 B 85.16 - juris Rn. 8).
Rz. 17
Hinsichtlich eines (ggf. zusätzlich) einzuholenden Sachverständigengutachtens ist den Tatsachengerichten nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404 und 412 ZPO Ermessen eröffnet. Die unterlassene Einholung eines zusätzlichen Gutachtens ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits eine sachverständige Äußerung zu einem Beweisthema vor, muss es ein weiteres Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, inhaltliche Widersprüche oder fachliche Mängel aufweist oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters besteht (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 ≪45≫; Beschlüsse vom 29. Mai 2009 - 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5 Rn. 7 und vom 26. September 2014 - 2 B 14.14 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 5 Rn. 18 f. m.w.N.). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1985 - 9 C 3.85 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 38 S. 122, vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2 und vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 47; Beschlüsse vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 109 Rn. 4 und vom 21. Juli 2016 - 2 B 40.16 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 46 Rn. 15).
Rz. 18
Gemessen an diesen Grundsätzen zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf, dass das Berufungsgericht bei der Klärung der Frage der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 41 DiszG BE i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt hat.
Rz. 19
Der Sachverständige, ein Facharzt für Nervenheilkunde mit dem Schwerpunkt Forensische Psychiatrie, der den Beklagten 2009 im Strafverfahren untersucht hatte, hat zwar narzisstische Persönlichkeitszüge festgestellt, aber eine psychische Krankheit im Sinne des § 20 StGB verneint. Hierauf konnte sich das Berufungsgericht stützen. Die Einschätzung des Sachverständigen wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht durch die Bekundungen des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, in dessen Behandlung sich der Beklagte im Jahr 2015 begeben hat, nicht erschüttert. Auch der sachverständige Zeuge bejahte narzisstische Persönlichkeitszüge und verneinte eine Persönlichkeitsstörung. Zwar bekundete der Zeuge außerdem, dass die Steuerungsfähigkeit des Beklagten affektbedingt eingeschränkt gewesen sei. Allerdings hielt der Sachverständige an seiner Einschätzung fest, weil pathologische Eifersucht ein Symptomkomplex, ein Teil der Persönlichkeit sei und nicht zur Bejahung der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB führe.
Rz. 20
In dieser Situation musste sich dem Berufungsgericht eine Beweiserhebung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht aufdrängen. Das Berufungsgericht hat die Vorfrage für die Beurteilung einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit, nämlich das Vorliegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB, verneint. Es hat sich dabei auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gestützt, der sehr viel zeitnäher als der sachverständige Zeuge den Beklagten untersucht hat. Substantielle Einwände gegen die Validität des Sachverständigengutachtens - etwa in methodischer Hinsicht - wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht erhoben; der sachverständige Zeuge hat lediglich eine abweichende Einschätzung bekundet. Der anwaltlich vertretene Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag zur weiteren Klärung des Sachverhalts, etwa auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, gestellt. In dieser Situation musste sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung nicht aufdrängen.
Rz. 21
c) Schließlich ist es auch nicht verfahrensfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten begonnene Therapie nicht maßnahmemildernd gewürdigt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verstoß gegen die Pflicht zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung.
Rz. 22
Zu den nach § 13 Abs. 1 DiszG BE (sowie nach § 13 BDG und den entsprechenden Vorschriften der anderen Landesdisziplinargesetze) bemessungsrelevanten - und für den Beamten sprechenden - Umständen gehört auch der Umstand, dass sich der Beamte im Hinblick auf das Dienstvergehen einer Therapie unterzogen hat. Stärker noch als die Tatsache der Durchführung einer Therapie ist ihr Ergebnis zu berücksichtigen. Nachträgliche Therapiemaßnahmen können bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn eine günstige Zukunftsprognose gestellt werden kann. Dabei können positive Entwicklungen in der Person des Beamten nach Vollendung des Dienstvergehens auch dazu führen, dass von der Höchstmaßnahme zugunsten einer milderen Maßnahme abgesehen wird. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit festzustellen, inwieweit eine vom Beamten im Hinblick auf sein Fehlverhalten begonnene Therapie Erfolg hat (BVerwG, Urteile vom 27. November 2001 - 1 D 64.00 - juris Rn. 35 und vom 19. August 2010 - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 29 f.; Beschluss vom 22. März 2016 - 2 B 43.15 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 34 Rn. 7).
Rz. 23
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Umstand der 7 Jahre nach der Tat begonnenen Therapie kein maßnahmemilderndes Gewicht beigemessen hat. Da der sachverständige Zeuge in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bekundet hatte, dass die Therapie andauere und auch noch einige Zeit andauern werde, ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass es gegenwärtig an einer hinreichend tragfähigen Tatsachengrundlage dafür fehle, dass Pflichtenverstöße gleicher Art nicht mehr zu besorgen seien.
Rz. 24
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG BE, § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 41 DiszG BE, § 78 Satz 1 BDG i.V.m. Nr. 10 und 62 des als Anlage zu diesem Gesetz erlassenen Gebührenverzeichnisses).
Fundstellen
Dokument-Index HI11815726 |