Nachgehend
Tenor
Die Anhörungsrüge der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Drittel.
Gründe
Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht machen die Kläger geltend, der Senat habe im Urteil vom 24. Juli 2008 – BVerwG 4 A 3001.07 – ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Sie haben daher keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Verfahrens.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und diese zu begründen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 – 2 BvR 731/80 – BVerfGE 64, 135 ≪143 f.≫). Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 – 2 BvR 639/66 – BVerfGE 22, 267 ≪274≫). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt auch keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ≪216≫); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 – 2 BvR 678/81 – BVerfGE 64, 1 ≪12≫; Urteil vom 7. Juli 1992 – 1 BvL 51/86 u.a. – BVerfGE 87, 1 ≪33≫). Aus ihr ergibt sich allerdings das Verbot, eine Entscheidung auf Gründe zu stützen, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Prozess erörtert wurden und mit deren Erheblichkeit für die Entscheidung nach dem bisherigen Verlauf auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht rechnen musste (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 ≪190≫). Hieran gemessen liegt ein Gehörsverstoß nicht vor.
1. Der Kläger zu 1 hat auf den Einwand des Beklagten und der Beigeladenen, seine Klage gegen den angefochtenen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 sei unzulässig, weil er den Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 habe bestandskräftig werden lassen und der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für ihn keine zusätzliche Beschwer bedeute, erwidert, seine erstmalige Betroffenheit ergebe sich daraus, dass der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss militärisch begründete Flugbewegungen gestatte, deren Durchführung bei Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses im November 2004 noch nicht voraussehbar gewesen sei (Schriftsatz vom 10. Juli 2008, S. 2 bis 7). Diesen Einwand hat der Senat aufgegriffen, ihn aber als rechtlich unerheblich zurückgewiesen, weil der Kläger zu 1 übersehe, dass der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss keine Verkehre zum Betrieb zulasse, sondern lediglich den durch die luftrechtliche Genehmigung vom 20. September 1990 in der Fassung des Bescheides vom 14. März 2000 bereits zugelassenen Betrieb für die Nachtzeit beschränke (UA Rn. 22). Damit durfte es sein Bewenden haben. Die Frage, ob die Betriebsgenehmigung Sonderverkehre aufgrund militärischer Anforderung deckt – was der Kläger zu 1 in Abrede stellt –, brauchte nicht erörtert zu werden; denn sie ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses ohne Bedeutung.
Dass Verkehre aufgrund militärischer Anforderung durch den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss zugelassen worden wären, wäre allenfalls in Betracht zu ziehen gewesen, wenn die Betriebsgenehmigung durch den Umbau des Flughafens Leipzig/Halle und die Inbetriebnahme der neuen Start- und Landebahn Süd unwirksam geworden wäre. Zwar war der Senat aufgrund einer vorläufigen Einschätzung der Rechtslage im Eilbeschluss vom 1. November 2007 – BVerwG 4 VR 3001.07 – davon ausgegangen, dass die Betriebsgenehmigung erloschen ist; davon hat er sich aber nicht erstmalig – und damit für den Kläger zu 1 überraschend – in den schriftlichen Gründen des Urteils vom 24. Juli 2008 distanziert. Bereits in der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende Richter klargestellt, dass durch den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss keine Verkehre zugelassen worden seien, sondern dass die Zulassungsentscheidung in früheren Genehmigungen getroffen worden sei und im Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss nur Beschränkungen der Betriebszeiten für bestimmte Verkehrsarten verfügt worden seien. Eines ausdrücklichen Hinweises des Inhalts, der Senat gedenke, von seinem im Eilverfahren BVerwG 4 VR 3001.07 einstweilen eingenommenen Standpunkt abzurücken, bedurfte es nicht. Seine Auffassung, dass die Betriebsgenehmigung einer erneuten Überprüfung durch den Beklagten bedurfte, weil die planfestgestellte Veränderung der Bahnkonfiguration eine wesentliche Änderung des Flughafens mit der Folge darstellt, dass über die Betriebszeiten des Flughafens insgesamt neu entschieden werden musste (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 ≪Rn. 70≫), hat der Senat im Übrigen nicht aufgegeben, sondern ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 24. Juli 2008 – BVerwG 4 A 3001.07 – Rn. 22).
Der Kläger zu 1 kann nicht mit dem Argument gehört werden, die Verneinung der Klagebefugnis stelle eine unzulässige, mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbare Rechtsschutzverkürzung dar, weil ihm verwehrt werde, sich gegen die durch die Aufnahme militärischen Flugverkehrs bewirkte Gesichtsänderung des Flughafens zur Wehr zu setzen. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsbehelf gegen jedes (vermeintliche) prozessuale Unrecht, sondern schützt nur das durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährte und einfachgesetzlich in den Prozessordnungen ausgestaltete Recht auf rechtliches Gehör.
2. Soweit die Anhörungsrüge der Kläger zu 2 und 3 mit der Anhörungsrüge des Klägers zu 1 inhaltlich übereinstimmt, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.
