Tenor
Der Antrag, das Bundesministerium der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung über ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. August 2023 (BVerwG 1 WB 36.23) zu dem am 18. Oktober 2023 beginnenden Offizierlehrgang zuzulassen, wird abgelehnt.
Tatbestand
Rz. 1
Der Antragstellerin geht es darum, vorläufig an der Ausbildung der Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes teilzunehmen.
Rz. 2
Die... geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin in der Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes. Zuletzt wurde sie im November 2012 zum Hauptfeldwebel befördert. Derzeit wird sie als... im... in... verwendet.
Rz. 3
Mit Formularantrag vom 16. September 2022 beantragte die Antragstellerin ihre Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes für das Auswahljahr 2023 im Werdegang... Mit Bescheid vom 28. April 2023 lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr diesen Antrag ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem 5. Mai 2023 Beschwerde.
Rz. 4
Mit Bescheid vom 27. Juli 2023 wies das Bundesministerium der Verteidigung die Beschwerde zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Antragstellerin ein erforderliches Auswahlkriterium, nämlich einen Indexwert im Potenzialfeststellungsverfahren kleiner oder gleich 48 Punkte, nicht erfülle. Die Antragstellerin überschreite mit dem in der Potenzialfeststellung vom 27. November 2020 festgestellten Gesamtindex von 52 Punkten diesen Wert. Sie habe auch bei einem Test am 28. November 2022 nicht die erforderliche Punktezahl erreicht, um an einer vorfristigen Wiederholung der Potenzialfeststellung teilzunehmen.
Rz. 5
Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 11. August 2023 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit einer Stellungnahme vom 1. September 2023 dem Senat vorgelegt. Über diesen Hauptsacheantrag (BVerwG 1 WB 36.23) ist noch nicht entschieden.
Rz. 6
Die Antragstellerin macht geltend, für die vorläufige Lehrgangszulassung bestehe ein Anordnungsgrund, weil ihr durch die sonst eintretenden zeitlichen Verzögerungen Laufbahnnachteile drohten. Sie habe auch einen aus ihren Bewerbungsverfahrensanspruch gemäß Art. 33 Abs. 2 GG resultierenden Anordnungsanspruch. Sie nehme in der Reihung der Bewerber in der sogenannten Vorsortierliste bei insgesamt 16 Möglichkeiten der Laufbahnzulassung den fünften Rangplatz ein. Ihre Bewerbung sei allein deshalb abgelehnt worden, weil sie den für eine Laufbahnzulassung vorgegebenen Indexwert von 48 Punkten beim Ergebnis der Potenzialfeststellung mit 52 Punkten geringfügig überschritten habe. Das Ergebnis der Potenzialfeststellung sei dadurch zu einem Ausschlusskriterium geworden, das ihre hervorragenden anderen Bewertungen (aktuelle Beurteilung A+, Vorbeurteilung 8,25, Laufbahnbeurteilung "in außergewöhnlichem Maß geeignet", Entwicklungsprognose "bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn", Personalentwicklungsbewertung "Eignung Offizier militärfachlicher Dienst") entwerte. Auf diese Weise werde das an sich nur mit 20 % zu gewichtende Kriterium der Potenzialfeststellung zum Ausschlusskriterium. Eine derartig starre Untergrenze verstoße gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Auch fehle es an einer transparenten und nachvollziehbaren Dokumentation für die sachliche Rechtfertigung dieses Ausschlusskriteriums.
Rz. 7
Die Antragstellerin beantragt,
den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig bis zu einer Entscheidung über ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. August 2023 zu dem am 18. Oktober 2023 beginnenden Offizierlehrgang zuzulassen.
Rz. 8
Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Rz. 9
Zur Begründung führt es aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes nach dem Grundsatz der Bestenauslese hinreichende Rechtsgrundlagen im Soldatengesetz und in der Soldatenlaufbahnverordnung bestünden. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht es als rechtmäßig erachtet, die weitere Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens in Verwaltungsvorschriften zu regeln. Danach sei das hier strittige Kriterium "Indexwert bei der Potenzialfeststellung kleiner oder gleich 48" rechtlich nicht zu beanstanden. Es beruhe auf den bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen, die einheitlich gültige Mindestanforderungen für Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren enthielten. Der Grenzwert von "kleiner oder gleich 48" ergebe sich dabei aus der Forderung, dass der Bewerber im Testverfahren mindestens eine Durchschnittsnote 3 ("Bewerberin bzw. Bewerber zeigt Verhaltensweisen, die gut durchschnittlich sind") über die betrachteten Eignungsmerkmale hinweg erreiche. Dabei würden nur relativ wenige und stabile Merkmale (Gewissenhaftigkeit, Persönlichkeits- und Verhaltensstabilität sowie kognitive Leistungsfähigkeit) erfasst, für die grundsätzlich eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren angenommen werden könne. Die Möglichkeit der vorzeitigen Wiederholung der Potenzialfeststellung sei für den Fall vorgesehen, dass im Einzelfall eine deutliche Persönlichkeitsentwicklung erkennbar sei. Bei einer diesbezüglichen Vorprüfung habe die Antragstellerin jedoch keine solche Entwicklung erkennen lassen, weswegen auch eine Wiederholung der Potenzialfeststellung unterblieben sei.
Rz. 10
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat haben bei der Beratung die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung, die auch eine Auswahlliste für das strittige Auswahlverfahren enthält, die Personalgrundakte der Antragstellerin und die Akten des Hauptsacheverfahrens (BVerwG 1 WB 36.23) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Rz. 11
Der gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 123 VwGO statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Rz. 12
Für die von der Antragstellerin begehrte Anordnung, vorläufig bis zu einer Entscheidung über ihren Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 11. August 2023 (BVerwG 1 WB 36.23) zu dem am 18. Oktober 2023 beginnenden Offizierlehrgang teilnehmen zu können, ist zwar ein Anordnungsgrund gegeben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Das Bestehen der Offizierprüfung im Rahmen der Laufbahnausbildung ist Voraussetzung für eine Beförderung zum Leutnant (§ 27 Abs. 5 Satz 2 SG, § 24 Abs. 2 SLV); insofern drohen der Antragstellerin durch eine zeitliche Verzögerung Laufbahnnachteile.
Rz. 13
Die Antragstellerin hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach summarischer Prüfung ist die Ablehnung ihres Antrags auf Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes durch den Bescheid des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 28. April 2023 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 27. Juli 2023 rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
Rz. 14
1. Die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes unterliegt den folgenden rechtlichen Maßgaben:
Rz. 15
a) Die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes unterliegt als Aufstieg in eine höherwertige Verwendung dem Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 2021 - 1 WB 10.21 - juris Rn. 18 m. w. N.). Der Soldat, der die Laufbahnzulassung beantragt hat oder für sie vorgeschlagen wurde, hat einen Bewerbungsverfahrensanspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung; die Bewerbung darf nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 WB 51.12 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 67 Rn. 28).
Rz. 16
b) § 27 Abs. 1 und § 93 Abs. 1 Nr. 2 SG ermächtigen die Bundesregierung, Vorschriften über die Laufbahnen der Soldaten nach den Grundsätzen des § 27 Abs. 2 bis 6 SG durch Rechtsverordnung zu erlassen. Hierauf basierend sind die Voraussetzungen für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes in den §§ 43 ff. SLV, der Laufbahnaufstieg insbesondere in § 47 SLV, geregelt. Diese normativen Regelungen beruhen auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) und stehen mit dieser in Einklang (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. Februar 2021 - 1 WB 32.20 - BVerwGE 171, 357 Rn. 17 ff. und vom 31. März 2022 - 1 WB 50.21 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 11 Rn. 33). § 49 SLV ermächtigt das Bundesministerium der Verteidigung zu weiteren Regelungen durch Verwaltungsvorschriften.
Rz. 17
c) Im Einzelnen geregelt ist danach das Auswahlverfahren zur Laufbahnzulassung vor allem in Abschnitt 4.7.5 der Allgemeinen Regelung A-1340/49 über die "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung militärischen Personals" (zuvor Kapitel 9 der entsprechenden ZDv A-1340/49), in der Allgemeinen Regelung A-1340/75 über die "Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes" sowie in der diese weiter konkretisierenden Zentralvorschrift A1-1340/75-5000. Nr. 103 ZV A1-1340/75-5000 verweist für die Auswahl durch das Bundesamt für das Personalmanagement insbesondere auf die bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen für militärische Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren (Allgemeine Regelung A-1340/78), in denen Kriterien und Anforderungen auch für den hier gegenständlichen Aufstieg von Feldwebeln in die Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes gelistet sind (siehe dort insb. Anlage 4.5). Gemäß Nr. 203 ZV A1-1340/75-5000 werden schließlich die aktuellen Zulassungsvoraussetzungen für die jeweilige Auswahlkonferenz nochmals in Form von Gemeinsamen Arbeitshilfen und Informationen für die Personalbearbeitung (GAIP), im vorliegenden Fall für das Auswahljahr 2023, bekanntgegeben.
Rz. 18
d) In Konkretisierung des Ziels, die nach Eignung, Befähigung und Leistung am besten geeigneten Bewerber für die in Rede stehende Laufbahn auszuwählen und zur Zulassung vorzuschlagen, wird, soweit die Anzahl der geeigneten Bewerber den Bedarf übersteigt, gemäß Nr. 304 ZV A1-1340/75-5000 eine Vorsortierung als Grundlage der Betrachtung gebildet. Als quantifizierbare Kriterien zur Erstellung der Vorsortierung werden dazu die letzte Beurteilung, die Potenzialfeststellung, die vorletzte Beurteilung und die Laufbahnbeurteilung der Bewerber herangezogen (Nr. 305 ZV A1-1340/75-5000). Die Gewichtung dieser Kriterien ist in den Anlagen 4.1 und 4.2 der Zentralvorschrift im Einzelnen dargestellt. Anhand von Eignungs- und Leistungskriterien werden dabei Punkte vergeben, nach denen die Punktsummenwerte der Bewerber ermittelt werden. Entscheidend sind dabei der jeweilige Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung und die Entwicklungsprognose in den beiden genannten (planmäßigen) Beurteilungen, der Empfehlungsgrad aus der Laufbahnbeurteilung und die Indexpunkte aus der Potenzialfeststellung.
Rz. 19
Der Senat hat dieses Verfahren wiederholt gebilligt und auch unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 2 GG keine Bedenken gegen die Gewichtung der Kriterien für die Ermittlung des Punktsummenwertes erhoben (vgl. zuletzt insb. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2020 - 1 WB 58.19 - juris Rn. 32 mit zahlreichen Nachweisen). Eine andere rechtliche Bewertung ist grundsätzlich auch nicht durch den Übergang auf das zum 31. Juli 2021 in Kraft getretene neue Beurteilungssystem angezeigt. Wie sich aus der vorgelegten Anlage 12 zur GAIP für das Auswahljahr 2023 ergibt, bleibt das bisherige System der Vorsortierung in seiner wesentlichen Struktur erhalten. Soweit zunächst bei den aktuellen und später dann auch bei den vorletzten Beurteilungen das neue Beurteilungssystem zum Tragen kommt, treten - mit gewissen Abweichungen in der Gewichtung - dessen Kriterien der Leistungsbewertung und der prospektiven Eignungs- und Befähigungseinschätzung an die Stelle der bisherigen Kriterien.
Rz. 20
e) Unberührt geblieben - allerdings mit einer Minderung der Gewichtung von bisher 25 % auf nunmehr rund 20 % - ist das hier strittige Auswahlkriterium der Potenzialfeststellung. Auch insoweit entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass das Bundesamt für das Personalmanagement auch eine Potenzialfeststellung für Unteroffiziere in das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes einbeziehen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2011 - 1 WB 38.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 61 Rn. 40, vom 19. Juli 2018 - 1 WB 48.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 7 Rn. 29 und vom 30. April 2020 - 1 WB 58.19 - juris Rn. 33). Es liegt in der Personalorganisationshoheit des Bundesministeriums der Verteidigung, ob es in das Zulassungsverfahren für die in Rede stehende Laufbahn zusätzliche Erkenntnisquellen einführt, die neben den verschiedenen Beurteilungsarten und bestimmten fachlichen Empfehlungen ergänzende prognostische Aussagen über die Eignung der Bewerber für die angestrebte Laufbahn oder für den laufbahnrelevanten Status (Berufssoldat) erbringen können. Gefordert hat der Senat lediglich, dass der Potenzialfeststellung - bezogen auf den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung - eine hinreichende Aktualität zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Juli 2018 - 1 WB 48.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 7 Rn. 30 und vom 30. April 2020 - 1 WB 58.19 - juris Rn. 33).
Rz. 21
2. Nach diesen Maßstäben bestehen gegen die Ablehnung des Antrags der Antragstellerin auf Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 22
a) Für die Ablehnung der Bewerbung war ausschlaggebend, dass die Antragstellerin die Mindestanforderung bei der Potenzialfeststellung nicht erfüllte.
Rz. 23
In dem hier interessierenden Werdegang... standen für das Auswahljahr 2023 nach dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren für bis zu 16 Bewerber die Möglichkeit der Laufbahnzulassung zur Verfügung; laut der vorgelegten Auswahlliste bestanden 15 Zulassungsmöglichkeiten. Tatsächlich ausgewählt wurden ausweislich der Auswahlliste 15 Bewerber bei einer Gesamtzahl von 67 Bewerbungen (Anträge und Vorschläge).
Rz. 24
Die 15 für die Laufbahnzulassung ausgewählten Bewerber zeichnen sich dadurch aus, dass sie jeweils bei allen fünf Auswahlkriterien die festgelegten Mindestanforderungen erfüllten (Gesamturteil aktuelle planmäßige Beurteilung "besser oder gleich C-", Eignungsaussage Personalentwicklungsbewertung "geeignet", Potenzialaussage Personalentwicklungsbewertung "A 9 MZ", Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung vorletzte planmäßige Beurteilung "besser oder gleich 7,36", Potenzialfeststellung "gleich oder kleiner 48"). Alle übrigen 52 Bewerber erfüllten bei einem oder bei mehreren Auswahlkriterien nicht diese Mindestanforderungen. Hierzu zählt auch die Antragstellerin, deren Gesamtindex in der Potenzialfeststellung "52" und damit mehr als die geforderten "gleich oder kleiner 48" betrug.
Rz. 25
Für alle 67 Bewerber ist in der Auswahlliste auch der sich nach der Vorsortierung ergebende Punktsummenwert angegeben. Danach war die Antragstellerin mit einem Punktsummenwert von "985,50" die beste unter den abgelehnten Bewerbern. Ohne das Erfordernis, bei allen fünf Auswahlkriterien die festgelegten Mindestanforderungen zu erfüllen, wäre die Antragstellerin in der Reihung der Bewerber allein nach dem Punktsummenwert auf den Rangplatz 5 gelangt. Mit diesem Rangplatz in der Vorsortierung wäre die Antragstellerin "im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung" (Nr. 306 ZV A1-1340/75-5000) aller Voraussicht nach für die Laufbahnzulassung ausgewählt worden. Die Nichterfüllung der Mindestanforderung beim Auswahlkriterium "Potenzialfeststellung" war damit der allein ausschlaggebende Ablehnungsgrund, auf den das Bundesministerium der Verteidigung auch seinen Beschwerdebescheid gestützt hat.
Rz. 26
b) Die Festlegung von Mindestanforderungen bei den einzelnen Auswahlkriterien, hier insbesondere bei der Potenzialfeststellung, begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Damit ist auch die Ablehnung des Antrags auf Laufbahnzulassung nicht zu beanstanden.
Rz. 27
Dem personalwirtschaftlichen Ermessen des Dienstherrn unterliegt nicht nur, im Rahmen des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) die unbestimmten Rechtsbegriffe der Eignung, Befähigung und Leistung in einzelne Auswahlkriterien auszuformen und zu konkretisieren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2008 - 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 Rn. 30 m. w. N.). Er ist auch befugt, für jedes einzelne Kriterium zu erfüllende Mindeststandards festzulegen (vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2020 - 1 WB 58.19 - juris Rn. 34). Die Auswahlkriterien betreffen je unterschiedliche Aspekte der Einschätzung, ob der Bewerber sich für die neue Laufbahn eignet und sich voraussichtlich in ihr bewähren wird (wie etwa die retrospektive Bewertung bereits gezeigter Leistungen; die prospektive Einschätzung der Befähigung für die künftigen Aufgaben; die Aktualität, aber auch Kontinuität eines überdurchschnittlichen Eignungs- und Leistungsbilds; die charakterliche und geistige Eignung, usw.). Es ist deshalb sachlich gerechtfertigt, von den Bewerbern um den Laufbahnaufstieg zu verlangen, dass sie in der gesamten Bandbreite der Auswahlkriterien und bezogen auf jedes einzelne Kriterium ein jeweils überdurchschnittliches Niveau der Eignung, Befähigung und Leistung aufweisen.
Rz. 28
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind die Mindestanforderungen auch transparent und nachvollziehbar dokumentiert. Sie beruhen im Kern auf den bundeswehrgemeinsamen Bedarfsträgerforderungen, auf die für das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes durchgängig verwiesen wird (Nr. 102 Satz 3 und Nr. 213 am Ende AR A-1340/75; Nr. 103 ZV A-1340/75-5000). Dabei sind die Anforderungskriterien und Mindestanforderungen für den Aufstieg von Feldwebeln in die Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes in Anlage 4.5 der "Bedarfsträgerforderungen für militärische Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren" (Allgemeine Regelung A-1340/78) zusammengefasst. Der geforderte Gesamtindex bei der Potenzialfeststellung ist bereits an dieser Stelle allgemeingültig und lange vor dem hier gegenständlichen Auswahlverfahren mit "gleich oder besser als 48" festgelegt. Ein gleichbedeutender Hinweis (das Potenzial nicht nur für die Übernahme als Berufssoldatin in der Feldwebellaufbahn, sondern weitergehend auch für den Aufstieg in die Laufbahn der Offizierinnen und Offiziere des militärfachlichen Dienstes besteht bei einem Index von "48 - 16") findet sich im Übrigen auch auf dem der Antragstellerin eröffneten und ihr damit bekannten Ergebnisnachweis zu ihrer Potenzialfeststellung vom 27. November 2020.
Rz. 29
Gegen die Festlegung eines Indexes von "gleich oder kleiner 48" bzw. "gleich oder besser als 48", den die Antragstellerin als "gegriffen" beanstandet, bestehen auch materiell-rechtlich keine Bedenken. Der Grenzwert von 48 beruht, wie das Bundesministerium der Verteidigung dargelegt hat, auf der Forderung, dass die Testperson im Durchschnitt mindestens die Note "3" über die betrachteten Eignungsmerkmale hinweg erzielt haben muss, wobei sich der Wert von 48 daraus ergibt, dass zur Berechnung des Gesamtindexes die Durchschnittsnote mit dem Faktor 16 multipliziert wird (vgl. im Einzelnen Nr. 220 ff. der Anlage 5.1 zur Allgemeinen Regelung C1-1340/49-5000 "Potenzialfeststellung für Unteroffiziere"). Eine Durchschnittsnote von "3 (gut durchschnittlich)" auf einer siebenstufigen Skala von "1 (weit überdurchschnittlich)" bis "7 (weit unterdurchschnittlich)" (siehe Nr. 204 mit Tabelle 2 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000) stellt eine angemessene und nicht überzogene Mindestanforderung für Bewerber in einem Auswahlverfahren zum Laufbahnaufstieg dar.
Rz. 30
c) Die Antragstellerin hat auch keine durchgreifenden Einwände gegen ihre Potenzialfeststellung als solche vorgebracht. Das Ergebnis einer Potenzialfeststellung für Unteroffiziere ist ab dem Datum der Feststellung fünf Jahre gültig (Nr. 210 AR C1-1340/49-5000); die Potenzialfeststellung der Antragstellerin vom 27. November 2020 konnte deshalb im Auswahlverfahren 2023 zugrundegelegt werden. Der Antragstellerin wurde auch zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Möglichkeit einer vorfristigen Wiederholung der Potenzialfeststellung eröffnet (Nr. 302 der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000); in dem Testverfahren vom 28. November 2022, das der Durchführung einer Wiederholung der Potenzialfeststellung vorgeschaltet ist, hat die Antragstellerin jedoch nicht die Punktzahl erreicht, die eine entsprechende Persönlichkeitsentwicklung indiziert (vgl. im Einzelnen Nr. 304 ff. der Anlage 5.1 zur AR C1-1340/49-5000).
Rz. 31
d) Sofern nicht nur 15, sondern 16 Möglichkeiten der Laufbahnzulassung bestanden haben sollten (siehe oben II. 2. a. am Anfang), ist nicht zu beanstanden, dass das Bundesamt für das Personalmanagement die zusätzliche Möglichkeit nicht ausgeschöpft hat. Der Dienstherr ist weder verpflichtet, Bewerber zur Laufbahn zuzulassen, die nicht alle Mindestanforderungen erfüllen, noch ist er verpflichtet, auf einzelne Mindestanforderungen zu verzichten, um weiteren Bewerbern die Chance auf einen Laufbahnaufstieg zu eröffnen.
Rz. 32
e) Der Beschluss des Senats vom 29. August 2023 - 1 WB 64.22 -, wonach das Instrument der Personalentwicklungsbewertung über keine hinreichende gesetzliche Grundlage verfügt, ist im vorliegenden Verfahren schon deshalb ohne Bedeutung, weil die hier strittige Potenzialfeststellung für Unteroffiziere nicht Teil der Personalentwicklungsbewertung ist.
Fundstellen
Dokument-Index HI16020157 |