Der Vorwurf der Kläger zu 2 und 3, der Senat habe sie dadurch überrascht, dass er die behauptete Terrorgefahr aufgrund der Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle auch für militärische Sonderverkehre zum Transport von US-Militärpersonal deshalb als geringfügig und nicht abwägungsbeachtlich angesehen habe, weil die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen durch US-amerikanische und deutsche Sicherheitsexperten begutachtet und gebilligt worden seien (UA Rn. 102), ist unberechtigt. Die Beigeladene hatte mit ihren dahingehenden Darlegungen in der mündlichen Verhandlung auf den Einwand der Kläger zu 2 und 3 reagiert, ihre Sicherheitsbedenken seien vernachlässigt worden. Der Senat hatte keinen Anlass, das Vorbringen der Beigeladenen in Zweifel zu ziehen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass Angehörige der US-Armee, insbesondere Kampftruppen, einen ausländischen Flughafen zu Zwischenlandungen nutzen, ohne dass zuvor die Sicherheitslage am Flughafen und seinen Zufahrtswegen analysiert worden ist. Auch die Kläger zu 2 und 3 haben in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten, dass die behauptete Sicherheitsüberprüfung stattgefunden hat. Zu Unrecht machen sie deshalb geltend, sie hätten in dieser Situation vernünftigerweise nicht damit rechnen können, dass der Senat dem Vortrag der Beigeladenen folgen und eine Abwägungserheblichkeit von Sicherheitsgefahren verneinen würde.
Die Kritik der Kläger zu 2 und 3, der Senat habe anlässlich der Anerkennung eines ausnahmsweisen Nachtflugbedarfs in der Zeit zwischen 5:00 und 5:30 Uhr für verfrühte Ankünfte (UA Rn. 56) wesentlichen Vortrag unberücksichtigt gelassen, ist unbegründet. Der Senat hat den Vortrag ihres Sachbeistandes F…, Frühankünfte träten vor allem bei Interkontinentalverbindungen auf und ließen sich durch eine Verlangsamung des betreffenden Fluges vermeiden, zur Kenntnis genommen (UA Rn. 56). Er ist ihm jedoch in der Sache nicht gefolgt, da die Geschwindigkeit, mit der ein Flugzeug unterwegs sei, nicht allein von den meteorologischen Verhältnissen und vom Flugzeugführer, sondern auch von anderen Einflüssen abhänge. Was die Kläger zu 2 und 3 hiergegen vorbringen, betrifft die gerichtliche Beweiswürdigung und führt nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Den Vortrag F…, dass eine Wartung mittels A-Checks auf allen Flughäfen der Welt tagsüber stattfinden könne und daher die Durchführung eines A-Checks als Kriterium für eine Flugberechtigung in der nächtlichen Kernzeit am Flughafen Leipzig/Halle nicht gerechtfertigt erscheine, hat der Senat für unbeachtlich gehalten. Er hat anerkannt, dass Fluggesellschaften, die logistisch in das Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle eingebunden sind, ein Interesse daran haben können, Wartungsereignisse vom A-Check aufwärts nicht an einem beliebigen Flughafen, sondern im Hinblick auf ihre Umlaufplanung am Flughafen Leipzig/Halle durchzuführen. Er hat weiter gebilligt, dass nächtliche Flüge dieser Luftfahrtunternehmen zum Zwecke der Wartung, Instandsetzung, Überführung und Bereitstellung in dem Umfang zulässig sind, in dem ihre Verkehre die Nachtzeit in Anspruch nehmen dürfen (UA Rn. 73, 74). Dass er sich damit in Widerspruch zu der Ansicht F… gesetzt hat, stellt keinen Gehörsverstoß dar.
Das Beispiel F… für einen vierfachen Balearenumlauf in der Tagzeit hat der Senat in der mündlichen Verhandlung erörtert und zum Beweiswert in den Entscheidungsgründen des Urteils Stellung genommen (UA Rn. 52). Damit ist dem Anspruch der Kläger zu 2 und 3 auf rechtliches Gehör Genüge getan. Mit ihrer Rüge, die Überlegungen und Berechnungen F… hätten den Senat veranlassen müssen, von der Gegenseite einen detaillierten Nachweis der Umlaufbedingungen unter Berücksichtigung der Start- und Landezeiten, Wartungsmöglichkeiten sowie Kapazitäten, Reichweite und Wartungszeiten des eingesetzten Flugzeugtyps zu fordern, beanstanden sie eine unzureichende Klärung des Sachverhalts. Einen Gehörsverstoß zeigen sie damit nicht auf.
Soweit der Senat die Annahme des Beklagten gebilligt hat, für nächtliche Postflüge bestehe ein standortspezifischer Bedarf, stellt sich sein Urteil nicht als unzulässiges Überraschungsurteil dar. Die Kläger zu 2 und 3 konnten sich nicht darauf verlassen, dass die Nachtflugregelung in A I. 4.7.1.2 des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 20. April 2005 – BVerwG 4 C 18.03 – (BVerwGE 123, 261 ≪272≫) beanstandet werden würde. Der Begründung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses (S. 42 f.) lässt sich entnehmen, dass auch der Beklagte die Voraussetzung, es sei ein Nachtflugbedarf im Luftpostverkehr in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, verneint hat. Wegen der spezifischen Standortbedingungen am Flughafen Leipzig/Halle hat er sich “dennoch” zu der Regelung in A I. 4.7.1.2 veranlasst gesehen (EPFB S. 43). Sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene haben die Regelung gegen die Angriffe der Kläger zu 2 und 3 schriftsätzlich verteidigt. Aus der Tatsache, dass der Senat sie nicht zum Gegenstand des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, durften die Kläger zu 2 und 3 nicht den Schluss ziehen, dass sie vom Senat missbilligt werden würde, sondern mussten als ebenso wahrscheinlich in Rechnung stellen, dass der Senat der Argumentation der Gegenseite folgt.
3. Zu einem “Überdenken” der Ausführungen zu Rn. 96 seines Urteils sieht sich der Senat nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Unterschriften
Prof. Dr. Rojahn, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen